Antrag zur Änderung des Flächennutzungsplanes und des Bebauungsplanes Nr. 18 "Berchtesgadener Straße"; Festsetzung als Urbanes Gebiet gemäß § 6a BauNVO


Daten angezeigt aus Sitzung:  8. Sitzung des Bau- und Umweltausschusses, 14.12.2020

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Bau- und Umweltausschuss (Gemeinde Piding) 8. Sitzung des Bau- und Umweltausschusses 14.12.2020 ö 9

Sachverhalt und rechtliche Würdigung

In der Sitzung des Bauausschusses vom 23.06.2020 wurde laut Herrn Schaller einer Bauvoranfrage zum Errichten eines Anbaus an das Anwesen Lechsenwiese 3 zugestimmt. Nachdem das Grundstück im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 18 „Berchtesgadener Straße“ liegt, wurde von Seiten des Bauausschusses verschiedenen Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplanes zugestimmt. Allerdings lehnte das Landratsamt diese Befreiungstatbestände ab, da nach dortiger Ansicht die Grundzüge der Planung berührt würden und damit baurechtlich keine Möglichkeit für ein Befreiungen besteht. Im Rahmen eines Gesprächs mit dem Landratsamt wurde nach Lösungsmöglichkeiten mit folgendem Ergebnis gesucht.
Derzeit befindet sich das Baugrundstück in einem Mischgebiet. Die Voraussetzungen für ein Mischgebiet sind allerdings nicht mehr gegeben; dies ist einer der Gründe für die Ablehnung der Bauvoranfrage. Aus der laufenden Rechtsprechung hat sich eine Änderung der Inhalte eines Mischgebietes entwickelt, wodurch das Verhältnis Wohnen/Gewerbe etwa 60 – 40 betragen sollte. Dieses Verhältnis liegt im Gebiet des Bebauungsplanes nicht vor, war allerdings zum Zeitpunkt der Erstellung auch nicht der Fall. Da diese Problematik vielerorts aufgetreten ist, wurde in die Baunutzungsverordnung eine neue Nutzungsart aufgenommen, das sogenannte Urbane Gebiet gemäß § 6a BauNVO. Urbane Gebiete dienen dem Wohnen sowie der Unterbringung von Gewerbebetrieben und sozialen, kulturellen und anderen Einrichtungen. Die Nutzungsmischung muss nicht gleichgewichtig sein. Das Bebauungsplangebiet erfüllt, wenn auch in kleinem Maßstab, diese Anforderungen: Wohnungen, Gewerbe, Kindergarten, Mehrzweckhalle. Eine Änderung von Mischgebiet in ein Urbanes Gebiet ist deshalb möglich.
Der Bauherr des Grundstücks Lechsenwiese 3 hat nun die Änderung des Flächennutzungsplans in der Weise beantragt, die Gebietsart des Plangebietes als Urbanes Gebiet festzusetzen. Damit wäre die Grundlage geschaffen, für die Grundstücke Lechsenwiese 3 und 4 weiteres Baurecht zu schaffen (angemessene Erhöhung der GRZ und angemessene Erweiterung der Baufenster) und gleichzeitig den Bebauungsplan insgesamt zeitgemäß zu gestalten.
Die Kosten für ein Bebauungsplan-Änderungsverfahren werden in der Regel dem Antragsteller auferlegt. In vorliegendem Fall jedoch ist vorgesehen die Gelegenheit zu nutzen, um den Bebauungsplan insgesamt wie angeführt zeitgemäßer zu gestalten. Aus diesem Grund wäre eine Kostenteilung zwischen Antragsteller und Gemeinde denkbar.
     

Diskussionsverlauf

Im Unterschied zu dem Bebauungsplan in TOP 5 dieser Sitzung sitzt hier die Gemeinde „mit im Boot“, so der Bürgermeister.

GR Rotter verliest seinen Standpunkt wie folgt:
„Ich möchte natürlich, dass die Familie bauen darf, aber im Mischgebiet, wenn dies möglich ist.
Mein Problem besteht darin, dass das Urbane Gebiet die bauliche Situation nur etwas verändert. Es lässt die engere Bebauung zu, was wir grundsätzlich auch anstreben sollten.
Wie stehen wir aber den Anwohnern in diesem Gebiet gegenüber, damit dass die Immissionsrichtwerte (bei einem Mischgebiet bei Tag 60 Dezibel) in einem Urbanen Gebiet bei 63 Dezibel liegen, was also eine Erhöhung von 3 Dezibel bedeutet. Dies liegt nahe an den Werten eines Gewerbegebiets. Wer groß profitiert, ist die Autobahndirektion. Wenn der Ausbau der Autobahn-Bestandstrasse kommt und nach Norden ausgebaut wird, sind für das Gebiet des Bebauungsplans „Berchtesgadener Straße“ keinerlei Maßnahmen erforderlich, da die Grenzwerte beim Immissionsschutz im Urbanen Gebiet sehr hoch sind. Dies ist für Piding insgesamt dramatisch.
Die Autobahndirektion würde aus Kostengründen nur das allernötigste machen; was dringend nötig ist, und keinen Millimeter mehr.
Im Urbanen Gebiet werden die Anwohner künftig von der Autobahndirektion beim Autobahnausbau weniger geschützt, da die Orientierung der Grenzwerte höher liegt.“

Um dem Bauwerber zu helfen, ist die Änderung in ein Urbanes Gebiet erforderlich, so Herr Schaller. Dies entspricht dem Vorschlag des Landratsamts.

