Bürger 7


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sondersitzung des Gemeinderates, 23.11.2020

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Gemeinderat (Gemeinde Rohrbach) Sondersitzung des Gemeinderates 23.11.2020 ö beschließend 3.3.27

Sachverhalt

Stellungnahme:

Anmerkung für den Gemeinderat: Die komplette Stellungnahme samt Anlage ist aufgrund der vielen Fotos als nichtöffentliche Anlage im RIS beigefügt!

  1. Zusammenfassung
Die Planungen bzgl. der neu geplanten Flurnummern 77 – 85 tragen nicht den Erfahrungen der Sturzwasserereignisse aus dem Spätsommer 2012 Rechnung. Dieses Ereignis wird nicht einmal erwähnt.
  • Es wird angeregt, das Überschwemmungsereignis als Grundlage für die weiteren Planungen explizit zu berücksichtigen.
  • Es wird angeregt, verbesserte Wasserschutzmaßnahmen im Bereich der genannten Flurnummern anzugeben, wobei insbesondere höflichst auf den Weiterbestand des Grabens und der Rückhaltemaßnahmen gedrungen wird.
  • Es wird ferner auf die Unzulänglichkeiten der Planung der Planstraße I hingewiesen.

  1. Das Überschwemmungsereignis im Spätsommer 2012
DETAILS siehe ANLAGE 1:
(Diese wurde im Übrigen im Sept. 2012 dem Baureferat der Gemeinde Rohrbach überreicht)
Nach tagelanger Gewitterlage und wiederholten nächtlichen schweren Starkregenereignissen werden am 25.8. abends die Flurnummern 2074 und 2075 (Schelmengrund 12 und 14) überflutet.
Eine private Ortsbegehung der Anwohner lieferte erste Anhaltspunkte, welche die grundlegenden Probleme des angrenzenden Höhenreliefs verdeutlichten. Diese schienen mitnichten nur den unmittelbar angrenzenden Graben zu betreffen, sondern sich bis einige Hundert Meter den Hang hoch zu erstrecken. Es stellte sich dabei heraus, dass sich auf einer Fläche von >5ha oberhalb der Flurnummern 2074/ 2075 ein Kanalsystem gebildet hatte, welches miteinander kommunizierend größtenteils auf den Entwässerungspunkt im Rückhaltegraben dieser Flurnummern zulief.

  1. Verbesserungen des Rückhaltesystems 2012 und Zustand 2019
In den nachfolgenden Tagen nach dem Überschwemmungsereignis im August 2012 werden die Rückhaltemaßnahmen oberhalb der Flurnummern 2074 und 2075 verbessert. In mehreren nacheinander angesetzten Aktionen werden u.a.
  • der Abflussschacht tiefer gelegt
  • der Graben verbessert
  • mehrere verteilte Rigolen ausgehoben.
Es erfolgten deshalb mehrere, nacheinander ausgeführte Maßnahmen, weil sich bereits die erste Maßnahme allein nach einem weiteren Gewitterguss als nicht ausreichend wirkungsvoll herausgestellt hatte.
Als Fazit kann gesagt werden, dass die Gefahr durch Hangwasser selbst in dieser Situation immer noch unterschätzt wurde.
In den folgenden Jahren wurden die Rückhaltesysteme glücklicherweise nicht gebraucht. Sie wurden aber fahrlässiger Weise (mit Ausnahme von Mäharbeiten) auch nicht ausreichend gepflegt. Während man jetzt im Feb. 2019 die Kontur des Grabens an der Lage des Restschnees und dem Hangschatten noch erkennt (Abb. 4a), ist der Abfluss (Abb. 4b/ 4c) schon größtenteils überwuchert und durch Gras, Laub und Erdreich verstopft.

  1. Bemerkungen zum ersten Entwurf des Bebauungsplans
In dem Entwurf zum BEBAUUNGSPLAN Nr. 42 „Schelmengrund – 2.Bauabschnitt“ wird im Abschnitt TEXTLICHE HINWEISE UND NACHRICHTLICHE ÜBERNAHMEN, Absatz 2.2. korrekterweise auf Gefahren durch Starkregen in Hanglage hingewiesen. Überraschenderweise ergeht aber ohne weitere Begründung und Berücksichtigung der Ereignisse aus 2012 die Schlussfolgerung, dass diese Gefahr aufgrund der weiterführenden Infrastruktur nicht mehr bestünde. Für die Grundstückseigentümer des ersten Bauabschnitts ist dies unverständlich, zudem dann noch darauf hingewiesen wird, dass zusätzlich auf den Grundstücken Vorkehrungen gegen Schäden aus Hangwasser zu treffen seien, weil die Gemeinde für solche Schäden keine Haftung übernimmt. Gilt dies dann nur für den zweiten Bauabschnitt?
In der zugehörigen BEGRÜNDUNG UND UMWELTBERICHT wird im Abschnitt D 2.3. auf die starke Böschung von 4-5m im genannten Bereich eingegangen. Zudem wird im Abschnitt D 6.1. ausgeführt, dass sich der hangaufwärts gelegene Bereich sogar „nur bedingt für Wohnbebauung eignet“. Im Abschnitt E 2.2/ 2.3 wird noch auf die Gefahren von abfließendem Niederschlagswasser hingewiesen, weil die natürliche Bodenfunktion zumindest zeitweise verloren geht. Diese Gefahr dürfte insbesondere in den Jahren der Fall sein, in denen der zweite Bauabschnitt angelegt wird und die oberen Grundstücke noch nicht bebaut bzw. die Gärten dort noch nicht angelegt sind.

