Satzung über ein von der Bayerischen Bauordnung (BayBO) abweichendes Maß der Abstandsflächentiefe; Satzungsbeschluss


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Gemeinderates, 19.01.2021

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Gemeinderat Sitzung des Gemeinderates 19.01.2021 ö Beschließend 6

Sach- und Rechtslage

Die Novelle zur Bayerischen Bauordnung (BayBO) tritt am 01.02.2021 in Kraft. Geändert wurde u.a. das Abstandsflächenrecht in Art.6 BayBO. Eingeführt wird eine Verkürzung der Abstandsflächen auf 0,4 H (vorher 1 H als Maß der Wandhöhe), mindestens aber 3 m. Das bisher geltende sogn. 16 m Privileg, wonach die Abstandsflächen an zwei Außenwänden, die jeweils nicht mehr als 16 m lang sind, auf ½ H, mindestens aber 3 m reduziert werden können, entfällt zusätzlich wird eine neue Berechnungsmodalität eingeführt, nach der die Dachhöhe im Regelfall (bis zu einer Dachneigung von 70 Grad) mit 1/3 bei der traufseitigen Abstandsfläche zu berücksichtigen ist.

Die Neuregelung wird nachhaltige Auswirkungen auf unser Ortsbild und möglicherweise auch auf den Nachbarschaftsfrieden haben.  Das gesetzliche Ziel der Nachverdichtung wird mit der neuen BayBO zum gesetzlich angeordneten Regelfall, unabhängig davon, ob eine Ortsverträglichkeit besteht.

Mit der Novellierung der BayBO räumt der Gesetzgeber im Art. 81, Abs.1, Nr.6a BayBO neue Fassung (n.F.) den Gemeinden die Möglichkeit ein, eine abweichende Regelung zur Abstandsflächentiefe zu treffen. Die Gründe für die Aufstellung einer abweichenden Satzung als örtliche Bauvorschrift im eigenen Wirkungskreis der Gemeinde sind eng beschränkt auf die Erhaltung des Ortsbildes und die Erhaltung der Wohnqualität. Die Satzung muss bis zum 01.02.2021 in Kraft getreten sein.

Nach eingehender Rücksprache des Bürgermeisters mit dem Landrat und Herrn Dr. Kühnel als Kreisbaumeister schlägt die Verwaltung die Aufstellung einer entsprechenden Satzung zur Regelung eines abweichenden Maßes der Abstandsflächentiefe mit Geltung für das Gemeindegebiet vor. Inhaltlich angeordnet werden soll die Geltung des Abstandsflächenrechts in der Fassung der Bayerischen Bauordnung, die bis zum 31.01.2021 Geltung hat, mithin das „alte“ Abstandsflächenrecht. Argumente hierfür sind:

