Bürgerbegehren Aubachtal; Entscheidung über die Zulässigkeit


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Gemeinderates, 08.08.2017

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Gemeinderat Sitzung des Gemeinderates 08.08.2017 ö 2

Sach- und Rechtslage

Der Krankenhauszweckverband unterhält in der Gemeinde Seefeld Hauptstraße 23 eine chirurgische Klinik mit ca. 75 Betten. Die Geschäftsführung der Klinik wurde Anfang 2017 durch den Geschäftsführer der Klinik Starnberg GmbH übernommen. Diese prüft zurzeit, ob die Klinik Seefeld am jetzigen Standort saniert und erweitert werden kann bzw. ob ein Alternativstandort für einen Neubau gesucht werden muss. Um für den Fall eines neuen Standortes eine Alternativfläche anbieten zu können, beschloss der Gemeinderat in seiner Sitzung am 02.05.2017 mit 14 : 4 Stimmen:

„Die Verwaltung wird beauftragt, im Zuge des Anhörungsverfahrens zur Gesamtfortschreibung des Regionalplans München die vorgeschlagene Beantragung der Herausnahme eines Teilbereichs aus dem Regionalen Grünzug mit rund 25.000 m² einzureichen. Wobei feststeht, dass die Herausnahme nur für einen eventuell notwendigen Neubau der Klinik Seefeld entsprechend dem Krankenhausbedarfsplan erfolgen darf.“ 

Hierbei handelt es sich um eine Fläche zwischen den Staatsstraßen St 2068 und St 2348.

Eine daraufhin gegründete „Bürgerinitiative Eichenallee“ sowie die Starnberger Kreisgruppe des Bund Naturschutz und des Landesbund für Vogelschutz übergaben am 18.07.2017 im Rahmen der Gemeinderatssitzung unter TOP „Bürgerfragen“ Herrn Ersten Bürgermeister Gum einen Ordner mit einem Antragsschreiben „Bürgerbegehren Aubachtal für den Erhalt des Landschaftsschutzgebietes und Grünzuges in Seefeld“ (Anlage 1) mit Unterschriftslisten
(Anlage 2 blanko).

Nach Art. 18a Abs. 8 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (GO) entscheidet der Gemeinderat unverzüglich, spätestens innerhalb eines Monats nach Einreichung des Bürgerbegehrens über dessen Zulässigkeit. Die Gemeinde hat dabei in eigener Verantwortlichkeit die formellen und materiellen Zulässigkeitskriterien des Art. 18a GO zu prüfen.


Quorum:

Die formellen Voraussetzungen des Art. 18a GO sind hinsichtlich der notwendigen Zahl der gültigen Unterschriften erfüllt. Nach Art. 18a Abs. 6 GO muss ein Bürgerbegehren in der Gemeinde Seefeld von mindestens 10 von Hundert der Gemeindebürger unterschrieben sein. Zum Stichtag 18.07.2017 waren bei 5.689 wahlberechtigten Bürgern 569 Unterschriften notwendig. Von den 1055 eingereichten Unterschriften sind 951 gültig. Damit wird das von der Gemeindeordnung vorgeschriebene Quorum erreicht.
Nachtrag: Mit Datum 27.07.2017 wurden weitere 148 Unterschriften nachgereicht, von denen 121 gültig waren.


Fragestellung:

Gemäß Art. 18a Abs. 4 GO muss ein Bürgerbegehren eine mit Ja oder Nein zu entscheidende Fragestellung enthalten.

Die Unterschriftenliste enthält nach einer Begründung folgende Formulierung:

„Ich bin dafür, dass
1. das Landschaftsschutzgebiet im Gemeindebereich Seefeld in seiner jetzigen Form und Größe erhalten bleibt;
2. die Gemeinde alles Notwendige unternimmt, um die Herausnahme aus dem Grünzug zu stoppen, den Antrag zurückzunehmen und, im Falle einer bereits erfolgten Herausnahme, die Fläche wieder einzubringen.“

Bei dieser Formulierung handelt es sich grundsätzlich nicht um eine Frage, die mit Ja oder Nein beantwortet werden kann, sondern um eine Meinungsäußerung basierend auf der vorstehenden Begründung.

Nach richtiger Auffassung ist die Fragestellung so zu formulieren, dass die Intension des Bürgerbegehrens erkennbar ist und die Befürworter der mit Bürgerbegehren verlangten Maßnahme beim Bürgerentscheid mit „Ja“ stimmen können. Dies wird etwa mit der (positiven) Einleitungsformel „Sind Sie dafür, dass…“ zum Ausdruck gebracht.