  1. Erwähnung des Überschwemmungsereignisses im August 2012
Es wäre allgemein guter Stil, das Ereignis aus dem August 2012 und die Erfahrungen daraus im Bebauungsplan zu erwähnen. Dies totzuschweigen bei gleichzeitig halbherziger Planung von Rückhaltemaßnahmen, könnte von neuen Grundstückseigentümern als arglistige Täuschung ausgelegt werden, käme es wieder zu einer Überschwemmung durch Hangwasser.

  1. Bestehende Wasserrückhaltemaßnahmen für die genannten Flurnummern
Die Erfahrungen der Überschwemmungen im Spätsommer 2012 sollten berücksichtigt werden und daran erinnern, dass einzelne Ereignisse erheblich über das Maß der normalen Erfahrungen hinausgehen können. Ein Rückbau der bestehenden Rückhaltemaßnahmen könnte in diesem Lichte als fahrlässig angesehen werden. Dabei sei nochmal darauf hingewiesen, dass das Hangwasser im Aug. 2012 im Übrigen knietief die Straße „Schelmengrund“ zwischen den Hausnummern 12 und 14 überflutet hatte. Bei einem solchen Ereignis kämen bei heutiger Bebauung auch die Anwohner der gegenüberliegenden Straßenseite in den „Genuss“ der Überschwemmung.

  1. Andere Wasserschutzmaßnahmen im genannten Bereich:
Die anzustrebenden Wasserschutzmaßnahmen sind nicht nur auf Starkregenereignisse auszurichten. Wie sich allgemein gezeigt hat, sind die tieferliegenden Bereiche der neu geplanten Flurnummern 83 – 85 eine Schwemmwiese. So hatte sich bereits im Februar 2012 nach wochenlangem strengem Frost Tauwetter mit Regen eingestellt, woraufhin sich in dem genannten Bereich ein See von ~100m² Fläche gebildet hatte. Der Rückbau der bestehenden Rigole in diesem Bereich ist somit fraglich.

  1. Wasserschutzmaßnahmen für andere Flurnummern im Schelmengrund:
Die allgemeine Hanglage im Schelmengrund suggeriert, dass auch bei weiteren Flurnummern bestehende Rückhaltegräben notwendig sind und nicht ohne Weiteres zurückgebaut werden können. Dies betrifft sicherlich die Flurnummern 2077 – 2080. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass sowohl die Planstraße I als auch die Planstraße E mehrere Meter oberhalb der Straße „Schelmengrund“ liegen. Selbst wenn Hangwasser bei einem Starkregenereignis dort in der Kanalisation verschwinden sollte, besteht die Gefahr, dass dieses Wasser unterirdisch nicht schnell genug abläuft und damit die Gullideckel im Schelmengrund hochdrückt.

  1. Straßenführung Planstraße I
Die Planstraße I ist im Bauplan als U-förmige Straße dargestellt. Während die Anbindung an die bestehende Stichstraße mit der Flurnummer 2073 logisch beginnt, ist nicht klar, ob oder in welcher Form sie im Bereich des Biotops mit der Flurnummer 2076 wieder herausgeführt wird.
In jedem Fall erscheint die ein oder andere Variante problematisch: Sollte es nicht geplant sein, sie herauszuführen, wäre sie eine Sackgasse. In diesem Fall wäre sie ohne Wendehammer für Müllabfuhr, Einsatzfahrzeuge und – d.h. auch während der Bauphase und Umzugsphase – für schwere LKW mit Anhänger ungeeignet. Sollte eine Rückführung auf den Schelmengrund geplant sein (dies ist aus den Zeichnungen nicht ersichtlich, weil im Anschlussbereich derzeit nur ein etwa 3 Meter breiter Feldweg besteht), so ergeben sich ernsthafte Zweifel, ob ein gefahrloses Abbiegen zurück auf den Schelmengrund überhaupt möglich sein kann. Es wäre zu befürchten, dass die dort am Straßenrand des Schelmengrundes angelegten Bäume regelmäßig beschädigt würden und/oder schwere LKW auf ein Abbiegen verzichten, und den Weg über die Ehaft wählen: Ein Unfallschwerpunkt?
Als Fazit bleibt festzustellen, dass die Planstraße I auf Biegen und Brechen irgendwie zwischen zurückgebauter Rigole, Naturschutzgebiet und neuen Parzellen hineingequetscht worden zu sein scheint.

