1.
Der Stadtrat hat in seiner Sitzung vom 22.07.2021 die Stadtverwaltung beauftragt, einen Fachplaner mit der Prüfung folgender Fragen zu betrauen:
- Welche unterstützenden Lüftungsmaßnahmen wie mobile Luftreinigungsgeräte oder raumlufttechnische Anlagen (RLT-Anlagen) sind für den Betrieb der Schulen und Kindertagesstätten im Sinne des Infektionsschutzes notwendig?
- Für welche Räume sind solche Luftreinigungsgeräte oder RLT-Anlagen sinnvoll insbesondere im Hinblick auf den damit zu erzielenden Infektionsschutz der Lehrer und Schüler bzw. Erzieher und Kinder?
Das Ergebnis sollte danach im zuständigen Ausschuss bzw. im Stadtrat vorgestellt und zur Entscheidung vorgelegt werden.
Nachdem die Ergebnisse der Untersuchung erst in der KW 39 vorlagen, war eine vorberatende Behandlung im Haupt- und Umweltausschuss aus Zeitgründen nicht möglich.
Gerade auch im Hinblick auf die Höhe der im Raum stehenden Kosten und die grundsätzliche Bedeutung der Frage, erscheint eine Behandlung im Stadtrat ohnehin geboten.
Ausgangspunkt der bisherigen Überlegung war, dass in den Kitas und Schulen der Stadt rd. 100 Räume in Betracht kommen, die mit mobilen Luftreinigungsgeräten oder RLT-Anlagen ausgestattet werden können.
Die Stadtverwaltung hat daraufhin mit dem ortsansässigen Planungsbüro Baur GmbH, Büro für technische Gebäudeausstattung, Adalbert-Stifter-Straße 43, Vöhringen, Kontakt aufgenommen und dieses mit der Untersuchung der Räumlichkeiten beauftragt.
2.
Nach einem Vorgespräch mit dem Ingenieurbüro sollte die Einteilung der Räume nach den Kriterien des Umweltbundesamtes eingeteilt werden, die sich wie folgt darstellt:
Kategorie 1:
Räume mit guter Lüftungsmöglichkeit, in denen der erforderliche 3fache Luftwechsel pro Stunde entweder durch regelmäßiges Stoß- und Querlüften oder durch raumlufttechnische Anlagen gewährleistet ist.
In diesen Räumen ist der Einsatz von mobilen Luftreinigungsgeräten nicht notwendig. Zur Überprüfung des Lüftungserfolges sollen CO2-Sensoren (Lüftungsampeln) verwendet werden sowie die Regeln für Abstand, Hygiene und Maskentragen und regelmäßiges Lüften eingehalten werden.
Kategorie 2:
Räume mit eingeschränkter Lüftungsmöglichkeit: Keine raumlufttechnische Anlage, Fenster nur kippbar bzw. Lüftungsklappen mit minimalem Querschnitt.
Der Einsatz von mobilen Luftreinigern ist in solchen Räumen zusätzlich zu den Maßnahmen für Räume der Kategorie 1 sinnvoll.
Kategorie 3:
Nicht zu belüftende Räume.
Diese Räume werden nicht für den Schul- oder Kitabetrieb empfohlen. Auch der Einsatz von Luftreinigern und CO2-Sensoren ergibt keine Verbesserung, da kein Luftaustausch mit der Außenluft erfolgt.
3.
Untersuchungsergebnisse des Ingenieurbüros Baur
Die Untersuchung des Büros, welche durch detaillierte Tabellen bezüglich der einzelnen Räume dokumentiert ist, hat folgendes ergeben:
a) Schulen
Die Lüftungsmöglichkeiten der Schulen sind unproblematisch, da sämtliche Räume der Kategorie 1 zuzuordnen sind. Sämtliche Klassenräume erfüllen die Vorgabe zur Stoßlüftung über Fenster, da die erforderliche Raumtiefe erreicht wird.
Der vorgegebene 3fache Luftaustausch pro Stunde zur Reduzierung von infektiösen Partikeln lässt sich mit der Stoßlüftung erreichen. Die vorhandenen CO2-Ampeln sind anzuwenden.