In diesem Fall ist es notwendig, die Fragestellung des Bürgerbegehrens durch Auslegung zu ermitteln. An die Formulierung der Frage dürfen keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. In diesem Fall kann auch der Satzbeginn „Ich bin dafür, dass …“ mit Ja oder Nein beantwortet werden.

Diese Voraussetzung des Art. 18a Abs. 4 GO wird nach Auslegung erfüllt.


Eigener Wirkungskreis der Gemeinde:

Nach Art. 18a Abs. 1 GO kann über Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises der Gemeinde ein Bürgerentscheid beantragt werden.

Zu Nr. 1 der „Fragestellung“:

Zuständig für die Herausnahme eines Teilbereichs aus dem Regionalen Grünzug des Regionalplans München bzw. dafür, dass das Landschaftsschutzgebiet im Gemeindebereich Seefeld in seiner jetzigen Form und Größe erhalten bleibt“, ist der Regionale Planungsverband München bzw. der Landkreis Starnberg und nicht die Gemeinde Seefeld.

Die Erfordernis des eigenen Wirkungskreises der Gemeinde (Art. 18a Abs. 1 GO) ist nicht erfüllt.

Zu Nr. 2 der „Fragestellung“:

Dieses Ansinnen ist unsauber formuliert. So kann die Gemeinde selbst z.B. nicht „im Falle einer bereits erfolgten Herausnahme, die Fläche wieder ein..bringen“. Lediglich eine Antragsrücknahme kann unter dem eigenen Wirkungskreis subsummiert werden.

Die Erfordernis des eigenen Wirkungskreises der Gemeinde (Art. 18a Abs. 1 GO) wird nach Auslegung erfüllt.


Begründung:

Bei der Entscheidung über die Zulassung stellt der Gemeinderat u.a. fest, ob eine ausreichende Begründung angegeben wurde (Art. 18a Abs. 4 GO i.V.m. § 6 Abs. 2 Spiegelstrich 4 BBS).


Bürgerbegehren Aubachtal“:

Der Begriff „Aubachtal“ wird für das Bürgerbegehren als Titel selbst verwendet und kommt mehrfach insbesondere in Fettschrift im Text vor. Der Begriff Aubachtal ist kein feststehender Begriff im Bereich der Bauleitplanung.

Lediglich für das FFH-Gebiet (Fauna-Flora-Habitatrichtlinie) wird das Aubachtal erwähnt. Das „Herrschinger Moos und Aubachtal“ umfasst Flächen nordöstlich der Ortslage Seefeld zwischen St 2068 und Uneringer Straße sowie im Mündungsbereich des Aubachs in den Pilsensee, zwischen St 2070 und Pilsensee (Anlage 3, orange Flächen). Der potentielle Klinikstandort zwischen St 2068 und St 2348 tangiert das FFH-Gebiet nicht.

Die Staatsstraßen St 2068 und St 2348 sowie die unmittelbar angrenzenden Flächen (Alleebereich) sind Bestandteil des FFH-Gebietes „Eichenalleen und Wälder um Meiling und Weßling“ (Anlage 3, grüne Flächen). In diese Bereiche wird in Zusammenhang mit dem möglichen Standort durch Einhaltung eines entsprechenden Schutzabstandes ebenfalls nicht eingegriffen.

Es stellt sich die Frage, ob besagtes Grundstück dem Bereich des „Aubachtals“ zuzuordnen ist. Als „Aubachtal“ im engeren Sinne kann der Bachlauf des Aubach selbst mit angrenzenden weiträumigen Flächen betrachtet werden (FFH-Gebiet). Für diesen Fall verläuft das „Aubachtal im Bereich der Herausnahmefläche südöstlich der St 2068 und wäre nicht betroffen. Bereits jetzt fließt der Aubach in diesem Bereich hinter dem Technologiepark vorbei durch ein Wohngebiet an der Mühlbachstraße.


Piktogramm:

Auf der Vorderseite der Unterschriftenliste wird die besagte Fläche in einem Piktogramm mit einer roten Fläche dargestellt, die ca. 50.000 m² entspricht.
Dies suggeriert eine doppelt so große Fläche als die mit Gemeinderatsbeschluss vom 02.05.2017 beschlossene.


