Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms Bayern


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Gemeinderates, 05.04.2022

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Gemeinderat Sitzung des Gemeinderates 05.04.2022 ö 4

Sach- und Rechtslage

Angesichts zahlreicher neuer Herausforderungen und geänderter Rahmenbedingungen für die bayerische Raumordnung und Landesplanung erfolgt derzeit eine Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms (LEP). Das LEP ist das oberste bayerische Planungsinstrument zur Steuerung der räumlichen Ordnung und Entwicklung des Freistaats. 

Die oberste Landesplanungsbehörde im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie (StMWi) hat im Benehmen mit den übrigen Staatsministerien einen Entwurf zur Teilfortschreibung erarbeitet, der am 14.12.2021 vom Bayerischen Ministerrat gebilligt wurde. 

Derzeit findet ein Verfahren zur Beteiligung der Öffentlichkeit sowie aller kommunalen Gebietskörperschaften und Spitzenverbände statt. In diesem Zusammenhang bietet sich auch für die Gemeinde Seefeld die Möglichkeit, zum Entwurf des LEP Stellung zu nehmen. 

Als Anlage zur Beschlussvorlage sind eine Lesefassung und Strukturkarten des LEP-Entwurfs, Erläuterungen des Planungsverbandes Äußerer Wirtschaftsraum München sowie die offiziellen Stellungnahmen der bayerischen kommunalen Spitzenverbände und des Landratsamtes Starnberg beigefügt. 

Weiterführende Informationen und Unterlagen der Bayerischen Staatsregierung zur Teilfortschreibung des LEP können zudem unter https://www.landesentwicklung-bayern.de/teilfortschreibung-lep-bayern/ abgerufen werden.

Grundlegende Inhalte der LEP-Teilfortschreibung

Die Inhalte der Teilfortschreibung beziehen sich nach Angaben des StMWi insbesondere auf die Themenfelder „Für gleichwertige Lebensverhältnisse und starke Kommunen“, „für nachhaltige Anpassung an den Klimawandel und gesunde Umwelt“ und „für nachhaltige Mobilität“. Der Normgeber möchte mit der Fortschreibung außerdem die Flächensparoffensive weiterführen. Des Weiteren sei beabsichtigt, möglichst krisenfeste Raumstrukturen zu schaffen, die Chancen der Digitalisierung besser zu nutzen und die Gestaltungsmöglichkeiten der Regionalplanung zu erhöhen. Für nähere Einzelheiten wird auf die als Anlage beigefügte Zusammenfassung und Erläuterung des Planungsverbandes Äußerer Wirtschaftsraum München verwiesen. 

Wesentlichste Änderungen und mögliche Auswirkungen auf die Gemeinde Seefeld

Im neuen LEP-Entwurf (siehe Anlage) wurden die Ziele zur Raumstruktur (Kapitel 2) und insbesondere die Gebietskategorien (Ziel 2.2) anhand neuester Struktur- und Bevölkerungsdaten teilweise angepasst und aktualisiert. So wurden u.a. einige Gemeinden des „Allgemeinen Ländlichen Raums“ neu dem „Verdichtungsraum“ zugeschlagen und umgekehrt sowie eine neue Gebietskategorie „Ländlicher Raum mit Verdichtungsansätzen“ eingeführt. 
Für die Gemeinde Seefeld ergibt sich in diesem Zusammenhang keine Änderung. Die Gemeinde Seefeld bleibt weiterhin Teil des Verdichtungsraums München. 

Im Rahmen des Ziels Innenentwicklung vor Außenentwicklung (Ziel 3.2) muss neben der Entwicklung von Strategien zur Aktivierung von Innenentwicklungspotentialen (kommunales Flächenmanagement) künftig auch ein Nachweis geführt werden, dass diese Bemühungen angewandt wurden und erfolglos geblieben sind. Ohne diesen Nachweis sind Außenentwicklungen zukünftig nicht mehr zulässig. Dabei lässt der LEP-Entwurf offen, wie diese Nachweise im Konkreten auszusehen haben und welcher zusätzliche Aufwand für die Kommunen damit verbunden ist.  
Die Gemeinde Seefeld hat auf dem Gebiet des kommunalen Flächenmanagements in den letzten Jahren große Anstrengungen unternommen und deutliche Fortschritte erzielt. So werden Baulücken, Leerstände und gering bebaute Grundstücke in einem Flächenkataster erfasst und regelmäßig aktualisiert. Auch steht die Gemeinde mit vielen Grundstückseigentümern, die über unbebaute baureife Grundstücke verfügen, immer wieder in Kontakt und versucht eine Umsetzung dieser Innenentwicklungspotentiale zu erreichen. Zusätzlich werden derzeit mehrere Projekte der innerörtlichen Nachverdichtung angestoßen oder bereits umgesetzt (z.B. im Bereich Roseggerstraße, Leitenhöhe, Günteringer Straße usw.). Im Falle der Nichtverfügbarkeit von Innenentwicklungspotentialen zeugen Standortauswahlverfahren (wie z.B. bei der Suche nach neuen Gewerbeflächen oder einem Ersatzstandort für die Klinik Seefeld) von einem strukturierten und wohl durchdachten Vorgehen bei möglicher Inanspruchnahme von Außenbereichsflächen.
Durch die nun zusätzlich geforderten Nachweise bei der Außenentwicklung und die damit verbundenen Fragen und Unklarheiten ist derzeit nicht absehbar, inwieweit sich dies auch auf zukünftige Planungsprozesse der Gemeinde Seefeld auswirken kann. Unter Umständen ist bei der Außenentwicklung mit deutlichen Folgewirkungen durch höhere Hürden und stark erhöhtem Prüf- und Planungsaufwand zu rechnen.   