Empfohlen wird jedoch bei sämtlichen Schulen, zur Energieeinsparung Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung angepasst auf die jeweilige Raumgröße zu installieren (vergleiche hierzu sogleich).
b) Kindertagesstätten
In den Kindertagesstätten gibt es vereinzelt Räume, die im Hinblick auf den vom Umweltbundesamt geforderten 3fachen Luftaustausch kritisch sind. Es handelt sich hierbei um folgende Räume:
- Kita Falkenstraße, Turnhalle:
Hier ist selbst über eine Türlüftung lediglich eine 2fache Luftwechselrate pro Stunde erreicht. Die Empfehlung des Planungsbüros enthält den Hinweis, dass das Luftvolumen mit 700 m³ ausreichend für 20 – 25 Personen ist, sodass ein einfacher Luftwechsel ausreichend sein müsste. Mittelfristig wird zur Energieeinsparung eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung in den Gruppenräumen empfohlen.
- Kindergarten Pusteblume Illerzell:
Der im Keller gelegene Werkraum weist lediglich eine Luftwechselrate von knapp 1 pro Stunde auf. Ein Stoßlüften ist nur sehr eingeschränkt möglich und eine Dauerlüftung insoweit notwendig. Der vorgegebene 3fache Luftaustausch pro Stunde zur Reduzierung von infektiösen Partikeln lässt sich mit der Stoßlüftung nicht erreichen. Hier muss Dauergelüftet werden. Die vorhandenen CO2-Ampeln sind anzuwenden. Der Raum ist bautechnisch feucht und auch ein Lüften im Sommer insbesondere wegen des Feuchteeintrags problematisch. Hier sollte kurzfristig zur Energieeinsparung eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung eingebracht werden.
- Kita St. Michael (Altbau):
Essen- Spielgruppe 1
Dieser Raum erfüllt die geforderte Luftwechselrate nicht, wobei die geringfügige Unterschreitung durch eine Lüftung alle 15 Minuten kompensiert werden kann.
- Kita St. Michael (Neubau):
Gruppenräume 1 und 2
Diese erfüllen mit einer Luftwechselrate von 1,1 nicht die Vorgaben zum mechanischen Lüften. Die Luftmenge ist im WC-Raum zu drosseln, die restlichen 100 m³ pro Stunde sind in die Gruppenräume einzubringen. Die Luftwechselrate wird dann auf knapp 2fach je Stunde erhöht. Mit den Lüftungsampeln ist der CO2-Wert zu überprüfen. Bei Überschreitung von 1000 ppm CO2 ist die Personenzahl zu reduzieren.
Gruppenräume 3 und 4
Diese erfüllen die Vorgaben zum mechanischen Lüften ebenfalls nicht. Dort ist lediglich eine Luftwechselrate von 1,82 erreicht. Hier ist die Luftmenge im WC-Raum zu drosseln und die restlichen 100 m³ pro Stunde sind in die Gruppenräume einzubringen. Hierdurch wird die Luftwechselrate dann auf 2,5 je Stunde erhöht. Mit den Lüftungsampeln ist der CO2-Wert zu überprüfen. Bei Überschreiten des Wertes 1000 ppm CO2 ist die Personenzahl zu reduzieren.
Das Ingenieurbüro empfiehlt für die dargestellten Räume die Anschaffung von Luftreinigern. Das Ingenieurbüro empfiehlt pro Raum die Anschaffung von 2 Luftwäschern der Bezeichnung SQ500 á 700 Euro. Ergibt sich für 4 Räume mal 2 ein Betrag von 2 x 4 x 700 Euro = 5.600 Euro + MwSt. = 6.664 Euro.
Gruppe 1 und 2
Diese Räume erfüllen nicht die Vorgabe zur Stoßlüftung. Es wird mittelfristig die Installation von RLT-Anlagen empfohlen.
Der Ruheraum 1 erfüllt ebenfalls nicht die Vorgaben zum Stoßlüften. Mittelfristig sollten zur Energieeinsparung Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung in den Gruppenraum installiert werden.
Bewegungsraum:
Der Bewegungsraum erfüllt nicht ganz die Vorgaben zum Stoßlüften. Mit Türlüftung werden die Vorgaben jedoch nahezu erfüllt. Die Differenz ist nach Einschätzung des Ingenieurbüros vernachlässigbar.
