In der Sache wird Bezug genommen auf die Sitzung des Technischen Ausschusses vom 08.10.2019, TOP 4, öffentlich. Dem Bauvorhaben wegen Nutzungsänderung einer Ladenfläche in ein Wettbüro auf dem Grundstück FlNr. 153, Gemarkung Ebersberg, Ulrichstr. 4a wurde das gemeindliche Einvernehmen verweigert. Der Vertreter der Antragstellerin geht in seinem umfangreichen Schriftsatz vom 07.10.2019 (vermutlich muss es 07.11.2019 heißen) von der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens aus.
In dem im Betreff genannten Gebiet, in dem das Vorhaben geplant ist, herrscht eine überwiegend gemischte Nutzung vor. Für den Bereich existiert kein Bebauungsplan. Das Gebiet ist somit dem Innenbereich nach § 34 BauGB zuzuordnen. Nach der aktuellen Nutzung ist dieses Gebiet als faktisches Mischgebiet (MI § 6 BauNVO) einzustufen.
Unmittelbar nordöstlich der Eberhardstraße, auf dem Gebiet des Hölzerbräugeländes und des Feuerwehrareals sollen im Rahmen eines städtebaulichen Wettbewerbs die zulässigen Nutzungen städtebaulich neu geordnet werden.
Im Zuge dieser Neuordnung ist es von städtebaulicher Bedeutung auch den vorgenannten Bereich in seiner planungsrechtlichen und städtebaulichen Funktion zu sichern und fortzuentwickeln. Dabei soll die vorhandene gemischte Nutzung aus Wohnen, Gewerbe (Ladengeschäfte, Büronutzung), kulturelle Einrichtungen usw. erhalten werden und Möglichkeiten eröffnet werden, diese Nutzungen fortzuentwickeln. Hierzu gibt das ISEK der Stadt Ebersberg wichtige Anregungen. Das Planungsgebiet liegt innerhalb des zentralen Versorgungsbereichs „Innenstadt“. Dieser Bereich soll durch planerische Maßnahmen in seiner Funktionalität durch eine Innenentwicklung insbesondere im Bereich der Nutzungs- und Aufenthaltsqualitäten sowie durch eine darauf abgestimmte gesamtstädtische Politik weiter gestärkt werden. Die in Aussicht genommen Nutzung eines Wettbüros passt nicht in die Planungskonzeption der Stadt in diesem Bereich und steht in Widerspruch zur Stärkung und Fortentwicklung des zentralen Versorgungsbereichs, da die in Anspruch genommenen Flächen für den Einzelhandel bzw. für den Dienstleistungssektor dann nicht mehr zur Verfügung stehen. Insbesondere vor dem Hintergrund der städtebaulichen Entwicklung auf dem Hölzerbräugelände unmittelbar gegenüber, ist eine Stärkung und Fortentwicklung gerade der verbrauchernahen Grundversorgung sehr wichtig, da auf dem Gelände ca. 90 Wohneinheiten entstehen soll. Planungsziel ist hier u. a. ein Konzept der Stadt der kurzen Wege. Dies bedeutet, dass auf vorhandene Einzelhandels-, Dienstleistungs- und Nahversorgungsflächen nicht zugunsten anderer Nutzungen verzichtet werden kann.
Das angestrebte Wettbüro stellt nach Auffassung der Stadt eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte dar. Die Nutzungsbeschreibung, und daran ändert sich auch nichts aufgrund des Schriftsatzes des Rechtsanwaltes der Antragstellerin, erfüllt nicht den Charakter eines Ladengeschäftes (wie z.B. eine bloße Wettannahmestelle, vergleichbar einer Lotto-/Totoannahmestelle), welche nach der Art der Nutzung in einem Mischgebiet nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO zulässig wäre. Ein Sportwettbüro, wie vom Antragsteller beabsichtigt, ist als eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte anzusehen und in einem Mischgebiet allenfalls ausnahmsweise zulässig, wenn ihre Ausgestaltung über diejenige einer bloßen Wettannahmestelle hinausgeht (vgl. Jäde-Dirnberger-Weiss BauNVO, Rn. 19 zu § 4a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO). Ein Wettbüro oder eine Wettannahmestelle ist als Vergnügungsstätte zu werten, wenn die Kunden durch die konkrete Ausgestaltung der Räumlichkeiten animiert werden, sich dort länger aufzuhalten und in geselligem Zusammensein Wetten abzuschließen (VG München, Urteil vom 18.07.2016 – M 8 K 15.1211). Insbesondere durch das Anbringen von Bildschirmen, auf denen die Wettangebote bzw. Wettergebnisse live mitverfolgt werden können, lässt im Regelfall den Tatbestand einer Vergnügungsstätte als erfüllt ansehen. Ebenfalls für den Verweilcharakter spricht, das Bereitstellen von Sitzmöglichkeiten und Getränken. Wettbüros sind in dieser Ausgestaltung regelmäßig als kerngebietstypische Vergnügungsstätten (zulässig in Kerngebieten gem. § 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO) anzusehen und nicht als Ladengeschäft oder sonstiger Gewerbebetrieb (OVG HH, Urt. Vom 08.06.2016 – 2 E 6/15 N BauR 2016, 2038, 2041; HessVGH, Beschl. Vom 25.08.2008 – 3ZU 454/08). So liegt der Fall hier, wie es auch im Schriftsatz des Rechtsanwaltes vom 07.10.2019 beschrieben wird.
