Gesetz zur Vereinfachung baurechtlicher Regelungen und zur Beschleunigung sowie Förderung des Wohnungsbaus (Novelle BayBO); Überarbeitung des Abstandsflächenrechts – Ermächtigung der Gemeinden zum Erlass einer Abstandsflächensatzung (Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 Bayerische Bauordnung (BayBO)


Daten angezeigt aus Sitzung:  Stadtratssitzung (mit Verabschiedung HH-Satzung), 25.03.2021

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Bau- und Verkehrsausschuss Bau- und Verkehrsausschuss-Sitzung 09.03.2021 ö Vorberatung 2
Stadtrat Stadtratssitzung (mit Verabschiedung HH-Satzung) 25.03.2021 ö Beschließend 7

Sachverhalt

Der bayerische Gesetzgeber hatte seit längerem die Absicht, die Bayerische Bauordnung „weiter zu verbessern und zu vereinfachen“.
Zwischenzeitlich ist eine Novellierung der Bayerischen Bauordnung zum 01.02.2021 in Kraft getreten.

Die Mehrzahl der vorgenommenen Änderungen sind für die Gemeinden, welche nicht untere Bauaufsichtsbehörden sind, nicht relevant, nachdem diese nicht zum Prüfungsumfang der Gemeinden insbesondere in Baugenehmigungsverfahren gehören wie beispielsweise Regelungen zum Baustoff Holz, Rettungswege, Aufzugspflicht, Bestandsschutz für Aufenthaltsräume, Nachbarbeteiligung, Genehmigungsfiktion, Typengenehmigung und dergleichen.

Abweichend von den bisherigen Bestimmungen wird durch die Novelle der BayBO das Genehmigungsfreistellungsverfahren auf die Fälle der Änderung und Nutzungsänderung von Dachgeschossen zu Wohnzwecken einschließlich des Einbaus von Gauben im unbeplanten Innenbereich erweitert.
Bislang setzte die Anwendung des Genehmigungsfreistellungsverfahrens einen Bebauungsplan sowie dessen Einhaltung voraus.

Einen relativ breiten Raum nahm von Beginn der Überlegungen zur Überarbeitung der Bayerischen Bauordnung an das Abstandsflächenrecht ein.
Das Abstandsflächenrecht wird, soweit überhaupt noch Prüfungsumfang, durch das Landratsamt als untere Bauaufsichtsbehörde vollzogen.
Die Regelungen des Abstandsflächenrechts haben Auswirkungen u. a. auf die Dichte der Bebauung.

Grundsätzlich wurde Art. 6 der BayBO dem Modell der Musterbauordnung angepasst.
Der neue Art. 6 Abs. 5 BayBO verkürzt das Maß der Tiefe der Abstandsfläche u. a. in Wohngebieten auf 0,4 H (Wandhöhe = H), mindestens jedoch 3 m.
Bislang galt grundsätzlich 1,0 H mit einer Verkürzungsmöglichkeit auf zwei Gebäudeseiten unter gewissen Voraussetzungen auf 0,5 H.
Auf Traufseiten wird bei Dächern mit einer Neigung bis 70° ein 1/3 der Dachhöhe hinzugerechnet.
Bislang erfolgte eine Hinzurechnung erst ab einer Dachneigung von mehr als 45°.
Eine Giebelwand wird künftig als „normale“ Wand angesehen.
Bislang wurde die Höhe von Giebelflächen bis zu einer Dachneigung von 70° zu 1/3 hinzugerechnet.

Auch wenn aufgrund der Komplexität des Abstandsflächenrechts alt und neu selbst seitens der Fachleute und Spitzenverbände nicht so ohne weiteres die ganz konkreten Auswirkungen der Abstandsflächenmodifizierung für alle denkbaren Konstellationen benannt werden können, ist doch davon auszugehen, dass sich die Mindestabstandsfläche jedenfalls in den meisten Fällen verkürzen dürfte und damit beispielsweise eine höhere Nachverdichtungsmöglichkeit einher ginge.

Der bayerische Gesetzgeber hat in Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 BayBO die Änderungen im Abstandsflächenrecht im gemeindlichen Satzungsrecht nachvollzogen.
Damit besteht weiterhin die Möglichkeit, abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen vom gesetzlichen Maß im Gemeindegebiet oder in Teilen des Gemeindegebietes zu regeln.
Die Satzungsermächtigung trat bereits zwei Wochen vor der novellierten BayBO in Kraft, um damit Gemeinden, die den Erlass einer Abstandsflächensatzung erwägen, einen zeitlichen Vorlauf zu gewähren.

