Im Einzelnen sind zur (Un)zulässigkeit der jeweiligen Schilder folgende Aspekte zu beachten:
1. Straßenverkehrsrechtliche Betrachtung
- Touristische Hinweise
Die touristische Beschilderung (braun-weiße Schilder) richtet sich nach den Richtlinien für touristische Beschilderung (RtB). Demnach darf nur auf bedeutsame touristische Ziele hingewiesen werden, die von allgemeinem touristischem Interesse sind, erheblichen touristischen Verkehr anziehen und sich nicht weiter als 10 km entfernt (Luftlinie) befinden.
Beispiele für touristische Ziele (RtB 2008, S. 9 ff):
- Kultur-, Bau- und Bodendenkmäler;
- Welterbestätten der Unesco;
- sonstige Anlagen oder Einrichtungen von kultureller, geschichtlicher oder kulturhistorischer Bedeutung;
- Stadtbereiche oder städtebauliche Ensemble von baulicher Bedeutung oder städtebaulicher Besonderheit, z.B. historischer Stadtkern;
- Naturdenkmäler;
- Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiete, National- oder Naturparks (gem. BNatschG), sofern es der Schutzzweck erlaubt;
- sonstige zur Erholung geeignete Landschaften und Landschaftsparks;
- Gärten;
- Kriegsgräberstätten;
- Erholungs- und Freizeitgebiete oder -einrichtungen (z.B. Freizeitparks / Wildparks).
Das Ziel sollte folgende Voraussetzungen erfüllen:
- Permanente, ganzjährige öffentliche Zugänglichkeit mit üblichen, täglichen Öffnungszeiten. Ist eine touristische Einrichtung über einen längeren Zeitraum geschlossen (z.B. Saisonöffnungszeiten), ist die Beschilderung auf geeignete Weise unkenntlich zu machen;
- zum Ziel führt eine Zufahrtsstraße;
- ausreichender Parkraum ist vorhanden;
- vom Parkplatz führt ein verkehrssicherer Fußweg zum Ziel;
- die Einrichtung selbst ist verkehrssicher zugänglich.
Keine touristischen Ziele i.S.d. RtB sind:
- Private, öffentlich nicht zugängliche Ziele;
- Einrichtungen für temporäre Großveranstaltungen (Messen, Stadion, Multifunktions-Arena);
- Beherbergungs- und Gaststättenbetriebe;
- öffentliche Anlagen und Einrichtungen, die in erster Linie dem Erholungs- und Freizeitbedarf Ortsansässiger dienen, wie Sportanlagen / Schwimmbäder etc.
- Innerörtliche Wegweisung zu verkehrswichtigen Zielen
Die weiß-schwarze Wegweisung zu Zielen mit erheblicher Verkehrsbedeutung kommt in Betracht, wenn ein öffentliches Ziel starken Zielverkehr generiert, aber nicht unter die touristische Beschilderung fällt.
Beispiele für Ziele mit erheblicher Verkehrsbedeutung (vgl. Verwaltungsvorschrift zu Verkehrszeichen 432 StVO):
- Ortsteile (Parksiedlung, Zentrum, Kurviertel);
- öffentliche Einrichtungen (z.B. Messe, Rathaus, Bahnhof, Flughafen, Universität, Stadion);
- Industrie- und Gewerbegebiete;
- Erholungs- und Freizeitgebiete bzw. Freizeiteinrichtungen (z.B. Therme).
Die Wegweisung auf andere Ziele kommt nur in Betracht, wenn dies aufgrund des besonders starken auswärtigen Zielverkehrs unerlässlich ist und auch nur, wenn allgemeine Hinweise wie „Industriegebiet Nord" nicht ausreichen. Die Verwendung von Logos oder anderen privaten Zusätzen ist nicht zulässig!
Werbung oder Inhalte, die als solche verstanden werden können, sind als Verkehrszeichen grundsätzlich unzulässig (vgl. § 33 StVO)
- Nichtamtliche Hinweisschilder
Die Umgehung von straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften durch die Verwendung von „nichtamtlichen“ Hinweisschildern kann nicht akzeptiert werden. Diese Verwendung kommt nur in Betracht, wenn eine Regelungslücke vorhanden, die Wegweisung aus verkehrlicher Sicht aber erforderlich ist. Die Beurteilung über die Erforderlichkeit trifft die Straßenverkehrsbehörde einzelfallbezogen nach Abstimmung mit der Polizei.
Ein Beispiel kann die häufige Fehlleitung von Verkehrsteilnehmern und eine damit einhergehende Gefahr sein. So wird z.B. auf die Lindauer Fruchtsäfte hingewiesen, weil viele Lastkraftwagenfahrer zu früh in den Kellereiweg einbiegen und sich dann hinter der dortigen Pension festfahren. Die Beschilderung hat hier den Zweck, das Festfahren der LKWs zu vermeiden.
Ein weiteres Beispiel sind die Hinweisschilder der Straßenverkehrsbehörde auf die Parkplätze (Parkleitsystem).