Hier muss jedoch mit einer Stoßlüftung alle 15 Minuten gearbeitet werden. Auch hier wird mittelfristig die Installation von RLT-Anlagen empfohlen.
Insgesamt wird für die Kita Arche die Anschaffung von insgesamt 6 Luftwäschern für die 3 betroffenen Räume (Kleingruppe 1 und 2) sowie Ruheraum 1 somit 6 x 700 Euro = 4.200 Euro + MwSt. = 4.998 Euro empfohlen.
Im Ergebnis werden für die oben dargestellten Räume Luftreiniger als unterstützende Maßnahme für die Räume der Kategorie 2 empfohlen.
Hierfür würden geschätzte Kosten von ca. 12.000 Euro anfallen.
4. Installation von raumlufttechnischen Anlagen unter Berücksichtigung der Bundesförderung für Corona-gerechte stationäre raumlufttechnische Anlagen und Zu-/Abluftventilatoren.
Insgesamt empfiehlt das Ingenieurbüro für sämtliche Räume der Kategorie 1 insbesondere auch zur Energieeinsparung die Installation von Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung in den verschiedenen angesprochenen Räumen.
Hierdurch wird nicht nur das Infektionsrisiko in Bezug auf das Corona-Virus, sondern auch insgesamt die Raumlufthygiene deutlich verbessert. Die Vorteile wirken langfristig, da die Räume auch später kontinuierlich mit Frischluft versorgt werden, ohne den durch die Fensterlüftung verursachten Wärmeverlust.
Das Planungsbüro Baur schätzt die Kosten für die einzelnen Einrichtungen bei der Installation dezentraler Lüftungsgeräte mit Wärmerückgewinnung vorläufig wie folgt:
Einrichtung/Zahl der Räume
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Kosten pro Raum
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Investitionssumme Brutto
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Uli-Wieland-Grund- und Mittelschule/28 Räume
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17.850
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499.800
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Grundschule Nord/14 Räume
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2 x 9.520 und 12 x 17.850
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233.240
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Grundschule Illerberg/9 Räume
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17.850
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160.650
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Summe Schulen
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893.690
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Bei den Kindergärten wurden folgende Kosten geschätzt:
Einrichtung/Zahl der Räume
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Kosten pro Raum
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Investitionssumme Brutto
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Kita St. Michael (Altbau) / 12 Räume
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Zwischen 6.545 Euro und 10.710 Euro
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101.150 Euro
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Kita Arche / 13 Räume
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Zwischen 3.570 Euro und 17.850 Euro
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114.853 Euro
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Kita Rappelkiste (Altbau)/ 7 Räume
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Zwischen 6.545 Euro und 10.710 Euro
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58.310 Euro
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Kita Piepmatz/12 Räume
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Zwischen 6.545 und 23.800 Euro
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123.760 Euro
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Kita Pusteblume/8 Räume
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Zwischen 6.545 und 17.850
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88.060 Euro
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Summe
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486.133 Euro
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5.
Fördermöglichkeiten
Für die Installation raumlufttechnischer Anlagen kommt insbesondere das Förderprogramm des Bundes „Corona-gerechte stationäre raumlufttechnische Anlagen“ in Betracht. Dort sind Förderquoten von bis zu 80% der förderfähigen Kosten inklusive Planungsleistungen, jedoch maximal 500.000 Euro pro Standort möglich.
Unter Berücksichtigung einer Förderquote von 80% würde sich damit für die Stadt Vöhringen nach Abzug der Förderung ein Eigenanteil in Höhe von 1.379.823 Euro x 20% = 275.964,60 Euro ergeben.
6.
Zusammenfassung
Nach dem Untersuchungsergebnis und den Empfehlungen des Planungsbüros Baur GmbH wird von der Anschaffung mobiler Luftreinigungsgeräte abgeraten, da diese das Erfordernis der Fensterlüftung nicht entfallen lassen. Für einzelne Räume werden die Luftreiniger als Unterstützung für sinnvoll erachtet. Das Erfordernis des Lüftens wird jedoch hierdurch nicht entfallen.
