In der Sache wird auf die TA-Sitzung vom 14.05.2024, TOP 8, öffentlich Bezug genommen.
Der TA fasste seinerzeit folgenden einstimmigen Beschluss:
Der Technische Ausschuss hat Kenntnis vom Entwurf des Steuerungskonzeptes Windkraft des RPV München vom 11.03.2024.
- Der Ausweisung der Vorranggebiete auf dem Gebiet der Stadt Ebersberg wird zugestimmt.
- Das Vorranggebiet 06 (Ebersberger Forst) ist soweit zurückzunehmen, dass das Wasserschutzgebiet der Stadt Ebersberg nicht mehr betroffen ist.
Es dürfen höchstens 5 Windkraftanlagen errichtet werden.
- Die Stadt fordert keine Ausschlussgebiete festzusetzen.
Die Verwaltung wird beauftragt, die vorstehenden Ziffern als Stellungnahme im Verfahren gegenüber dem RPV abzugeben.
Die Stellungnahme der Stadt Ebersberg wurde dem RPV mit Schreiben vom 31.05.2024 übersandt.
In der Sitzung des Planungsausschusses vom 11.09.2024 wurden die vorgetragenen Stellungnahmen beraten und abgewogen.
Zum Vortrag der Stadt Ebersberg wurde seitens des RPV bzw. des Planungsausschusses wie folgt Stellung genommen:
Die Vorranggebiete im Ebersberger Forst sind im überarbeiteten Entwurf nochmals wesentlich reduziert worden und umfasst nur noch einen deutlich untergeordneten Teil der Forstfläche. Gemäß der höheren Wasserwirtschaftsbehörde (vgl. Stlgn.-Nr. 149) zeigt sich eine Vorranggebietsdarstellung mit dem wasserwirtschaftlichen Belangen im Überlagerungsbereich mit WSG-Zonen IIIB unter Bedingungen und Auflagen grundsätzlich vereinbar. Zu berücksichtigen ist, dass die Regionalplanung nur Flächen für die Windenergienutzung sichert, sie legt weder Zahl noch Standorte für Windenergieanlagen fest.
Im derzeitigen Entwurf sind keine Ausschlussgebiete für Windenergienutzung vorgesehen. Insofern bleibt die Möglichkeit zur Errichtung einer WEA im Rahmen einer kommunalen Bauleitplanung gewährleistet. (…)
Das Vorranggebiet im Ebersberger Forst (Nr. WE6a) umfasst eine Fläche von ca. 1.390 ha, während es im Vorentwurf noch deutlich größer war. Ein Teil des Vorranggebietes ist zu einem Vorbehaltsgebiet abgestuft worden.
Gründe für die Verkleinerung des Vorranggebietes waren die Belange des Trinkwasserschutzes. Allerdings ging der RPV auf Forderung der Stadt Ebersberg nicht ein, sämtliche Trinkwasserschutzzonen aus den Wind-Vorrangflächen auszunehmen.
Laut vorliegendem Entwurf liegt die Zone III b des städtischen Wasserschutzgebietes der Brunnen I und II im Vorranggebiet.
Die gleiche Forderung hat im Übrigen auch der Landkreis Ebersberg erhoben. Auch dieser Forderung wurde seitens des RPV nicht entsprochen.
Begründet wird dies lt. Abwägungstabelle des Planungsausschusses des RPV wie folgt:
„Hinweise und Forderung werden zur Kenntnis genommen. Die Regio-
nalplanung sichert nur Flächen für die Windenergienutzung, sie legt weder Zahl noch
Standorte für Windenergieanlagen fest. Die vom Kreistag genannten Kriterien fließen
in die Gesamtabwägung ein, sind aber mit Blick auf das überragende öffentliche Inte-
resse am Ausbau der erneuerbaren Energien gemäß § 2 EEG und dem Ziel zum Er-
reichen des regionalen Teilflächenziels gemäß LEP-Ziel 6.2.2 (bis Ende 2027 1,1 %
der Regionsfläche, bis Ende 2032 bayernweit 1,8 % der Landesfläche) nicht einzu-
halten. In dem überarbeiteten Entwurf ist das Vorranggebiet gegenüber der zur Ver-
fügung stehenden Suchfläche bereits massiv reduziert. Es wird Belangen zum Aus-
bau der Trinkwasserversorgung durch den neuen Brunnen als Redundanz der WV
Forst Nord und den Markt Markt Schwaben und der Waldklimastation als Messein-
richtung zur langfristigen Analyse des Waldzustands Rechnung getragen.
