Verkehrsentwicklung Ansätze für Verkehrsberuhigungsmaßnahmen im Ortsbereich


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Gemeinderates, 21.07.2020

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Gemeinderat Sitzung des Gemeinderates 21.07.2020 ö informativ 4

Sachverhalt

Eine umsichtige und überlegte Verkehrsführung ist ein sehr wichtiges Kriterium für die Gestaltung eines Ortes. Verkehrsplanungen können sich unmittelbar auf die Lebensqualität der Bevölkerung auswirken und beeinflussen grundlegend auch wirtschaftliche und soziale Abläufe der gesamten Gemeinde. Der allgemeine Wunsch nach Maßnahmen zur Beruhigung des Verkehrs wird oft geäußert und ist sehr ernst zu nehmen. Es bedarf aber stets einer genauen Analyse, welche Maßnahmen sinn- und wirkungsvoll sind und wie sie mit den sich daraus ergebenden Auswirkungen in Einklang gebracht werden können.
Zuerst müssen aber auch die vorgegebenen örtlichen Gegebenheiten genau betrachtet werden, um dann über die Anwendung konkreter Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung nachzudenken. Insbesondere schränken die geographischen Verhältnisse grundlegende Verkehrsverlagerungen in Oberaudorf leider sehr stark ein. Die Bahnlinie zerschneidet das Gemeindegebiet und lässt aufgrund der Unterführungsbauwerke Änderungen bei den Hauptverkehrsströmen kaum zu. Das Bergmassiv entlang der Westseite des Ortsbereichs ist zusätzlich eine natürliche Barriere. Auch in diese Richtung können keine zusätzlichen Verkehrsströme gelenkt oder umgeleitet werden. Die Staatsstraße St 2089 (Kufsteiner- bzw. Rosenheimer Straße) ist die einzige durchgehende Verbindung in Gemeindegebiet. Alle Verkehrsregelungen für diese Straße werden aber vom Landratsamt Rosenheim als zuständige Straßenverkehrsbehörde getroffen. Die Gemeinde wird nur angehört und kann selbst keine Maßnahmen anordnen. Wünsche der Gemeinde werden kaum berücksichtigt (siehe FGÜ Rosenheimer Straße; Höhe Nahkauf).
Alle anderen Straßen im Ortsbereich münden schließlich wieder in diese Hauptverbindung. Das gilt auch für die Bad-Trißl-Straße, über die alle westlich gelegenen Ortsteile erschlossen werden und der daraus stammende Verkehr dann auch wieder der Staatsstraße zufließt.
Durch Verbesserungsmaßnahmen muss vor allem die Dominanz des Kraftfahrzeugverkehrs gegenüber den schwächeren Verkehrsteilnehmern beschränkt werden. Hier können bereits kleine bauliche Maßnahmen zur einer Verbesserung für den Fußgängerverkehr führen. Künftig sollen deshalb alle Straßenbaumaßnahmen auf den maximalen Schutz der Fußgänger ausgelegt werden. Hier helfen z.B. Pflasterstreifen in Einmündungsbereich, die optisch als Unterbrechung der Fahrbahn wirken. Höhengleiche Seitenbereiche, deren Belag sich von der Fahrbahn abhebt, lassen diese schmäler wirken und bieten mehr Schutz für Fußgänger. Oftmals führen kleine bauliche Veränderungen zu einer Reduzierung der Geschwindigkeit. Sie sind damit oft wirkungsvoller als Verkehrszeichen, deren bloßes Aufstellen zu keiner Veränderung der Fahrweise führt. Ziel einer vernünftigen Verkehrsplanung muss es sein, dass Verkehrszeichen nur dort aufgestellt werden, wo dies dem Grund der Umstände zwingend erforderlich ist (§ 45 Abs. 9 StVO). Deshalb sind Bereiche, in denen keine Verkehrszeichen aufgestellt sind, besonders sicher, da niemand auf sein Recht pochen kann und daher vorsichtiger fahren muss. Das kommt wiederum dem schwächeren Verkehrsteilnehmern zu Gute.
Genau an diesen Gesichtspunkten hat sich der Gemeinderat im Jahre 2007 orientiert, als versucht wurde, beim Innenministerium die Erlaubnis zur Einrichtung einer Tempo 30 Zone für die Ortsmitte von Oberaudorf zu beantragen (§ 45 Abs. 1 Nr. 1 c StVO) und darüber hinaus einen verkehrsberuhigten Geschäftsbereich, mit einer erlaubten Höchstgeschwindigkeit von max. 20 km/h auszuweisen (§ 45 Abs. 1 Nr. 1 d StVO). Leider ist grundsätzlich die Ausweisung solcher Bereiche für Staatsstraßen nicht erlaubt, dennoch könnte das Ministerium aber bei Vorliegen der Voraussetzungen Ausnahmen zulassen. Die erforderlichen Kriterien, dass es sich um einen zentralen städtischen Bereich mit hohem Fußgängeraufkommen und überwiegender Aufenthaltsfunktion handeln muss, in dem dann ausschließlich die Regelung „rechts-vor-links“ gilt, würde auf das Ortszentrum von Oberaudorf vollständig zutreffen. Der Antrag wurde mit der Begründung fehlender Eingabekompetenz leider abgelehnt.
Gegenüber dem damaligen Antrag kann heute der Ausbau der inneren Ortsumgehung über die Naunspitz- und Geigelsteinstraße, über die ohnehin der überörtliche Verkehr geleitet wird, als zusätzliches Argument aufgezählt werden. Eine erneute Antragstellung ist deshalb zu empfehlen. Allerdings ist die Gemeinde auch hier wieder von der Zustimmung des Landratsamtes und des Staatlichen Bauamtes als Straßenbaulastträger abhängig.
Um einen Gesamtüberblick über die Verkehrssituation in Oberaudorf zu erhalten wurde im Jahr 2015 die Entwicklung eines Verkehrskonzepts beim bekannten Fachbüro Hohmann und Steinert (Prien) in Auftrag gegeben, das 2016 fertiggestellt wurde. Hierbei wurden die verkehrstechnischen Problembereiche ermittelt und Lösungsansätze vorgeschlagen. Das Konzept fungiert als Leitfaden für Planung und Umsetzung zur Optimierung der Verkehrsstruktur in Oberaudorf.
Grundlegende Aussagen finden sich in einer Stärkung der Fuß- und Radwege, damit sich der innerörtliche KFZ-Verkehr bereits dadurch verringert. Dazu müssen Fuß- und Fahrradwege, die teilweise auch Ortsteile miteinander verbinden, erhalten oder neu angelegt werden. Dem Verkehrsraum soll in seiner Gestaltung mehr Aufenthaltsfunktion zukommen, Fahrbahnquerungen müssen für Fußgänger und Radfahrer erleichtert werden. Dieser Wunsch wurde auch bei der Seniorenbefragung im Jahr 2012 am häufigsten geäußert.
Im Rahmen der gemeindlichen Bautätigkeiten sollen alle Bereiche Zug um Zug nach den Vorgaben des Gesamtkonzeptes gestaltet werden. Dabei ist jedoch für jeden Einzelfall nach Dringlichkeit und Finanzierbarkeit zu entscheiden. Bisher wurden die Neugestaltung der nördlichen Ortseinfahrt, sowie die Verkehrslenkung im Oberfeldweg umgesetzt. Einige Maßnahmen, wie etwa der Einbau eines Fahrbahnteilers im Einmündungsbereich der Tiroler-/Naunspitzstraße konnten wegen fehlender Bereitschaft zur Grundstücksüberlassung bisher nicht verwirklicht werden. Sensible Bereiche, wie z.B. der Rathausplatz oder die Entschärfung der Ortseinfahrt von Niederaudorf stehen auf der Agenda des Entwicklungskonzeptes. Besonders wichtig ist auch eine rechtzeitige Reaktion bei aktuellen staatlichen und privaten Bauvorhaben in deren Zuge auch die gemeindliche Infrastruktur verbessert werden kann. Leider wurden hier gute Mitwirkungsmöglichkeiten versäumt, weil die dafür benötigten Finanzmittel nicht zur Verfügung gestellt wurden (z.B. Ortsdurchfahrt von Niederaudorf.)
Unter Betrachtung dieser Gesichtspunkte muss darauf hingewiesen werden, dass sich Entscheidungen für Bauvorhaben an der Verkehrsinfrastruktur oft über Jahrzehnte auf das gesamte Ortsgefüge auswirken und deshalb auch bei der Haushaltsplanung der Gemeinde einen höheren Stellenwert bekommen müssen.  