Das Bauministerium hat zum Vollzug der diesbezüglichen Neuregelung folgende Hinweise gegeben:
„Tatbestandliche Voraussetzungen für den Erlass einer Abstandsflächensatzung sind alternativ, dass die Erhöhung des Maßes der Tiefe der Abstandsfläche der Erhaltung des Ortsbildes, der Verbesserung der Wohnqualität oder der Erhaltung der Wohnqualität dient. Bei Vorliegen einer der drei Tatbestandsalternativen kann ein abweichendes Maß der Tiefe der Abstandsfläche für das ganze Gemeindegebiet oder Teile dieses Gebiets durch Satzung angeordnet werden. Ob und für welche besonderen Verhältnisse die Gemeinde örtliche Bauvorschriften erlässt, steht bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen in ihrem Ermessen. Bei der zu treffenden Ermessensentscheidung ist unter Beachtung des Satzungszwecks insbesondere die örtliche Situation zu berücksichtigen. Das bedeutet, dass eine aus mehreren Ortsteilen bestehende Gemeinde die Situation in diesen Ortsteilen wird berücksichtigen müssen. Ebenso wird ein besonderes Augenvermerk darauf zu richten sein, dass für bestimmte Baugebiete (Gewerbe-, Industrie-, Kern- und festgesetzte urbane Gebiete) schon immer verkürzte Abstandsflächentiefen gegolten haben.

Die Stadtverwaltung hat die Überarbeitung des Abstandsflächenrechts durch die jüngste Novelle der Bayerischen Bauordnung zum Thema gemacht, weil die Verkürzung der Abstandsflächen dazu geführt hat, dass sich wohl Kommunen in der weiteren Nachbarschaft mit diesem Thema befasst haben oder befassen wollen und dabei jedenfalls wohl teilweise den Erlass einer Abstandsflächensatzung mit einer Erhöhung der Abstandsflächentiefe anstreben bzw. eine entsprechende Satzung bereits erlassen haben.

Die Stadtverwaltung vertritt die Ansicht, dass in Vöhringen der Erlass einer gemeindlichen Satzung zu einer vom Gesetz abweichenden Abstandstiefe nicht veranlasst ist. Maßgeblich hier für ist, dass unseres Erachtens in Vöhringen samt Ortsteilen keine besonderen Umstände vorliegen, welche eine abweichende Regelung von der durch den bayerischen Landtag beschlossenen bayernweiten Regelung rechtfertigen bzw. erfordern würde (z. B. Altstadt, zentrumsnahe Konversionsfläche, umzuwidmende größere Gewerbeflächen im Ort).
Das Ziel der Regelung, mit Flächen verantwortungsbewusst umzugehen und deswegen verdichteter zu bauen und nach zu verdichten, ist für die Stadtverwaltung grundsätzlich erstrebenswert, weswegen gewisse aber überschaubare Risiken und Nachteile in Kauf genommen werden sollten.

Die Stadtverwaltung hat die Thematik auch bereits mit dem Landratsamt Neu-Ulm diskutiert. Dabei bestand Einigkeit, dass im Innerortsbereich von Vöhringen eine von 0,4 H abweichende Regelung nicht notwendig erscheint (oftmals dichte und teilweise zusammenhängende Bebauung) und dass im unbeplanten Innenbereich beispielsweise über die Grundflächenzahl und Geschossflächenzahl eine übermäßige Nachverdichtung grundsätzlich verhindert werden kann, weil ein Vorhaben ansonsten dem Einfügegebot nicht mehr entsprechen würde.
Bei der Erarbeitung eines Bebauungsplanes sollte die Neuregelung der Abstandsflächen im Blick behalten werden, wobei das Bauplanungsrecht hier eigenständig Regelungen treffen kann.
Schließlich berichtete der Mitarbeiter des Landratsamtes Neu-Ulm, dass in Baden-Württemberg (Musterbauordnung) bei einem Mindestabstand von lediglich 2,50 m statt 3,0 m schon seit vielen Jahren das Prinzip 0,4 H gilt, ohne dass erhebliche Probleme bekannt geworden sind.

Die Stadtverwaltung spricht sich aus alledem gegen eine von der Bayerischen Bauordnung abweichende Regelung und damit gegen den Erlass einer Abstandsflächensatzung aus.

Empfehlung

„Die Stadt Vöhringen macht von der Ermächtigung gemäß Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 BayBO, eine gemeindliche Satzung über von Art. 6 BayBO abweichende Maße der Abstandsflächentiefe zu erlassen, keinen Gebrauch.“

Diskussionsverlauf

Aufgrund des Empfehlungsbeschlusses aus dem Bau- und Verkehrsausschuss ergeht ohne weitere Diskussion folgender

Beschluss

„Die Stadt Vöhringen macht von der Ermächtigung gemäß Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 BayBO, eine gemeindliche Satzung über von Art. 6 BayBO abweichende Maße der Abstandsflächentiefe zu erlassen, keinen Gebrauch.“

Abstimmungsergebnis
Dafür: 23, Dagegen: 0

Datenstand vom 10.06.2021 09:49 Uhr