Die Konfliktsituation mit den Belangen der Trinkwasserversorgung wurde im überar-
beiteten Entwurf weitgehend ausgeräumt. Eine Überlagerung der Vorranggebietsflä-
che für Windenergienutzung mit bestehenden Wasserschutzgebieten ist ausschließ-
lich noch im Bereich der Zone III b des Wasserschutzgebietes Brunnen I und II für die
Stadt Ebersberg gegeben. Gemäß der höheren Wasserwirtschaftsbehörde ist dort ei-
ne Windenergienutzung unter Bedingungen und Auflagen grundsätzlich zu vereinbaren.“
Im Ergebnis beruft sich der RPV zur Überwindung der wasserwirtschaftlichen Bedenken des Landkreises und der Stadt auf § 2 Satz 1 EEG 2023, wonach die Errichtung und der Betrieb von Anlagen im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit dient. Weiterhin werden die Aussagen der höheren Wasserbehörde herangezogen, wonach Überlagerungen der Vorranggebietsdarstellung Wind mit den wasserwirtschaftlichen Belangen in der Schutzzone III unter Bedingungen und Auflagen grundsätzlich vereinbar seien.
Schließlich wird angeführt, dass mit einer Verkleinerung des Vorranggebietes der erforderliche Flächenbeitrag von 1,8 % der Landesfläche nicht mehr eingehalten werden könne.
Die Stadt vertritt die Auffassung, dass das Abwägungsergebnis so nicht haltbar ist. Die wasserwirtschaftlichen Belange werden nicht mit dem ihnen zukommenden Gewicht in der Abwägung berücksichtigt.
Die Stadt fordert daher erneut, dass die Vorranggebiete soweit zurückzunehmen sind, dass keine Überlagerungen mit Wasserschutzgebieten mehr bestehen.
Seitens der Stadt Ebersberg wird angeführt, dass das das WSG derzeit in der Überprüfung ist und Abweichungen hinsichtlich der künftigen Grenzziehungen zu erwarten sind. Deswegen besteht zum heutigen Stand keine genaue Kenntnis von den Ausmaßen möglicher Überlagerungsflächen des WSG und dem Vorranggebiet Wind.
Die vorliegenden Gutachten des Büros Crystal Geotechnik vom 10.04.2024 gehen in allen Schutzzonen (I-III) von einer sehr geringen bis geringen Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung aus. Die Empfindlichkeit des Schutzgebietes gegenüber anthropogenen Einträgen ist in diesem Bereich sehr groß.
Gerade aus diesem Grund plädiert auch das WWA Rosenheim für einen gesamte Herausnahme des WSG für Brunnen I und II der Stadt Ebersberg aus dem Vorranggebiet Wind. Dieser Forderung schließt sich die Stadt vollinhaltlich an.
Die Berufung auf § 2 Satz 1 EEG 2023 greift nach Auffassung der Stadt zu kurz und steht nicht im Einklang mit der Rechtsprechung (vgl. VGH München, Urt. vom 04.07.2024, Az. 22 A 23.40049).
Nach § 2 Satz 1 EEG 2023 liegen die Errichtung und der Betrieb von Anlagen im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit. Diese gesetzlichen Regelungen sind auch im Rahmen von Planverfahren und Abwägungsprozessen zu beachten. Die Vorschrift ist nach dem VGH (s. o.) so zu verstehen, dass sich bei den nach fachgesetzlichen Regelungen vorzunehmenden Schutzgüterabwägungen ein regelmäßiges Übergewicht der erneuerbaren Energien ergibt. § 2 Satz 2 EEG 2023 führt als Sollvorschrift aber nicht zu einem automatischen oder zwingenden Vorrang erneuerbarer Energien gegenüber anderen Belangen. Nach der Gesetzesbegründung soll das Interesse am Ausbau erneuerbarer Energien im Rahmen von Abwägungsentscheidungen u.a. gegenüber Wasserschutzgebieten nur in Ausnahmefällen überwunden werden können. Öffentliche Interessen können danach den erneuerbaren Energien als wesentlicher Teil des Klimaschutzgebotes nur dann entgegenstehen, wenn sie mit einem dem Art. 20a GG vergleichbaren verfassungsrechtlichen Rang gesetzlich verankert bzw. gesetzlich geschützt sind oder einen gleichwertigen Rang besitzen (BT-Drs. 20/1630, S. 159). Nach aktueller obergerichtlicher Rechtsprechung sind derartige atypische Ausnahmefälle, die das Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien überwinden können, fachlich anhand der besonderen Umstände der jeweiligen Situation zu begründen.
