Der Bauausschuss beschließt, gegen den vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 176 der Gemeinde Vaterstetten folgende Anregungen vorzubringen:
Landesplanung:
Der geplante Bebauungsplan verstößt gegen das Anbindegebot des Landesentwickungsprogramms (LEP).
In der Begründung zum Bebauungsplan wird zu dem „Anbindegebot“ ausgeführt, dass die Ausnahmetatbestände des LEP erfüllt sind. Das mag für die verkehrliche Anbindung zutreffen. Auf die Voraussetzung „ohne wesentliche Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes sowie „kein geeigneter angebundener Standort vorhanden“ wird jedoch nicht eingegangen. Nach Auffassung der Gemeinde Pliening läge ein geeigneterer anderer Standort, und zwar zwischen den Ortsteilen Parsdorf und Neufarn, vor. Hier wurde bereits vor einigen Jahren die Realisierung eines Gewerbegebietes angedacht.
Damit verstößt die Planung gegen die Vorgaben des LEP und ist daher als unzulässig abzulehnen. Der von der Gemeinde Vaterstetten vorgebrachte Ausnahmetatbestand ist nicht gegeben, da alternative Standorte, die das Orts- und Landschaftsbild weniger beeinträchtigen vorhanden sind. Das zwischen den Ortsteilen Parsdorf und Neufarn im Regionalplan festgelegte regionale Trenngrün könnte, anders als der Regionale Grünzug, in die Planung ohne Probleme integriert werden.
Raumordnung:
Nach Art. 24 Abs. 1 des Bayerischen Landesplanungsgesetzes sind Raumordnungsverfahren bei „Vorhaben von erheblicher überörtlicher Raumbedeutsamkeit“ erforderlich. Kriterien zur Beurteilung einer solchen Bedeutsamkeit sind insbesondere die Größe, der Standort und dessen Auswirkungen.
Bei der „Größe des Vorhabens“ ist die räumliche Dimension des Vorhabens zu prüfen, also Höhe, Breite oder Länge der baulichen Anlagen. Im als Industriegebiet ausgewiesenen Bereich ist ein Gebäude mit über 460 m Länge und mehr als 120 m Tiefe vorgesehen. Die überdeckte Fläche der größten Halle entspricht damit ca. fünf Fußballfeldern. Insgesamt dürfte eine Fläche von ca. elf Fußfallfeldern allein durch die vier Produktionshallen im Industriegebiet versiegelt werden. Der Bereich „Sondergebiet Logistik“ ist dabei noch nicht berücksichtigt.
Dieses Tatbestandsmerkmal ist erfüllt.
Der „Standort des Vorhabens“ stellt auf die Lage der Planung ab. Im Bebauungsplan wird die Situierung der Bebauung mit dem im Regionalplan für die Region München festgelegten Regionalen Grünzug nördlich der A 94 begründet, der eine Bebauung unmittelbar entlang der A 94 ausschließt, eine Bebauung Richtung Poing/Grub jedoch zulässt.
Mit dieser Argumentation eine derart massive und unstrukturierte Planung, ohne Prüfung relevanter Alternativen gleichsam „in die Landschaft zu werfen“, kann bestenfalls bei flüchtiger Betrachtung den landes- und raumordnerischen Vorgaben entsprechen.
Der Bereich zwischen der Autobahn A 94 und der S-Bahnlinie zeichnet sich durch intensiv genutzte landwirtschaftliche Flächen und, östlich der Gruber Straße, Waldstrukturen aus. Hier liegt – auch – der aufgrund seiner Bedeutung für die Frischluftzufuhr der Landeshauptstadt relevante Regionale Grünzug.
Hierauf die Begründung für den Bebauungsplan auf zu bauen übersieht allerdings die Wirkung der Planung. Die umgebenden landwirtschaftlichen Flächen werden möglicherweise in ihrer Nutzung ebenso beschränkt wie die bestehenden Waldstrukturen. Auch die Unterbrechung der naturräumlichen Beziehungen (z. B. Blickachse Parsdorf – Grub) ist hiervon betroffen. Vor diesem Hintergrund verstößt die Planung damit – letztendlich – gegen den Tatbestand des „Standorts des Vorhabens“.
Schließlich sind die „Auswirkungen des Vorhabens“ zu prüfen. Hierbei sind u. a. Belange wie eine nachhaltige Raumentwicklung, die Siedlungsstruktur, die Verkehrsinfrastruktur oder das Landschaftsbild relevant.
Es ist unstrittig, dass das Vorhaben sowohl für die Siedlungsstruktur als auch für das Landschaftsbild erhebliche Auswirkungen hat. Auf die Ausführungen zum Punkt „Standort des Verfahrens“ wird hierbei verwiesen.
Das Verkehrsgutachten „Parsdorf Gewerbepark Gruber Straße“ thematisiert weder die Entlastungsmöglichkeiten für das klassifizierte Straßennetz, noch eine Verbesserung, die durch den ÖPNV erbracht werden könnte. Außerdem bleibt die Grundproblematik der S-Bahn-Linie S 2 unberücksichtigt.
Bereits heute ist festzustellen, dass die S-Bahn-Linie S 2 ausgebaut werden muss, um die Kapazitäten, die künftig erforderlich sind, um der gesamten Siedlungsentwicklung im Münchner Osten, gerecht zu werden. Ferner ist eine Verschlechterung der jetzigen Situation durch den sogenannten 15 Minuten-Takt im Rahmen der zweiten Stammstrecke zu erwarten.
So verkehren momentan im Zeitfenster von 05.56 Uhr und 07.56 Uhr zwischen dem Markt Markt Schwaben und dem Haltepunkt Riem insgesamt zwölf S-Bahnen. Bei einem 15 min-Takt werden rechnerisch nur noch neun S-Bahnen verkehren. Dies bedeutet, dass sich bei gleichbleibenden Zuglängen die Kapazität um 25% verringern würde.
