In der öffentlichen Sitzung des Stadtrates vom 6.8.2019 stellte Stadtrat Georg Abt unter dem TOP „Verschiedenes“ auch im Namen der Stadträtin Walter mündlich den Antrag, aus gegebenem Anlässen, u.a. des Gustav-Mahler-Konzertes in der ehem. Synagoge am 14.7.2019 sowie des 75jährigen Jubiläums zum Stauffenberg-Attentat, den Namen Adolf Hitler aus der „Ehrenbürgerliste der Stadt Ichenhausen offiziell zu streichen“. Auch forderte er „eine Abstimmung über die formelle Aberkennung der Ehrenbürgerwürde“ für Adolf Hitler. Bürgermeister Strobel sagte in dieser Sitzung zu, den Antrag auf die Tagesordnung der nächsten, also der nun anstehenden Stadtratssitzung zu setzen und diesen zu behandeln.
Historische Fakten zur Ehrenbürgerrechtsverleihung von 1933:
In der ersten Sitzung des gleichgeschalteten Stadtrates am 27. Apr. 1933 wurde auf Antrag der Nationalsozialistischen Stadtratsfraktion, wie in vielen anderen Kommunen, einstimmig beschlossen:
Das Ehrenbürgerrecht der Stadt Ichenhausen anzubieten:
- dem Reichspräsident Paul von Hindenburg,
- dem neuen Reichskanzler Adolf Hitler,
und folgende Anlagen und Straßen umzubenennen:
- die Anlage an der Krumbacherstraße in Hindenburg-Park,
- die neue Bahnhofstraße in Adolf Hitler-Straße
Mit städtischen Schreiben vom 1. Mai 1933 wurde dieser Beschluss vollzogen.
Mit Schreiben vom 29. Mai nahm Paul von Hindenburg die Ehrenbürgerschaft an,
mit Schreiben vom 20. August 1933 nahm Adolf Hitler die Ehrenbürgerschaft an.
Mit Kriegsende erfolgte eine Rückbenennung der Straße „Adolf-Hitler-Straße“ in „Neue Bahnhofstraße“.
Der Name „Hindenburgpark“ blieb. Inzwischen ist dieser in der Bevölkerung mit vielen positiven Erinnerungen der jüngeren Stadtgeschichte verbunden. (Sportplatz, Freilichtbühne) Die Bedeutung des Namensgebers ist dahinter zurückgetreten, jüngeren Generationen ist dieser Name oft unbekannt, sie müssen darauf aufmerksam gemacht werden.)
1985 sah sich der Stadtrat mit der Forderung nach posthumer Aberkennung der Ehrenbürgerwürde von Adolf Hitler und der Unmöglichkeit einer Streichung aus den Tatsachen der Geschichte konfrontiert als Stadtrat Olbrich in einer nichtöffentlichen Hauptausschusssitzung am 21.05.1985 die Anfrage stellte, ob Adolf Hitler denn schon die Ehrenbürgerwürde entzogen worden sei. Hierzu hatte die Verwaltung erklärt, dass eine posthume Aberkennung rechtlich nicht möglich sei. Die Stadtratsvertreter versuchten eine Lösung dahingehend, dass sie in dieser nichtöffentlichen Sitzung den einstimmigen Beschluss fassten, die Nennung Hitlers als Ehrenbürger Ichenhausens in künftigen Publikationen zu unterlassen. So der Stand von 1985.
Als 1993 das an den Hindenburgpark angrenzende Baugebiet erschlossen wurde, beschloss der Stadtrat am 02.11.1993 eine der Straßen „Am Hindenburgpark“ zu nennen.
Mit Schreiben vom 01.09.16 haben die Stadträtinnen Walter und Schweiger für die SPD Fraktion eine Aberkennung der Ehrenbürgerwürde für Adolf Hitler beantragt.
Nachdem eine posthume Aberkennung der Ehrenbürgerwürde, wie der damalige Hauptamtsleiter Albert Heimbach, recherchierte, nach wie vor rechtlich nicht möglich war, wurde die Möglichkeit einer Distanzierung vom Stadtratsbeschluss von 1933 diskutiert.
Es wurde beschlossen, beim Bayerischen Gemeindetag rückzufragen.
Vom Bayer. Gemeindetag wurde mitgeteilt, dass die Aberkennung einer Ehrenbürgerwürde post mortem nach einhelliger Auffassung des Innenministeriums und der Kommentarliteratur zu Art. 16 Bayer. Gemeindeordnung nicht möglich ist. Die Ehrenbürgerwürde ist ein personenbezogen und erlischt mit dem Ableben der betreffenden Person, so dass ein entsprechender Beschluss auf eine rechtliche und tatsächliche Unmöglichkeit gerichtet wäre.
