Das Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg, Servicestelle Würzburg, hat mit Schreiben vom 15.01.2021 folgende Stellungnahme zum Verfahren abgegeben:
Mit Ihrem Schreiben vom 03.12.2020 bitten Sie uns, zum o.g. Vorhaben aus wasserwirtschaftlicher Sicht Stellung zu nehmen.
1. Vorhabenbeschreibung
Mit der 1. Änderung des bestehenden und genehmigten Bebauungsplanes „Häuslesäcker“ erfolgt die Umwidmung einer bislang als Fläche für Einrichtungen der Abwasserbeseitigung gewidmeten Fläche als bebaubare Fläche für ein Einzelbauvorhaben.
2. Wasserwirtschaftliche Belange
2.1 Wasserversorgung, Grundwasserschutz
Von dem geplanten Vorhaben ist kein festgesetztes Wasserschutzgebiet für eine Wassergewinnungsanlage für die öffentliche Trinkwasserversorgung betroffen.
Bei den beabsichtigten Bauvorhaben sind die Bodeneingriffe auf das erforderliche Minimum zu beschränken. Verschmutzungen des Grundwassers aufgrund der Bauarbeiten sind durch entsprechende Schutzmaßnahmen zu verhindern.
Durch die geplanten Versiegelungen ist mit einer lokalen Verschlechterung der Grundwasserneubildung und somit mit negativen Auswirkungen für den Wasserhaushalt zu rechnen. Die Flächenversiegelungen sind daher so gering wie möglich zu halten.
Die Öffentliche Trinkwasserversorgung soll vermutlich durch den Anschluss an das bestehende Ortsnetz realisiert werden. Dabei ist auf eine mengen- und druckmäßig ausreichende Wasserversorgung zu achten. Inwieweit die bestehenden Anlagen ausreichend bemessen sind, die Trink-, Brauch- und Löschwasserversorgung sicherzustellen, ist vorab zu überprüfen.
Bei hohen Grundwasserständen, bzw. dem Auftreten von Schichtenwasser, sind geeignete Bauweisen zu wählen. Gezielte Grundwasserabsenkungen sind wasserwirtschaftlich nicht vertretbar.
Bei dem geplanten Vorhaben sind die Vorgaben des Allgemeinen Grundwasserschutzes (Anforderungen nach Wasserhaushaltsgesetz und Bayerischem Wassergesetz) zu beachten.
2.2 Abwasserbeseitigung, Gewässerschutz
In den vorgelegten Planunterlagen werden keine Angaben zur abwassertechnischen Er-schließung des Baugrundstücks gemacht. Es wird lediglich mitgeteilt, dass das ursprünglich geplante Regenrückhaltebecken nie realisiert wurde. Anstatt dessen wurden ein Regenüberlauf mit Zu- und Ablaufkanälen auf dem Grundstück errichtet.
Der Regenüberlauf entwässert die komplette Bebauung der „Unteren Ringstraße“ und „Am Häuslesacker“. Auf den Regenüberlauf folgt in Richtung „Brückenstraße“ ein Mischwasserkanal, der ebenfalls das geplante Baugrundstück durchquert. Auch der Entlastungskanal des Regenüberlaufs, der das abgeschlagene Mischwasser in den Main leitet, verläuft über das Baugrundstück.
Der Betrieb und die Unterhaltung des Regenüberlaufs sind zu jeder Zeit zu gewährleisten. Dies beinhaltet unter anderem den uneingeschränkten Zugang zum Bauwerk. Aufgrund der Umwidmung sehen wir diese Vorgabe nicht mehr vollumfänglich gewährleistet.
Auch die Lage zum Main wird aus abwassertechnischer Sicht äußerst kritisch bewertet, da der Regenüberlauf ab einem 100-jährlichen Hochwasserabfluss (HQ100) überstaut wird und somit verdünntes Abwasser unkontrolliert über das Grundstück abfließen kann. Da eine Hochwassersicherung für den Regenüberlauf nicht vorhanden ist, besteht folglich ein erhöhtes Gefährdungspotential für das Grundstück.