Das im Zuge der letzten Teilfortschreibung teilweise aufgeweichte Anbindegebot (Ziel 3.3) wurde durch den Wegfall mehrerer viel diskutierter und umstrittener Ausnahmen wieder gestärkt. So gibt es zukünftig für Gewerbe- und Industriegebiete an Autobahnanschlussstellen, für interkommunal geplante Gewerbe und Industriegebiete sowie für überörtlich bedeutsame Freizeitanlagen keine Ausnahmen mehr. Darüber hinaus sollen Logistikbetriebe nur noch dann nicht angebunden sein müssen, wenn das Orts- und Landschaftsbild nicht wesentlich beeinflusst wird. 
Da die o.g. Ausnahmen vom Anbindegebot für die Gemeinde Seefeld bislang ohnehin keine Rolle gespielt haben, ergibt sich diesbezüglich keine wesentliche Änderung für die Gemeinde Seefeld.  

Schließlich finden sich im LEP-Entwurf neue Gestaltungsmöglichkeiten für die Regionalplanung. In diversen Handlungsfeldern des LEP-Entwurfs sind neue Steuerungsinstrumente für die dem LEP nachgeordnete Ebene der Regionalpläne enthalten, welche die Regionalen Planungsverbände im Anschluss an das Inkrafttreten der LEP-Reform anwenden müssen (Ziele) oder können (Grundsätze). In erster Linie handelt es sich dabei um die Ausweisung von neuen Vorrang- und Vorbehaltsgebieten wie z.B. zum Klimaschutz (Flächen als Kohlenstoffspeicher), für die Anpassung an den Klimawandel (Frischluft- und Kaltluftentstehungsgebiete), für die Landwirtschaft oder von Trassen für den schienengebundenen ÖPNV und für den überörtlichen Radverkehr. 
Einerseits erhält die Regionalplanung im Sinne des Subsidiaritätsprinzips dadurch größere Kompetenzen und Regelungsmöglichkeiten, abhängig von der konkreten Umsetzung kann dies aber auch erhebliche Folgen auf die kommunale Planungshoheit haben. Eine konkrete Abschätzung zu den Auswirkungen auf das Gebiet der Gemeinde Seefeld ist erst im Zuge der späteren Fortschreibung des Regionalplans München möglich.

Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände und des Landkreises Starnberg

Sehr deutliche Kritik zum LEP-Entwurf wurde von Seiten des Bayerischen Gemeindetages in seiner Stellungnahme vom 22.02.2022 vorgebracht (siehe Anlage). So wird befürchtet, dass mit der LEP-Teilfortschreibung ein weitestgehender Entwicklungsstopp für zahlreiche Grundzentren und Landgemeinden hervorgerufen werde und im Gegenzug mit einer weiteren Belastung und Überhitzung von angespannten Verdichtungsräumen zu rechnen sei. Auch wird bemängelt, dass durch eine immer weitergehende Begutachtungsanforderung in Planungsprozessen eine „Bau-Entschleunigung“ hervorgerufen werde. 

Etwas zurückhaltender äußert sich der Bayerische Städtetag in seiner Stellungnahme vom 15.03.2022 (siehe Anlage), der den grundsätzlich erstarkten Gestaltungswillen und die stärkere Ausrichtung auf die aktuellen Herausforderungen und Rahmenbedingungen begrüßt, aber ebenso Kritik äußert, insbesondere was die Konkretheit des Entwurfs betrifft. So blieben viele Aussagen zu vage, beispielhaft genannt die verschärfte Zielsetzung zum Prinzip Innen- vor Außenentwicklung. Hier wird u.a. eine Konkretisierung gefordert und der Begriff „nachweislich“ abgelehnt, da dies über eine problemorientierte Anwendung mit angemessener Berücksichtigung der Entwicklungsziele der Kommunen hinausschieße (Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit).