Zum Antrag der Stadträte Abt und Walter vom 06.08.19 nimmt die Verwaltung wie folgt Stellung:
1. Adolf Hitler ist aus rechtlicher Sicht in keiner bayerischen Gemeinde mehr Ehrenbürger. Auch in der Stadt Ichenhausen ist die Ehrenbürgerwürde mit ihrem Tod erloschen. Das ist ein Faktum und gilt für alle Kommunen.
2. Die Aberkennung einer Ehrenbürgerwürde post mortem ist nicht möglich. Die Ehrenbürgerwürde ist personenbezogen und erlischt mit dem Ableben der betreffenden Person, so dass ein entsprechender Beschluss auf eine rechtliche und tatsächliche Unmöglichkeit gerichtet wäre.
3. Eine offizielle Ehrenbürgerliste, von welcher Adolf Hitler gestrichen werden könnte, gibt es bei der Stadt Ichenhausen nicht, lediglich eine rein intern verwendete, ohne Gewähr auf Vollständigkeit recherchierte Aufstellung darüber, welche Personen zu welchem Zeitpunkt die Ehrenbürgerwürde in der Kernstadt und den Stadtteilen verliehen bekamen.
4. Was unser Stadtrat heute tun kann: Im Sinne einer Symbolpolitik könnte sich der heutige Stadtrat vom Beschluss aus 1933, mit dem Hitler die Ehrenbürgerwürde angetragen wurde, ausdrücklich distanzieren.
5. Es stellt sich die Frage, ob zugleich auch eine Distanzierung vom Beschluss aus 1933, mit dem Hindenburg die Ehrenbürgerwürde angetragen wurde, beschlossen werden sollte.
In den letzten Jahren verfahren vermehrt Kommunen auch hinsichtlich Ehrenbürgerwürden für Hindenburg so, da seine Rolle im 1. Weltkrieg, seine Rolle im Rahmen des Untergangs der Weimarer Republik und seine Rolle bei der Machtübertragung an Hitler immer kritischer gesehen wird. Bezeichnender Weise hat seit einiger Zeit der Terminus „Machtübertragung“ den früheren Begriff „Machtergreifung“ abgelöst, d.h. nach heutiger Auffassung gab es keinen zwingenden Grund Hitler zum Reichskanzler zu ernennen (vgl. Wahlergebnisse und wirtschaftliche Daten Ende 1932). Es war nach Ansicht jüngerer Recherchen ein von einer kleinen Gruppe – mit großem Einfluss auf den Reichspräsidenten Hindenburg – eingefädelter Coup, der Hitler letztlich an die Macht brachte. Außerdem gab es demnach 1933/34 von der Seite des Reichspräsidenten Hindenburg Rückendeckung für alle von Hitler ergriffenen Maßnahmen zur Umwandlung der Demokratie in den nationalsozialistischen „Führerstaat“.
Laut Wikipedia wurde Hindenburg in 3824 Kommunen die Ehrenbürgerschaft verliehen. Seit dem Ende des NS-Regimes haben zahlreiche Kommunen wie Dortmund, Köln, Karlsruhe, Leipzig, München, Münster und Stuttgart die Ehrenbürgerschaft als NS-belastet gelöscht. An anderen Orten wie in Berlin gab es entsprechende Initiativen, die sich nicht durchsetzten. In der Summe hat der größere Teil der deutschen Städte die Ehrenbürgerschaft Hindenburgs nicht gelöscht.
6. Die Günzburger Zeitung stellt in ihrer Ausgabe vom 09.08.19 die Frage, ob im Zusammenhang mit dem Antrag der Stadträte Abt und Walter über eine Umbenennung des „Hindenburgparks“ nachgedacht werden sollte, was dann nach Auffassung der Verwaltung dann folgerichtig für die Straße „Am Hindenburgpark“ gelten müsste.
Nach den Recherchen der Verwaltung haben in den letzten Jahren immer wieder Kommunen nach Hindenburg benannte Straßen und Plätze umbenannt. Nach wie vor gibt es aber Hindenburgstraßen in rund 40 deutschen Städten wie Hamburg, Hannover, Mainz, Neu-Ulm, Biberach an der Riß und Konstanz. Anders als mehrere andere deutsche Städte haben ihren „Hindenburgpark“ bis heute zumindest Hamburg, Ingolstadt, Leverkusen und Münnerstadt nicht umbenannt.
Da der Begriff „Hindenburgpark“ inzwischen in der Ichenhauser Bevölkerung mit vielen positiven Erinnerungen der jüngeren Stadtgeschichte verbunden ist, würde bei einer Umbenennung vielen Bürgern diese positive Erinnerung und damit ein Stück Heimat genommen. Auch aus Respekt vor diesen Mitbürgern sollte aus Sicht der Verwaltung auf eine Umbenennung möglichst verzichtet werden.
Bürgermeister Strobel erläutert den Sachverhalt und verweist auf die Empfehlungsbeschlüsse des Haupt- und Personalausschusses vom 24.09.2019.