Außerhalb geschlossener Ortschaften (d.h. außerhalb der Ortstafel) gilt eine Sonderregelung. Es besteht die Möglichkeit, auf abseits gelegene Einrichtungen mit erheblichem Besucherverkehr im Nahbereich von Durchfahrtsstraßen mittels nichtamtlichen Wegweisern hinzuweisen. Hintergrund ist das generell geltende Werbeverbot außerorts, das eine private Hinweisbeschilderung im Regelfall unmöglich macht. Eine Entscheidung über solche Wegweiser trifft die Straßenbaubehörde im Einvernehmen mit Polizei und Straßenverkehrsbehörde, ggfs. mit dem Staatlichen Bauamt.
Die Umgehung der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften durch die Aufstellung von nichtamtlichen Schildern auf öffentlich gewidmetem Verkehrsgrund mittels Sondernutzungserlaubnis sollte vermieden werden. Die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis ist daher einzelfallbezogen in enger Zusammenarbeit mit der Straßenverkehrsbehörde zu prüfen. Besteht die abstrakte Möglichkeit einer Ablenkung vom Verkehrsgeschehen, den Verkehrszeichen oder der städtischen Beschilderung, so sollte die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis ausscheiden.
2. Exkurs: Beherbergungsbetriebe
Häufig begehren gerade Hotels oder Restaurants eine Wegweisung. Neben möglicherweise rückgemeldeten Schwierigkeiten beim Auffinden des Hotels ist der Haupttreiber solcher Anfragen zumeist die Möglichkeit Spontankunden abzufangen. Damit wird das Verkehrszeichen als Werbeträger zweckentfremdet. Die Verwendung nichtamtlicher Hinweise für solche Zwecke würde die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften aushebeln und dem Gedanken der Reduzierung des Schilderwaldes zuwiderlaufen. Letztlich beeinträchtigt dann die Masse der Schilder erneut die Verkehrssicherheit. Hier gilt es auch, die hohe Anzahl der Hotels in Lindau zu beachten.
Die Beschilderung von Hotels muss vor diesem Hintergrund grundsätzlich ausgeschlossen werden. Hotelbesitzer können Werbeanlagen nach Einholung der erforderlichen Genehmigungen auf Privatgrund aufstellen.
Sollte ein Hotelleitsystem o.ä. für erforderlich gehalten werden, so kommt nur ein System abseits der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften in Betracht. Angesichts der hohen Anzahl von Hotels in Lindau muss aber kritisch hinterfragt werden, ob hier nicht ein weiterer Schilderwald entsteht. Die Kosten für die Schilder müssten die Hotels als Antragsteller tragen. Zu beachten ist der hohe Aufwand bei der konsequenten Pflege des Hotelleitsystems (z.B. Auf-/Übergabe eines Betriebs = sofortige Entfernung eines Schildes oder Namens-anpassung). Sofern der Ausschuss ein Hotelleitsystem befürwortet, ist zu beachten, dass aus straßenverkehrsrechtlicher Sicht eine Einzelnennung der Hotels -wenn überhaupt- lediglich an der letzten Möglichkeit zum Abbiegen in Betracht kommt.
Beispiel:
Route Stadtteil – Nennung der Straße oder des Platzes bei mehreren Hotels – ggfs. Einzelnennung Hotel
Campingplätze stellen aus Sicht der Verwaltung eine Ausnahme dar, da diese auch regelmäßig von erheblichem Spontanverkehr aufgesucht werden. Aus diesem Grund kennt die StVO auch ein eigenes Verkehrszeichen für Zelt- und Wohnwagenplätze, welches in Lindau ehemals in Absprache mit Vertretern des Tourismus eingeführt wurde. Die vorhandene Beschilderung zu den Campingplätzen soll jedoch deutlich reduziert werden.
3. Geplantes Vorgehen der Verwaltung
Die Straßenverkehrsbehörde strebt an, alle unzulässigen Schilder möglichst bis zum Herbst 2022 zu erfassen, die Betroffenen zu informieren und anschließend entfernen zu lassen:
- Beschlussfassung im Hauptausschuss;
- Ermittlung der vorhandenen -nicht der StVO entsprechenden- amtlichen Beschilderung (größtenteils erfolgt);
- Ermittlung der vorhandenen -nicht der StVO entsprechenden- privaten Beschilderung (teilweise erfolgt);
- Anordnung zur Beseitigung der nach der StVO unzulässigen Schilder an die GTL oder an den privaten Anbringer;
- Meldung störender privater Schilder auf öffentlich gewidmeter oder nicht gewidmeter Verkehrsfläche, die nicht in die Zuständigkeit der Straßenverkehrsbehörde fallen, an die zuständige Abteilung zu weiteren Veranlassung / Prüfung;
- wo verkehrlich erforderlich, Anordnung eines allgemeinen Ersatzes / Sammelbegriffs (z.B. „Gewerbegebiet“ oder „Lindau-Insel“).
Hinweis: Gegen Schilder auf Privatgrund kann die Straßenverkehrsbehörde nur vorgehen, wenn diese ohne eine erforderliche Genehmigung errichtet wurden!