-        Die zukünftige Entwicklung des Ortsbildes ist zentraler Bestandteil der Planungshoheit der Gemeinde und zentraler Bestandteil des Prinzips der kommunalen Selbstverwaltung, die in der Bayerischen Verfassung den Gemeinden garantiert ist. Die Gemeinden können fachlich angepasster Regelungen zur Abstandsflächentiefe erlassen, weil sie selbst die örtlichen Begebenheiten besser erfassen können, als eine zentral verordnete, für den ganzen Freistaat  Bayern (mit Ausnahme der Städte über 250.000 Einwohner) geltende Regelung.
-        Der Erhalt der Wohnqualität für die Bürger kann nur dann sinnvoll erfolgen, wenn die Wohnqualität als Maßstab festgelegt werden kann. Die Wohnqualität kann jedoch am besten im kleinen Maßstab, vor Ort in den Gemeinden bestimmt werden. Die Wohnqualität eines städtischen Mehrfamilienhauses differiert sehr stark von der eines Einfamilienhauses in unserer Gemeinde hinsichtlich der Ortsüblichkeit der Verdichtung zu den Nachbarn.
-        Die Neuregelung führt zu einer Verschlechterung der Situation für die Nachbarn und verkürzt damit den Nachbarschutz. Dies kann zu einer negativen Auswirkung auf den Nachbarfrieden führen.
-        Die Gemeinde Seefeld bemüht sich im Rahmen eines Ortentwicklungskonzeptes die Bedingungen und Ziele für eine zukünftige Siedlungsentwicklung und den Umgang mit dem bestehenden Siedlungsdruck im Großraum München für die örtliche Gemeinschaft zu regeln. Die Novellierung der BayBO würde eine Einschränkung der Gestaltungsmöglichkeiten bedeuten. Das neu festgelegte Maß von 0,4 H als Abstandsflächentiefe ermöglicht pauschal ein höheres Maß an Verdichtung der Bebauung, vor allem in Gebieten nach § 34 BauGB, weil die gesetzliche Regelung hier unmittelbar gilt. Die Aufstellung einer Satzung ermöglicht daher auch die konsequente Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung, indirekt über das Abstandsflächenrecht, als städtebauliches Werkzeug, über welches die Gemeinde selbst bestimmt.
-        Die Aufstellung der Satzung ermöglicht, auch eine spätere Überarbeitung und Anpassung, um gezielte Nachverdichtung im Gemeindegebiet, nach den Vorgaben des Ortsentwicklungskonzepts, zu betreiben. Die Satzung kann durch geänderten Satzungsbeschluss jederzeit angepasst werden. Rechtlich muss dafür die Satzung zum 01.02.2020 in Kraft getreten sein, da ansonsten dem Bürger mit dem pauschal günstigeren neuen Abstandsflächenrecht (0,4 H) eine günstige Rechtsposition entzogen würde. Eine solche Verschlechterung könnte dann tatsächlich zu Haftungsfragen führen, bzw. ist nicht möglich.

Nach Abstimmung der Bürgermeister im gesamten Landkreis Starnberg werden voraussichtlich ca.10 Gemeinden eine entsprechende Satzung zu einem abweichenden Maß der Abstandsflächen treffen. Grundlage des von der Verwaltung vorgelegten Entwurfs einer Satzung ist eine für das Gemeindegebiet individuell angepasste Mustersatzung, die vom Kreisbaumeister, Herrn Dr. Kühnel, erarbeitet wurde. Sie wird vom Landratsamtes Starnberg favorisiert.

Anlagen:

- Satzungsentwurf
- Beispiel zur Gegenüberstellung der Abstandsflächentiefe
- Präsentation von Bgm. Kögel
 

Sitzungsverlauf

Einführend berichtet Bgm. Kögel über das Abstimmungsgespräch mit den anderen Kommunen des Landkreises und dem Landratsamt, das Anfang des Jahres stattgefunden hat und begründet mit Verweis auf die Informationen in der letzten Sitzung die Entscheidung der Verwaltung für einen Satzungserlass.

Es wurde festgestellt, dass der Satzungsentwurf nicht im Ratsinfosystem eingestellt war. Die Satzung wird daher Punkt für Punkt durchgesprochen (die Satzung wird noch während der Besprechung als Tischvorlage nachgereicht) und zur Diskussion gestellt.

Es wird kritisiert, dass die Satzung dem Gedanken der maßvollen Nachverdichtung widerspricht, es wäre ein Mittelmaß möglich gewesen. Die Verwaltung entgegnet, dass die Satzung jederzeit geändert werden könne oder die Abstandsflächen mittels B-Plan anderweitig festgesetzt werden können und so eine maßvolle Nachverdichtung im Sinne der Gemeinde umzusetzen ist. Die Satzung ist zwingend in dieser Sitzung zu beschließen, da nach dem Inkrafttreten der neuen BayBO zum 01.02.2021 keine solche Satzung mehr erlassen werden kann.

GR Dr. Gasser beantragt, das Maß 1 H auf 0,9 H zu ändern, um ein Zeichen zu setzen.

Beschluss:                1 : 17 (abgelehnt)

Beschluss

Der Gemeinderat beschließt den Erlass einer Satzung über abweichende Maße der Abstandsflächentiefe auf Grundlage von Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 Buchstabe a BayBO. Der in der Anlage beigefügte Satzungsentwurf ist Bestandteil des Beschlusses.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 17, Dagegen: 1

Datenstand vom 17.10.2022 10:31 Uhr