Biotopsystem:

Auf der Vorderseite der Unterschriftenliste wird behauptet, dass Gerade das Gebiet, das nun bebaut werden soll,… als „regionales und überörtliches Biotopsystem“ eine besondere Bedeutung“ habe.
Ein Biotopkataster wird vom Landratsamt (Untere Naturschutzbehörde) geführt. Die vermeintliche Klinikfläche ist darin nicht als Biotop nach dem Bayerischen Naturschutzgesetz verzeichnet.


Eichenallee, verkehrstechnische Erschließung:

Auf der Vorderseite der Unterschriftenliste wird behauptet, Die über 250 Jahre alten Eichen … dürfen wir nicht gefährden!“.
Durch die Herausnahme einer Fläche aus dem Regionalplan für die evtl. Errichtung einer Klinik wird die Eichenallee nicht gefährdet. Schon jetzt läuft zwischen den Eichen und der avisierten Fläche ein Radweg. Eine zukünftige Klinikanlage würde mit so großem Abstand zu den Eichen geplant werden, dass eine Gefährdung ausgeschlossen wäre. Auch für die verkehrstechnische Erschließung könnte ein baumloser Bereich an der St 2348 (Richtung Wörthsee) genutzt werden. Aus diesen Gründen wäre auch vermutlich eine neue Ampel oder ein.. Kreisverkehr (Rückseite, 1. Satz) nicht erforderlich.


Nachbargrundstück neben Klinik:

Behauptet wird, ein Nachbargrundstück neben der jetzigen Klinik sei der Gemeinde zum Zwecke der Klinikerweiterung übertragen worden. Eine derartige Zweckbindung gibt es nicht. Das besagte Grundstück ist im Besitz der Gemeinde und müsste für den Fall einer Klinikgeneralsanierung und -erweiterung gegebenenfalls übereignet werden.


Kliniksanierung, -erweiterung:

Behauptet wird, Das Krankenhaus … wurde in den letzten Jahren nach modernen Standards aufwendig saniert und erweitert. … Eine … Bettenerweiterung wäre vergleichsweise schnell und kostensparend umsetzbar.“.

Die chirurgische Klinik wurde in den letzten Jahren nicht aufwendig saniert. Es wurde lediglich ein Bettenhaus in den 90er Jahren angebaut und kürzlich der Eingangsbereich modifiziert. Es erfolgte keine Sanierung „nach modernen Standards“. Neben der erforderlichen Erhöhung der Bettenanzahl ist eine Generalsanierung der gesamten Klinik erforderlich. Diese Kosten werden gerade sehr aufwendig von der Klinik Starnberg GmbH eruiert und sind noch nicht bekannt. Es steht bereits fest, dass diese Maßnahme nicht schnell und kostensparend umsetzbar“ ist.

Hier handelt es sich, wie in den Punkten davor, um eine Falschinformation.


Vertretungsberechtigte:

Nach Art. 18a Abs. 4 GO muss das Bürgerbegehren bis zu 3 Personen benennen, die berechtigt sind, die Unterzeichnenden zu vertreten. Nachdem mit Herrn Ortwin Gentz und Frau Ildigo Gaal-Baier zwei Seefelder Bürger benannt werden, ist es unerheblich, dass Herr Günter Schorn in Herrsching gemeldet ist, da er den BN Starnberg vertritt. Die Kreisgruppe ist auch in Seefeld aktiv.


Zusammenfassung:

Unabhängig davon, dass schon die Voraussetzungen des Art. 18a Abs. 1 und 4 GO (Fragestellung, eigener Wirkungskreis) nicht vollinhaltlich erfüllt werden, hat die Begründung schwerwiegende Mängel. Durch unrichtige Behauptungen wird dem Bürger ein Sachverhalt vermittelt, der zu einer falschen Beurteilung der Sachlage führen kann.

Aus Sicht der Verwaltung hat dies die Nichtzulassung zur Folge.

Die Verwaltung hat zur Frage der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens auch eine rechtliche Stellungnahme des Landratsamtes - Kommunalaufsicht - erbeten.
Bis zur Sitzungsladung lag noch keine Stellungnahme vor. Sie wurde für spätestens Freitag den 04.08.2017 zugesagt und wird mit Eingang den Unterlagen als Anlage 4 beigefügt. Nach telefonischer Auskunft wird die Rechtsmeinung der Verwaltung geteilt.

Der Gemeinderat hat innerhalb eines Monats nach Einreichung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehren zu beschließen (Art. 18 a Abs. 8 Satz 1 GO).