Der Landkreis Starnberg begrüßt in seiner Stellungnahme vom 29.03.2022 (siehe Anlage) die Neuausrichtung des LEP an die künftigen Herausforderungen bezüglich des Klimawandels und der Verkehre. Bemängelt wird, dass es bei vielen Zielen und Grundsätzen an konkreten Umsetzungsvorstellungen und -möglichkeiten fehle und sie daher in der Praxis kaum an Beachtung erlangen würden. Auslegungsbedürftige Textstellen bedürften einer Schärfung zur Vermeidung langwieriger Interpretationsdiskussionen bei allen Planungsprozessbeteiligten.
Ergänzend schließt sich der Kreisausschuss des Landkreises den Bedenken des Bayerischen Gemeindetags und des Bayerischen Städtetags an und warnt vor einer weiteren Belastung und Überhitzung von angespannten Verdichtungsräumen. 
Auch die Bürgermeister des Landkreises unterstützen vollinhaltlich die Stellungnahme des Bayerischen Gemeindetags und geben zu bedenken, dass das im LEP-Entwurf verschärfte Ziel „Innen- vor Außenentwicklung“ dem im Bayerischen Grundgesetz verankerten Ziel der Schaffung bezahlbaren Wohnraums widerspreche.   

Vorschlag für eine gemeindliche Stellungnahme

Die Verwaltung schlägt vor, in Anlehnung an die Stellungnahmen der bayerischen kommunalen Spitzenverbände und des Landkreises Starnberg eine gemeindliche Stellungnahme zu den Bereichen abzugeben, die eine Betroffenheit der Gemeinde Seefeld möglich erscheinen lassen (siehe konkreter Beschlussvorschlag). 
Es sollte darauf hingewiesen werden, dass im Zuge der LEP-Fortschreibung
  • keine Unklarheiten und Auslegungsschwierigkeiten verbleiben sollten, 
  • es bei kommunalen Planungen zu keinem zusätzlichen Mehraufwand oder weiteren Planungs-/Prüferschwernissen kommen kann und 
  • eine Einschränkung der kommunalen Planungshoheit nicht erfolgen darf.   

Sitzungsverlauf

Die Verwaltung stellt die wesentlichen Änderungen im LEP-Entwurf sowie einen Vorschlag für die gemeindliche Stellungnahme vor. Im Anschluss werden einige Detailfragen zur Raumordnung und Landesplanung allgemein, zum vorliegenden Entwurf und zum Beteiligungsverfahren geklärt. 
Auf Vorschlag einiger Gemeinderäte wird die gemeindliche Stellungnahme geringfügig angepasst (siehe Antrag zum Beschlussvorschlag).

Beschluss 1

Antrag zum Beschlussvorschlag:

Der erste Satz im 4. Absatz wird wie folgt geändert: Streichung des Wortes „unbedingt“ und Ersetzung des Wortes „verhindern“ durch „vermeiden“.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 17, Dagegen: 1

Beschluss 2

Beschluss neu:

Der Gemeinderat der Gemeinde Seefeld gibt zum Entwurf der Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms i.d.F. vom 14.12.2021 folgende Stellungnahme ab: 

Die Ausrichtung des neuen LEP-Entwurfs auf die neuen aktuellen Herausforderungen und Rahmenbedingungen wird grundsätzlich begrüßt. 

Einige Ziele und Grundsätze des LEP sind jedoch zu vage formuliert, benennen keinen zuständigen Adressaten oder lassen zu großen Interpretationsspielraum. Um Auslegungsschwierigkeiten im späteren Vollzug zu vermeiden, sollte der LEP-Entwurf zumindest im Begründungsteil an einigen Stellen konkretisiert werden. 

Beispielhaft sei hier vor allem der geforderte „Nachweis“ über erfolglose Strategien zur Entwicklung von Innenentwicklungspotentialen genannt, der zukünftig zur Voraussetzung für die ausnahmsweise Inanspruchnahme von Außenbereichsflächen werden soll (Ziel 3.2). Hier bleibt vollkommen offen, wie dieser Nachweis in der Praxis konkret auszusehen hat und welcher zusätzliche Aufwand für die planenden Kommunen hiermit verbunden sein könnte.

In jedem Falle sind ein bürokratischer Mehraufwand und weitere Planungserschwernisse für die Kommunen zu vermeiden. Bereits jetzt sind vor allem kleinere Kommunen, die mit geringerer Personalausstattung und einem zunehmend angespannten Arbeitsmarkt im Bereich des öffentlichen Dienstes zu kämpfen haben, teilweise hoffnungslos überlastet angesichts des überbordenden Bürokratismus und einer weiterhin zunehmenden Flut an zu erbringenden Gutachten und Nachweisen. 

Schließlich darf die kommunale Planungshoheit nicht weiter eingeschränkt werden. Wachsende Anforderungen bei den ohnehin bereits sehr komplexen Planungsprozessen (z.B. durch den neuen „Nachweis“ unter Ziel 3.2) sowie erweiterte regionalplanerische Kompetenzen bei der Ausweisung neuer Vorrang-/Vorbehaltsgebiete oder anderer Schutztrassen jeglicher Art dürfen nicht dazu führen, dass die Gemeinden ihre Planungshoheit nicht mehr vollständig wahrnehmen können oder letztlich ganze Gemeindebereiche der kommunalen Planung entzogen werden. 

Im Übrigen schließt sich die Gemeinde Seefeld den Stellungnahmen des Bayerischen Gemeindetages vom 22.02.2022, des Bayerischen Städtetages vom 15.03.2022 und des Landkreises Starnberg vom 29.03.2022 an.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 14, Dagegen: 4

Datenstand vom 17.10.2022 10:59 Uhr