Kerngebietstypische Vergnügungsstätten dieser Art sind, wie bereits oben ausgeführt, im Mischgebiet gemäß § 6 Abs. 3 BauNVO allgemein nicht, allenfalls ausnahmsweise zulässig. Ob eine solche Ausnahme zulässig ist, muss einer wertenden Gesamtbetrachtung unter Einbeziehung aller gebietsprägenden Faktoren unterzogen werden. In diesem Teil des Mischgebietes überwiegt nach einer örtlichen Erhebung der Verwaltung die Wohnnutzung. Der Bereich westlich der Eberhardstraße, nördlich der Ulrichstraße, südlich der Pfr.-Bauer-Straße sowie östlich der Kindertagesstätte St. Sebastian ist zum überwiegenden Teil von Wohnnutzung geprägt. Die gewerbliche Nutzung beschränkt sich in diesem Gebiet ausschließlich auf die Erdgeschosse der Anwesen Ulrichstraße 4a, und Ulrichstraße 2, alle anderen Nutzungseinheiten werden als Wohnung genutzt. Auch auf der gegenüberliegenden Straßenseite der Ulrichstraße sind die gewerblichen Nutzungen auf die jeweiligen Erdgeschosse beschränkt. In den darüber liegenden Geschossen ist vorwiegend Wohnnutzung vorzufinden.
Die vorhandenen Nutzungen sind geprägt von typisch innerstädtischen Einzelhandels-, Handwerks- und hochwertigen Dienstleitungsanbietern (Raumausstattung, Bekleidung, Immobilienmakler, Spielwaren, Versicherungsleistungen, Ärzte, Presse, etc). In den Obergeschossen darüber finden sich vorwiegend Wohnnutzungen. Unmittelbar nordwestlich des geplanten Vorhabens liegt die Kindertagesstätte St. Sebastian sowie dem Vorhaben gegenüber, das „Alte Kino“, das eine weit über Ebersberg hinaus bedeutende und wichtige kulturelle Einrichtung der Kabarett- und Kleinkunstszene ist. Bauplanungsrechtlich ist diese Einrichtung als Anlage für kulturelle Zwecke einzuordnen (vgl. Decker in Jäde/Dirnberger, BauNVO, RdNr. 17 zu § 4a BauNVO).
Das geplante Vorhaben würde eine Entwicklung in Gang setzen, die eine nachhaltige Veränderung des Gebietscharakters zu Folge hätte (sog. „Trading-Down-Effekt“). Durch die Ansiedlung eines Wettbüros ist durch die Verdrängung bzw. durch den Rückgang von traditionellen Einzelhandels- und Dienstleistungsbetrieben ein Qualitätsverlust der Angebots- und Nutzungsvielfalt zu befürchten. Die Beeinträchtigungen müssen dabei nicht bereits eingetreten oder konkret zu befürchten sein. Es ist gerade die Aufgabe der Bauleitplanung, vorsorgend die städtebauliche Entwicklung so zu regeln, dass ein Entstehen von Beeinträchtigungen von vorne herein gerade vermieden wird. Somit ist es aus Sicht der Stadt ausreichend, dass Anhaltspunkte vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass ein Trading-Down-Effekt durch das Zulassen eines Wettbüros in diesem Gebiet entstehen könne. Diese Anhaltspunkte wurden bereits oben dargestellt. (Weiterhin liegen Sie in der Konkurrenzsituation zwischen Betrieben mit typischerweise geringem Investitionsbedarf und vergleichsweiser hoher Ertragsstärke (z. B. Spielhallen oder Wettbüros) – und „normalen“ Betrieben mit deutlich höherem Investitionsbedarf und geringerer Ertragsstärke. Diese Situation entspricht einem allgemeinen städtebaulichen Erfahrungssatz. Denn der Wettbewerb um Immobilien zwischen Konkurrenten mit unterschiedlicher wirtschaftlicher Potenz führt tendenziell zu einer Erhöhung der Grundstücks- und Mietpreise und damit zur Verdrängung von Branchen mit schwächerer Finanzkraft.)
Zur Sicherung der vorstehend beschriebenen Planungsziele soll für das Gebiet ein Bebauungsplan aufgestellt werden. Es soll ein Mischgebiet festgesetzt werden, damit keine der bisher vorhandenen Nutzungen ein zu großes Gewicht erlangt, gerade im Hinblick auf die beabsichtigte Wohnentwicklung auf dem Hölzerbräu- / und Feuerwehrareal.
Gebietsunverträgliche Nutzungen, wie insbesondere kerngebietstypische Vergnügungsstätten, sollen gemäß § 9 Abs. 2 b) BauGB ausgeschlossen werden um in dem Gebiet einen sog. „Trading-Down-Effekt“ zu vermeiden.
Weiterhin sollen Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung (Grund- und Geschossflächen und Höhenentwicklung) getroffen werden. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund der Entwicklung auf dem Hölzerbräugelände von Bedeutung, da hier entlang der Eberhardstraße eine neue Raumkante entstehen wird und die gegenüberliegende Bebauung im Bereich der Ulrichstraße dieser Entwicklung angepasst werden soll.
Das Verfahren kann gemäß § 13a BauGB im beschleunigten Verfahren ohne Durchführung einer Umweltprüfung nach § 2 Abs. 4 BauGB und ohne Umweltbericht nach § 2a BauGB durchgeführt werden.