Berücksichtigt man ferner, dass der Bahnhof St. Koloman nur mit einer Bahnsteiglänge von 140 m ausgebaut wird, sind durchgängige Langzüge (erforderlicher Bahnsteig-Längenbedarf: 210 m) auf der Strecke Erding - Riem, die an jeder Station halten, bereits dadurch faktisch ausgeschlossen.
Auch die zukünftigen Bewohner des Baugebietes W 7 Poing werden zu einer weiteren Überlastung der S-Bahn beitragen.
Die Lösung könnte in einem Halt der Express-S-Bahn in Poing, dem Halt des Regionalzuges KB 940 Mühldorf-München in Poing oder in der Errichtung einer Express-Bus-Linie zwischen Pliening und der Messe München - eingebunden im MVV - liegen.
Neben der Einführung eines Express-Busses ist es aus Sicht der Gemeinde erforderlich, auch das bereits heute bestehende Busliniennetz auszubauen bzw. zu verstärken. Hier ist insbesondere die sog. „Segmüller-Linie“ ab Grub zu nennen.
Auch wenn die tatsächlichen Nutzungen noch unbekannt sind, dürfte vom Industriegebiet, wie auch dem geplanten Sondergebiet Logistik ein erheblicher Verkehr zu erwarten sein. Auch die Nähe zum S-Bahn-Haltepunkt Grub wird – insbesondere was den Logistikbereich betrifft – eine erhebliche Zunahme des Lkw- und Kleintransporter-Verkehrs nicht verhindern können.
Das dem Bebauungsplan beigefügte Verkehrsgutachten geht unter Ziffer 3 davon aus, dass der Gewerbepark verkehrlich stark zur Autobahn orientiert wird und zu keinen nennenswerten Zusatzbelastungen für die benachbarte Gemeinde Poing und im W
eiteren damit auch die Gemeinde Pliening führen würde.
Dies mag möglicherweise bei störungsfreiem Verkehr für den Lkw-Verkehr gelten, die Abwicklung des Individualverkehrs z. B. bei Schichtarbeit wird sich jedoch als Teil der bekannten Lebenswirklichkeit ausschließlich nach Wohnsitz und der kürzesten Verbindung zum jeweiligen Arbeitsplatz richten. Vorgaben sind hier rechtlich nicht möglich. Es erscheint daher wenig praxisnah anzunehmen, dass sämtliche Fahrten vom und zum Gewerbepark über die klassifizierten Straßen (Staatsstraße 2580 (Flughafen-Tangente Ost) und die A 94 / A 99) abgewickelt werden.
Die Verkehrsuntersuchung gibt zu einer möglichen Belastung der Gemeinde Pliening keine Auskunft. Auch deshalb ist eine entsprechende Untersuchung erforderlich, die nicht nur die verkehrlichen Entwicklungen in den direkt angrenzenden Nachbargemeinden aufzeigt. Auf die in der Rechtsprechung und Literatur anerkannt Ansicht, dass die verkehrlichen Auswirkungen eines Bebauungsplanes abwägungserheblich sind und zu einer Verletzung des Konfliktbewältigungsgebotes führen können wird in diesem Zusammenhang hingewiesen.
Schließlich sind auch die ebenfalls bekannten Planungen der Gemeinden Kirchheim b. München („Kirchheim 2030“) und Poing („Baugebiet W 7“) und die damit verbundenen Verkehrsentwicklungen zu berücksichtigen.
Dies kann sachgerecht nur unter Berücksichtigung des überörtlichen Verkehrskonzeptes für den Münchner Osten, dass inzwischen beauftragt wurde, erfolgen.
In Summe ist damit auch der Punkt „Auswirkungen des Vorhabens“ für ein Raumordnungsverfahren erfüllt. Die Durchführung eines entsprechenden Verfahrens muss daher vor der Weiterführung des Bebauungsplanverfahrens erfolgen, zumal bereits in der Presse namhafte potentielle Nutzer der Gewerbeflächen (z. B. BMW oder Krauss-Maffei) genannt wurden. Auch wenn diese Firmen sich vielleicht nicht ansiedeln, so ist doch die Größenordnung dessen, was die Gemeinde Vaterstetten beabsichtigt, eindeutig erkennbar.
Verfahrensrechtliche Anmerkung:
Die pauschale Ausweisung eines Industriegebietes oder Sondergebietes im Rahmen eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes erscheint grundsätzlich problematisch, wenn weder der Vorhabenträger, noch die beabsichtigte Nutzung bekannt sind.
§ 12 Abs. 2 Satz 1 BauGB verlangt, dass die Gemeinde auf „Antrag des Vorhabenträgers über die Einleitung des Bebauungsplanverfahrens nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden“ hat. Es stellt sich die Frage nach dem Wortlaut des Antrags und ob die Gemeinde ihr Ermessen pflichtgerecht ausübt, wenn sie lediglich „Gewerbepark“ und „Sondergebiet Logistik“ ausweist, ohne zu wissen, welche Auswirkungen die Planungen haben. Dabei geht es neben den Auswirkungen auf die Gemeinde selbst auch um die Auswirkungen auf die Nachbargemeinden.
Fazit:
Bis zur Vorlage einer Lösung, die die vorgenannten Punkte berücksichtigt, wird die vorliegende Planung abgelehnt.
Die Verwaltung wird beauftragt, die Regierung von Oberbayern, das Landratsamt Ebersberg und der Regionale Planungsverband München über die Stellungnahme der Gemeinde Pliening zu informieren.