Vorliegend ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass Wasser zu den natürlichen Lebensgrundlagen im Sinne von Art. 20a GG gehört (vgl. nur Murswiek in Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 20a Rn. 30); der Trinkwasserschutz genießt mithin einen dem Klimaschutz vergleichbaren verfassungsrechtlichen Rang. Ein atypischer Ausnahmefall vom gesetzlichen Abwägungsvorrang des Interesses am Ausbau erneuerbarer Energien ist damit nach Ansicht der Stadt gegeben.
Vorliegend kann somit die Ausweisung des Vorranggebietes Wind nicht pauschal auf den gesetzlichen Vorrang der erneuerbaren Energien gestützt werden, da der gleichrangige Belang des Trinkwasserschutzes nicht bzw. zumindest nicht mit dem ihm zukommenden Gewicht berücksichtigt wurde. Die vorliegenden Gutachten sprechen von einer sehr geringen bis geringen Schutzwirkung des Oberbodens und von einer großen Empfindlichkeit gegenüber Einträgen. Diese Umstände werden auch durch die Fachbehörde (WWA Rosenheim) bestätigt. Warum diese Belange in der Abwägung keine Berücksichtigung finden, ist für die Stadt nicht nachvollziehbar.
Die Stadt hat zumindest erwartet, dass in dieser Fragestellung eine Alternativenprüfung stattfindet, wie sie auch im wasserrechtlichen Verfahren nach § 52 Abs. 1 Satz 2 WHG notwendig wäre. Dabei muss geprüft werden, ob es außerhalb des Wasserschutzgebietes zumutbare Alternativstandorte bzw. Alternativflächen für die Ausweisung von Vorranggebieten gibt, die die Schutzziele der WSG-Verordnung nicht beeinträchtigen. Die Möglichkeit wäre hierzu aufgrund der großen Flächen im Ebersberger Forst eindeutig gegeben.
Die Stadt geht daher davon aus, dass die Abwägungsentscheidung in diesem Teilbereich nicht korrekt vorgenommen wurde, da es einerseits keine ausreichende Alternativenprüfung hinsichtlich der Lage des Vorranggebietes vorgenommen wurde und andererseits die Belange des Trinkwasserschutzes, die sich aus den vorliegenden Gutachten und der fachbehördlichen Stellungnahme ergeben, nicht korrekt gewichtet wurden.
Mit einer vernünftigen Alternativenprüfung kann auch das Argument des RPV entkräftet werden, dass ohne die bestehende Flächenfestsetzung, einschl. des Bereichs innerhalb der WSG-Zone III, der Flächenbeitrag von 1,8% nicht mehr eingehalten werden könne. Ausweislich der Unterlagen aus der Planungsausschusssitzung beträgt die Gesamtfläche der Vorranggebiete 11.075 ha, was 2,01% der Regionsfläche entspricht. Das gesetzliche Ziel aus dem WinBG ist damit übererfüllt.
Der Flächenanteil des städtischen WSG der sich mit dem Vorranggebiet überlagert, beträgt 152,43 ha. Würde man diesen Bereich weglassen beträgt die Gesamtfläche noch 10.922,57 ha (= 1,98 % der Regionsfläche) und würde also weiterhin das gesetzlich erforderliche Ziel erfüllen. Bei einer entsprechenden Verschiebung der Flächen im Rahmen einer Alternativenprüfung entstünde kein Flächenverlust.
Insofern wurde auch hier nach Auffassung der Stadt die Abwägung nicht korrekt vorgenommen.
Die Stadt sieht insoweit auch eine Ungleichbehandlung, da im Ebersberger Forst anderen WSG vollständig von den Gebietsausweisungen ausgenommen wurden, während das WSG der Stadt Ebersberg mit seiner Schutzzone III B im Vorranggebiet verbleiben soll. Es wäre auch für die Bürgerinnen und Bürger schwer vermittelbar, welche Gründe für eine unterschiedliche Behandlung der Wasserschutzgebiete sprechen sollen.