Diskussionsverlauf

Nach Einführung des Bürgermeisters in die Thematik erteilt dieser dem geschäftsleitenden Beamten der Gemeindeverwaltung, der auch für die Sachbearbeitung für die Verkehrsentwicklung zuständig ist, Herrn Seebacher, das Wort.

In einem Referat, das sich im wesentlichem an den im Sachverhalt beschriebenen Inhalt orientiert, stellt Herr Seebacher die Grundzüge dar, die für eine nachhaltige Verkehrsplanung in Oberaudorf entscheidend sind. Insbesondere betont er auch die Probleme, die der Gemeinde entstehen, wenn Einrichtungen von überörtlichen Verkehrsträgern Bund, Staat und Bahn betroffen sind. Obwohl das Ortsgebiet durch die übergeordnete Verkehrsstruktur belastet wird, hat die Gemeinde nur eine beschränke Mitwirkungsmöglichkeit, muss sich aber mit eigenen Finanzmitteln noch unverhältnismäßig hoch an solchen Vorhaben beteiligen.

In der anschließenden Diskussion gab es zahlreiche Wortmeldungen. Den Ausführungen von Herrn Seebacher wird weitgehend zugestimmt. Unter anderem wird mehr gegenseitige Rücksichtnahme unter den verschiedenen Verkehrsarten gefordert. Es wurde darauf hingewiesen, dass im weitläufigen Ortsbereich von Oberaudorf auch das Auto als Verkehrsmittel Bedeutung haben wird. Mehrere Bereiche wurden genannt, die noch im Verkehrskonzept berücksichtig werden sollen, u.a. die Querungen für Fußgänger, vor allem Schulkinder, im Bereich der Einmündung Naunspitz-/Tiroler Straße und Tiroler-/Kufsteiner Straße.

Über die Weiterentwicklung und Anpassung des Verkehrskonzeptes wird der Gemeinderat noch eingehender beraten. Dabei soll auch die erneute Beantragung eines verkehrsberuhigten Geschäftsbereichs im Ortszentrum angedacht werden. Als eigene s Thema soll auch die Einführung einer kommunalen Verkehrsüberwachung untersucht und vom Gemeinderat bewertet werden.

Beschluss

Alle kurzfristigen Bau- und Sanierungsmaßnahmen im Straßenraum sollen mit gestalterischen Maßnahmen für Verkehrsberuhigung ausgeführt werden. Dabei ist auf die Barrierefreiheit zu achten. Je nach Gegebenheit soll auf die Aufstellung von Verkehrszeichen verzichtet werden.
Bereiche mit hoher Verkehrsbedeutung sollen stets mit dem Ziel der Verkehrsberuhigung und der Berücksichtigung der schwächeren Verkehrsteilnehmer geplant und ausgeführt werden.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 18, Dagegen: 0

Datenstand vom 29.07.2020 15:55 Uhr