Die Schwelle der Lärmwerte wird heruntergesetzt, befürchtet BM Holzner. Den Kindergarten schlechter zu stellen, schließt er aus. Dennoch sollte das geplante Bauvorhaben nicht verhindert werden.

2. BM Kleinert erinnert, der Kindergarten wurde von der Autobahndirektion bei deren Ausbauplänen bezüglich der Lärmwerte sehr niedrig bewertet. Auch angesichts einer Erhöhung von 3 Dezibel sollte das Bauvorhaben Lechsenwiese 3 ermöglicht werden.
Drei Dezibel bedeuten eine Verdopplung der Lärmwerte, wirft GR Dr. Zimmer ein.

Die Möglichkeit, nur einen Teil des Bebauungsplans als Urbanes Gebiet zu widmen, stellt GR Lerach in den Raum. Dabei könnte das Gebiet größer gefasst werden, um eine Erweiterung des Kindergartens einzuschließen.
Wie eine Prüfung durch das Bauamt ergab, ist diese Variante hier nicht möglich, antwortet Herr Schaller.

GR Dr. Zimmer regt an, in das Änderungsverfahren einzusteigen und im Verlauf entsprechend abzuwägen. Dabei ist ein gemeindlicher Anteil an den Verfahrenskosten höher als die Hälfte nicht leicht zu argumentieren.
Da bei einer Bebauungsplanänderung auch andere Wohngebäude profitieren, hält GR Koch eine Halbierung der Kosten für diskussionswürdig. Er priorisiert die Übernahme von 2/3 der Kosten durch die Gemeinde.
BM Holzner gibt die Signalwirkung für andere Bebauungspläne zu bedenken. Die von der Gemeinde zu tragenden Kosten für Änderungsverfahren wären erheblich, warnt er. In der Vergangenheit trugen die Antragsteller die gesamten Verfahrenskosten für Bebauungsplanänderungen, hält der Bürgermeister vor Augen. Nun mehr als die Hälfte der Kosten zu übernehmen, ist angesichts dessen nicht gerechtfertigt.  
Die gesamten Verfahrenskosten betragen ca. EURO 12.000, konkretisiert Herr Schaller.
GR Lerach unterstützt die Meinung von GR Koch und fügt hinzu, der bestehende Bebauungsplan entspricht nicht mehr den tatsächlichen Gegebenheiten. Der gemeindliche Kindergarten ist ebenfalls betroffen. Ein weiterer Grund, mehr als die Hälfte der Verfahrenskosten zu übernehmen, ist die gewünschte Nachverdichtung. Des Weiteren schlägt er der Verwaltung die Inangriffnahme des schlechtesten Bebauungsplans im nächsten Jahr vor.
GR Dr. Zimmer erachtet den Vorschlag von GR Lerach als „illusorisch“. Er sieht auch keine Veranlassung dafür. Für die Verwaltung inklusive der beteiligten Behörden entsteht ein hoher Arbeitsaufwand. Darüber hinaus fehlt im nächsten Jahr der entsprechende Haushaltsansatz.
Die veralteten Bebauungspläne zu ändern, bezeichnet BM Holzner als „Herkulesaufgabe“.

Aufgrund der verschiedenen Meinungen im Gremium rät 2. BM Kleinert, wegen der Kostenaufteilung bezüglich der Bebauungsplanänderung zwei Beschlussvarianten zur Abstimmung zu stellen.  

Beschluss 1

Der Bauausschuss stimmt dem Antrag zu, im Flächennutzungsplan der Gemeinde Piding die Gebietsart im Bereich des Bebauungsplan Nr. 18 „Berchtesgadener Straße“ anstelle eines Mischgebietes (MI) als Urbanes Gebiet (MU) gemäß § 6a Baunutzungsverordnung festzusetzen. Dem Antrag auf Änderung des Bebauungsplanes Nr. 18 „Berchtesgadener Straße“ hinsichtlich der Grundstücke Lechsenwiese 3 und 4 sowie einer zeitgemäßen Anpassung wird grundsätzlich zugestimmt.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 10, Dagegen: 0

Beschluss 2

Der Auftrag für die Ausarbeitung der Bebauungsplanänderung wird dem Büro für Bauleitplanung Josef Brüderl, Kirchanschöring, erteilt. Die Kosten tragen der Antragsteller und die Gemeinde je zur Hälfte.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 3, Dagegen: 7

Beschluss 3

Der Auftrag für die Ausarbeitung der Bebauungsplanänderung wird dem Büro für Bauleitplanung Josef Brüderl, Kirchanschöring erteilt. Die Kosten tragen der Antragsteller zu einem Drittel und die Gemeinde zu zwei Drittel.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 8, Dagegen: 2

Datenstand vom 26.05.2021 11:20 Uhr