Des Weiteren beantragte die Gemeinde Himmelstadt eine wasserrechtliche Erlaubnis für die Einleitung von Abwasser aus diversen Mischwasserentlastungsanlagen inkl. des o.g. Regenüberlaufs in den Main. Im aktuell laufenden Wasserrechtsverfahren wurde dem Wasserwirtschaftsamt bisher kein hydraulischer Nachweis für den Regenüberlauf vorgelegt. Es ist daher nicht auszuschließen, dass sich zukünftig bauliche Änderungen am Regenüberlauf selbst oder an den Zuführungs- bzw. Entlastungskanälen ergeben.
Aus fachlicher Sicht kann daher der geplanten Umwidmung zunächst nicht zugestimmt werden.
2.3 Oberflächengewässer
Das geplante Vorhaben (Flur-Nr. 5769) befindet sich außerdem vollständig im festgesetzten Überschwemmungsgebiet des Mains, welches mit Rechtsverordnung vom 12.06.1998 durch das Landratsamt Main-Spessart veröffentlicht wurde.
Vor allem im westlichen Bereich des Grundstücks können nach der aktuellen zweidimensionalen Berechnung des Maines bei einem 100-jährlichen Hochwasserabfluss (HQ100) Wassertiefen bis zu 1,5 m auftreten. Die Fließgeschwindigkeiten auf dem überplanten Grundstück weisen Werte von kleiner 0,3 m/s auf („Retentionsbereich“).
Im Plan wurde nur die Hochwassergefahrenfläche für HQ 100, nicht jedoch die Grenze des festgesetzten Überschwemmungsgebietes dargestellt.
Vorschlag für Änderung des Plans:
Das festgesetzte Überschwemmungsgebiet ist im Plan nachrichtlich zu übernehmen.
Es gelten die Anforderungen des § 78 Abs. 3 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) an die Abwägung.
Der Plan sieht die Errichtung oder Erweiterung von baulichen Anlagen vor. In vorläufig gesicherten und festgesetzten Überschwemmungsgebieten ist die Errichtung oder Erweiterung baulicher Anlagen nach den §§ 30, 33, 34 und 35 des Baugesetzbuchs untersagt (§ 78 Abs. 4 Satz 1 WHG).
Eine Ausnahme von diesem Verbot nach §78(5) WHG setzt im Einzelfall unter anderem voraus, dass
- der Wasserstand und der Abfluss bei Hochwasser nicht nachteilig verändert werden und keine nachteiligen Auswirkungen auf Dritte hervorrufen,
- verlorengehender Rückhalteraum umfang-, funktions- und zeitgleich ausgeglichen wird,
- keine Beeinträchtigung eines bestehenden Hochwasserschutzes erwartet wird und
- Bauvorhaben hochwasserangepasst errichtet werden.
Vorschlag für Festsetzungen:
„Die Rohfußbodenoberkante des Erdgeschosses der Gebäude auf der Fläche mit der Flur-Nr. 5769 wird mind. 25 cm über HW100 und mind. 25 cm über Gelände festgesetzt.“
„In Wohngebäuden auf der Fläche mit der Flur-Nr. 5769 müssen sich Wohn- und Schlafräume über dem HW100-Wasserspiegel befinden.“
„Die Gebäudetechnik, insbesondere Heizungs-, Abwasser- und Elektroinstallation muss mind. an das HW100 angepasst sein.
Die wesentlichen Anlagenteile sind, soweit möglich, oberhalb der HW100-Kote zu errichten. Die Auftriebs- und Rückstausicherheit sowie die Dichtheit und Funktionsfähigkeit aller betroffenen Anlagen sind auch beim Bemessungshochwasser zu gewährleisten.“
Im Rahmen der Bauleitplanung sollten bereits die erforderlichen Nachweise geführt und die entsprechenden Maßnahmen aufgezeigt werden.