  1. Weitere Punkte
Der Bebauungsplan Nr. 37, „Schelmengrund 1.BA“ erhielt am 10.05.2011 eine 1. Änderung. Diese sah u.a. eine Liberalisierung der Bezugshöhen und des hangabseitig dritten Geschosses vor. Die Flurnummern 2074 und 2075 kamen nicht mehr in den Genuss dieser Lockerungen, weil die Häuser auf diesen Parzellen zu dem Zeitpunkt bereits standen. Beiden Häusern gemein ist, dass sie relativ tief in der „Senke“ der Straße „Schelmengrund“ liegen und nun umso mehr anfällig gegenüber Abschattung durch Bebauung auf den hangaufwärts liegenden Grundstücken der Parzellen 77 – 85 sind. Im Übrigen waren die hangaufwärtsliegenden Grundstücke oberhalb der Flurnummer 2071 bis 2075 überhaupt erst für den 4. BA vorgesehen (Bebauungsplan Nr. 37, 1. Änderung, Seite 18).
Als Fazit bleibt festzustellen, dass durch a) die Liberalisierung der Bezugshöhen, b) das geplante Rückbauen des Grabens – hier auch mit der Funktion des Terrainausgleichs – sowie c) die vorgezogene Einplanung der Parzellen 77 – 85 für einen früheren Bauabschnitt in Summe eine nicht hinnehmbare Qualitätsverschlechterung für uns als Eigentümer der bestehenden Flurnummer 2074 darstellt. Ähnliches mag auch für die Flurnummer 2075 zutreffen.

  1. Schlussfolgerungen
  • Die bestehenden Gräben müssen aus Bestandsschutz bleiben.
  • Die bestehenden Rückhaltemaßnahmen müssen wieder gepflegt werden.
  • Die Planung um die Planstraße I muss neu aufgestellt werden.

Abwägung:
Die vorgebrachten Bedenken werden berücksichtigt. Das aus dem Außengebiet anfallende Niederschlagswasser wurde in Abstimmung mit dem Wasserwirtschaftsamt ermittelt und eine Rückhaltemöglichkeit für ein 100jähriges Regenereignis (HQ100) berechnet. Im Westen des geplanten Gebietes werden die Maßnahmen umgesetzt und dabei die bestehenden Rückhaltemaßnahmen beibehalten oder anderweitig ersetzt und revitalisiert. Das Überschwemmungsereignis ist bekannt und wurde entsprechend berücksichtigt.

Zusammen mit der Erschließungsplanung wurde der Bebauungsplan in Bezug auf die Straße I entsprechend so geändert, dass eine Schleife entsteht.

Zu den weiteren Punkten
  1. Liberalisierung der Bezugshöhen
Bei dem Bebauungsplan handelt es sich um einen Nordhang, dessen Überplanung eine sorgfältige Abwägung aller Belange erfordert. Um dem nachzukommen, wurden nach der frühzeitigen Beteiligung Schnitte in Auftrag gegeben, welche das Gelände in Verbindung mit der baulichen Nutzung darstellen. Gleichzeitig wurde eine Studie über die Verschattung der Grundstücke beauftragt und die Auswirkung der Bebauung auf das Baugebiet und die benachbarte Bebauung geprüft. Als Ergebnis der beiden Auswertungen wurden die zeichnerischen und textlichen Festsetzungen ausgearbeitet.

  1. Rückbauen des Grabens
Der angelegte Graben dient hauptsächlich dem Regenrückhalt aus dem Außengebiet. Bei der Planung der Neubebauung wird der Schutz vor Niederschlagswasser von außen weiter nach Süden verlagert. Der vorhandene Graben südlich der Parzelle „Schelmengrund 8“ und die vorgelagerte Mulde stehen auch zukünftig dem Rückhalt von Regenwasser zur Verfügung. Das Teilstück südlich der Parzellen „Schelmengrund 12 +14“ wird durch die weitere Baugebietsausweitung und der bezeichneten vorgelagerten Oberflächenwasserableitung obsolet.

  1. vorgezogene Überplanung der Parzellen 77 – 85
Die zeitliche Abfolge der Bauabschnitte ist u. a. abhängig von der wirtschaftlichen Umsetzung des Baugebietes und der Verfügbarkeit der Grundstücke. Aufgrund der erforderlichen Schutzmaßnahmen, auch der bestehenden Bebauung im Norden, vor Niederschlagswasser aus dem Außengebiet ist es notwendig, den Geltungsbereich nach Süden auf den angesprochenen Bereich auszuweiten. Daraus ergibt sich zwangsweise das Erfordernis, den gesamten Bereich zu überplanen. Die Bebauung war aus den vorhergehenden Bauleitplanungen erkennbar und zu erwarten.
Eine erhebliche Verschlechterung der Qualität für die angrenzende bestehende Bebauung lässt sich aus den o. g. Belangen nicht folgern.

Beschluss

Den Anregungen wird durch die mittlerweile vorliegenden Planungen bereits entsprochen.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 15, Dagegen: 0

Datenstand vom 03.12.2020 15:18 Uhr