Lässt der Gemeinderat das Bürgerbegehren zu, ist gemäß Art 18a Abs. 10 GO an einem Sonntag innerhalb von 3 Monaten der Bürgerentscheid durchzuführen. Wird das Bürgerbegehren nicht zugelassen, ergeht ein förmlicher Bescheid. Gegen die Entscheidung können die vertretungsberechtigten Personen Klage erheben (Art. 18a Abs. 8 GO i.V.m. § 6 Abs. 6 BBS).

Nach alledem kommt die Verwaltung zu nachfolgendem Beschlussvorschlag.

Sitzungsverlauf

Herr Bürgermeister Gum weist darauf hin, dass das Bürgerbegehren teilweise auf falschen Behauptungen beruht. Er führt aus, dass dem Leser der  Eindruck vermittelt wird, die Klinik könne ohne weiteres am bisherigen Standort angebaut und erweitert werden. Diese Lösung würde sich geradezu anbieten und eine Suche nach einem anderen Standort zeige sich deshalb als unnötig.
Diese Darstellung ist für den Bürger aber irreführend, denn bislang ist noch nicht bekannt und auch durchwegs fraglich, ob die Realisierung der angestrebten Generalsanierung bautechnisch und wirtschaftlich gesehen, in der Ortsmitte erfolgen kann.
Nach den Ausführungen des neuen Klinik Geschäftsleiters, Herrn Dr. Weiler, ist praktisch von einem kompletten Neubau auszugehen und einer Erhöhung der Bettenzahl von derzeit 72 auf mindestens 100 notwendig, um eine Förderung durch den Staat zu bekommen.
Selbst wenn die technischen Probleme des Baues in die Hanglage in den Griff zu bekommen wären, ist nicht sicher, ob das Sozialministerium und im Anschluss das Wirtschaftsministerium die Mehrkosten, die Herr Dr. Weiler auf einen möglichen zweistelligen Millionen Betrag beziffert, übernehmen würden.
Sollte sich im Laufe der Planungen also zeigen, dass die Klinik aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht am alten Standort realisiert werden kann, fehlt im Flugblatt der Initiative jeglicher Hinweis, dass dann entweder ein anderer Standort gesucht werden müsste oder die Klinik ihren Betrieb in Seefeld einstellen würde, wenn keine Grundstücksalternative zur Verfügung steht.

Die Gemeinde Seefeld ist in diesem Planungs- und Entscheidungsprozess nicht eingebunden.

Lt. Herrn GR Dr. Dameris enthält der Aufruf des Bürgerbegehrens jedoch keine irreführenden Aussagen. 20% der stimmberechtigten Bürger haben für das Bürgerbegehren gestimmt.

Lt. Herrn GR Schindlbeck ist der Anstoß des Bürgerbegehrens zu früh erfolgt, da noch keine Untersuchungsergebnisse vorliegen und die Bevölkerung nur unnötig aufgehetzt wurde, man hätte Planungsergebnisse abwarten sollen.

Herr GR Dr. Benoist schlägt vor, alle Punkte des Bürgerbegehrens im Einzelnen zu diskutieren und beurteilt das Bürgerbegehren als rechtmäßig.

Von Herrn Dr. Gasser wird in Frage gestellt, ob der Bürger verstanden hat, dass es um die Existenz der Klinik geht und er kritisiert den Wahrheitsgehalt des Bürgerbegehrens.

Herr GR Wastian hält das Bürgerbegehren für ein demokratisches Instrument und stellt die Frage, ob eine Rückstellung oder Nachbesserung möglich ist. Dies wird jedoch verneint.

Herr BGM Gum weist darauf hin, dass im Falle einer Schließung nicht nur 150 Arbeitsplätze, sondern auch die medizinische Versorgung der Bevölkerung gefährdet ist.

Frau GR Dr. Hoppe führt an, dass 1000 Bürger für den Erhalt des Aubachtales gestimmt haben.

Herr GR Dr. Dameris stellt den Antrag auf Untersuchung von Alternativstandorten.

Um die Diskussionen zu beenden, stellt Herr GR Dr. Gasser den Antrag zur Geschäftsordnung auf „Ende der Debatte“.

Dem Antrag wird mit 14 : 7 Stimmen zugestimmt.

Beschluss

Das „Bürgerbegehren Aubachtal“ ist unzulässig.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 16, Dagegen: 5

Abstimmungsbemerkung
Eine Gegenstimme wurde von Herrn GR Dr. Benoist abgegeben.

Datenstand vom 29.06.2018 10:56 Uhr