Im Plan sind des Weiteren „Flächen für Aufschüttungen zum Hochwasserschutz“ gekennzeichnet.
Nach § 78a WHG sind u.a. Aufschüttungen im festgesetzten Überschwemmungsgebiet untersagt.
Vorschlag für Hinweise im Plan:
„Es gelten die baulichen und sonstigen Schutzvorschriften für festgesetzte bzw. vorläufig gesicherte Überschwemmungsgebiete nach §§ 78, 78a Wasserhaushaltsgesetz (WHG) /sowie der Überschwemmungsgebietsverordnung/, die Regelung des § 78c WHG für Heizölverbraucher-anlagen sowie die Regelungen der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV).“
2.4 Schutz vor Starkniederschlägen
Es wird auch im Hinblick auf zunehmende Starkniederschläge empfohlen, alle Hausöffnungen (Kellerschächte, Hauseingänge, Tiefgarageneinfahrten, …) mindestens 25 cm erhöht über Gelände- und Straßenniveau sowie Keller (inkl. aller Öffnungen) als dichte Wanne vorzusehen.
2.5 Altlasten
Das Altlasten-, Bodenschutz- und Dateninformationssystem ABuDIS enthält für das Planungsgebiet keine Einträge.
Sollten altlastenverdächtige Flächen oder sonstige Bodenverunreinigungen vorgefunden werden, sind Erkundung und ggf. Sanierung mit dem Landratsamt Main-Spessart und dem Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg auf der Grundlage der Bodenschutzgesetze abzustimmen.
2.6 Vorsorgender Bodenschutz
Zum Bodenschutz enthalten die Unterlagen des Büros ARZ Ingenieure GmbH & Co.KG keine Angaben.
Bei der Planung des Bauvorhabens ist das Schutzgut Boden insbesondere als Lebensgrundlage und Ökosystem zu betrachten und zu berücksichtigen. Bodenfunktionen im Sinne des Bundesbodenschutzgesetzes sind weitestgehend zu erhalten.
Zur Bauleitplanung werden als Anlage die „Hinweise zur Bauleitplanung für das Schutzgut Boden - Vorsorgender Bodenschutz -“ zur Kenntnis gegeben.
3. Zusammenfassung
Die Überplanung des Gebiets mit der geänderten Nutzung kann aus wasserwirtschaftlicher Sicht grundsätzlich nicht empfohlen werden.
Der 1. Änderung des Bebauungsplans „Häuslesäcker“ stehen in der vorgelegten Form wichtige wasserwirtschaftliche Aspekte entgegen. Diese sind unter anderem:
- Das geplante Vorhaben befindet sich vollständig im festgesetzten Überschwemmungsgebiet des Mains
- Ein uneingeschränkter Zugang zum Regenüberlauf muss zur Gewährleistung von Betrieb und Unterhaltung zu jeder Zeit gegeben sein
- Der Regenüberlauf ist derzeit nicht hochwassersicher ausgebildet und hat zur Folge, dass verdünntes Abwasser ab einem 100-jährlichen Hochwasserabfluss unkontrolliert über die Grundstücksfläche abfließen kann
- Im Zuge des aktuell laufenden Wasserrechtsverfahrens können bauliche Änderungen am Regenüberlauf bzw. an dessen Zu- und Ablaufkanälen nicht ausgeschlossen werden (zur Überprüfung ist dem Wasserwirtschaftsamt ein hydraulischer Nachweis des Regenüberlaufs vorzulegen)
Das Landratsamt Main-Spessart (Wasserrecht) und das Planungsbüro erhalten je eine Kopie dieser Stellungnahme.
Anlage:
Hinweise zur Bauleitplanung für das Schutzgut Boden - Vorsorgender Bodenschutz