Das Umweltbundesamt empfiehlt zum richtigen Lüften folgende Vorgehensweise:
Um sich vor infektiösen Partikeln zu schützen, sollte pro Stunde ein dreifacher Luftwechsel erfolgen. Das bedeutet, dass die Raumluft dreimal pro Stunde komplett gegen Frischluft von außen ausgetauscht wird. Dies wird idealerweise wie folgt erreicht:
Während des Unterrichts wird alle 20 Minuten mit weit geöffneten Fenstern gelüftet. Alle Fenster müssen weit geöffnet werden (Stoßlüften). Je größer die Temperaturdifferenz zwischen innen und außen ist, desto effektiver ist das Lüften. Daher ist bei kalten Außentemperaturen im Winter ein Lüften von ca. 3-5 Minuten ausreichend.
An warmen Tagen muss länger gelüftet werden (ca. 10-20 Minuten). Bei heißen Wetterlagen im Hochsommer, wenn die Lufttemperaturen außen und innen ähnlich hoch sind, sollten die Fenster durchgehend geöffnet bleiben.
Zudem soll nach jeder Unterrichtsstunde über die gesamte Pausendauer gelüftet werden, auch während der kalten Jahreszeit.
Noch besser als Stoßlüften ist Querlüften. Das bedeutet, dass gegenüberliegende Fenster gleichzeitig weit geöffnet werden. In Schulen kann das Querlüften auch durch weit geöffnete Fenster auf der einen Seite und der Fenster im Flur auf der gegenüberliegenden Seite realisiert werden.
Sowohl beim Stoßlüften wie beim Querlüften sinkt die Temperatur im Raum nur um wenige Grad ab. Nach dem Schließen der Fenster steigt sie rasch wieder an.
(Quelle: Homepage des Umweltbundesamtes)
Nachdem die sogenannten Luftfilter in Räumen der Kategorie 2 ebenfalls das Lüften nicht ersetzen und die Infektionsgefahr nur unzureichend vermindern, wird seitens der Stadtverwaltung in Frage gestellt, ob für die o.a. Räume in den Kitas St. Michael und Arche die Anschaffung von Luftwäschern überhaupt Sinn macht und hier nicht auch die Installation von RLT-Anlagen angestrebt werden soll. Dies wird seitens der Verwaltung empfohlen.
Nachhaltiger und mittelfristig sinnvoller ist die Anschaffung von RLT-Anlagen, für die auch eine attraktive Förderung durch den Bund besteht.
Zu beachten ist ferner, dass nach Mitteilung des Landratsamtes die Frage der Quarantäneanordnungen in Schulen nicht davon abhängig gemacht wird, ob Luftreiniger in den Klassenzimmern vorhanden sind. So heißt es in der Sitzungsvorlage des Kreistags:
Ein pauschaler Verzicht von Quarantänemaßnahmen aufgrund RLT-Anlagen
oder des Einsatzes von Luftreinigungsgeräten ist lt. Aussage des Gesundheits-
amtes nicht möglich. Quarantäneentscheidungen bleiben daher auch beim
Einsatz von RLT-Anlagen oder Luftreinigungsgeräten immer von der Bewertung
des Einzelfalles abhängig.
Naturgemäß bedürfen auch die RLT-Anlagen einer gewissen Wartung und haben einen hohen Stromverbrauch. Nach Schätzungen dürfte mit jährlichen Wartungskosten von ca. 1.200 Euro pro Gerät sowie einem jährlichen Stromverbrauch von 650 Euro pro Gerät ausgegangen werden.
Dem gegenüber steht ein Einsparpotenzial bei den Heizkosten, welches dem gegenüber gestellt werden kann.
Nachdem der Einbau der raumlufttechnischen Anlagen in Form dezentraler Anlagen bautechnisch komplex ist, bedarf es hierzu einer Planung durch ein Fachbüro.
Demgemäß wird vorgeschlagen, diese Planungen unverzüglich in Angriff zu nehmen und die entsprechenden Kosten im Haushalt 2022 zur Verfügung zu stellen.
Im Übrigen wird zum gesamten Thema ergänzend auf die Sitzungsvorlage zur Stadtratssitzung vom 22. Juli 2021 verwiesen.