Sanierung der Alatseestraße im Bereich des Gipsbruchweihers; Vorstellung der derzeitigen Planungsalternativen und weiteres Vorgehen


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Stadtrates, 30.06.2020

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Stadtrat Sitzung des Stadtrates 30.06.2020 ö beschliessend 2

Sachverhalt

Anfang Februar 2020 ist es an der Alatseestraße zwischen Bad Faulenbach und dem Alatsee auf Höhe des sog. „Gipsbruchweihers“ zu einem Böschungsbruch gekommen. Das Schadensbild stellt sich so dar, dass direkt am Asphaltrand der Alatseestraße auf eine Länge von ca. 30 m der Boden aufgerissen ist. Die Böschung ist insgesamt in Richtung Gipsbruchweiher in Bewegung. Der Riss ist ca. 80 cm bis 1,20 m tief, der Bankettbereich um ca. 40 cm abgesunken. Seither ist diese Verbindungsstraße dort für den Pkw-Verkehr komplett gesperrt.

Vorübergehend ist der Bereich für den Rad- und Fußgängerverkehr freigegeben. Ein KFZ-Verkehr ist von Faulenbach Richtung Ober- und Mittersee seither nicht möglich.

Der betroffene Straßenbereich befindet sich in einem umweltschutzfachlich sehr sensiblen Bereich: Natura 2000 – Gebiet, Vogelschutzgebiet, Landschaftsschutzgebiet, FFH-Gebiet (Flora-, Fauna-, Habitatgebiet). Zudem ist der Gipsbruchweiher als „Alpenbiotop“ ausgewiesen. Insofern werden bei der Sanierungsplanung auch die betroffenen Fachstellen, vor allem die Untere Naturschutzbehörde und das Wasserwirtschaftsamt, ein gehöriges Wörtchen mitreden. Zudem ist die Baulärmverordnung der Stadt Füssen zu beachten, weil der Baustellenverkehr zwangsläufig durch den Ortsteil Bad Faulenbach laufen wird.

Zur Vorbereitung der weiteren Maßnahmen wurden weitere Untersuchungen (Bodenuntersuchung, Bestandsvermessung des Geländes, Echolotvermessung des Gipsbruchweihers usw.) veranlasst. Diese Untersuchungen bzw. besser gesagt deren Ergebnisse liegen nun vor und sind Voraussetzungen für eine Sanierungsplanung. Mit den Ingenieurleistungen für die Verkehrsanlagen wurde vom Stadtrat in der Sitzung am 26. Mai 2020 nach vorausgegangener Angebotsanfrage das Ingenieurbüro MOD-Plan aus Marktoberdorf beauftragt.

Auch fand zwischenzeitlich ein Ortstermin mit der Unteren Naturschutzbehörde statt. Es sollten nun verschiedene Varianten z. B. Straßenverlegung, Böschungssicherung oder Kombination untersucht werden um hier auch für einen Abwägungsprozess die Vor- und Nachteile aufzuzeigen. Für die weitere Sanierungsplanung wird dann noch eine Umwelt- bzw. FFH-Verträglichkeitsprüfung aufgrund der Lage im Natura 2000 – Gebiet erforderlich sein.

Im Rahmen der Beratung wird das beauftragte Ingenieurbüro die untersuchten Alternativen der Verkehrsplanung vorstellen und erläutern und – soweit schon möglich – auch Kostenschätzungen vorlegen.

Eine ins Spiel gebrachte Variante, nämlich eine Bohrpfahlgründung auf der bestehenden Trasse, scheidet wohl aus, da hierzu der Untergrund nicht entsprechend tragfähig ist. Denn die für die  Sanierungsarbeiten notwendige Zufahrtsmöglichkeiten über die Morissestraße und auch speziell das Eck in die Alatseestraße (Dachüberstand Hausnr. 5) ist für den Transport eines Großgeräts extrem beengt. Eventuell müsste hier ein Gerät vorher abgeladen und auf den Baggerketten mit entsprechenden Schutzmaßnahmen selber zur Baustelle fahren. Im weiteren Verlauf ist auf der rechten Seite die Böschung zum ersten See extrem übersteilt, sodass auch hier Sonderbetrachtungen gemacht werden müssten, bevor eine größere Belastung aufgebracht wird.

An der Baumaßnahme selbst wurden mittlerweile zusätzliche Standsicherheitsbetrachtungen durchgeführt. Die Berechnungen wurden an einem Schnitt am Untersuchungspunkt DPH-1  durchgeführt. Für den Istzustand ist eine Überlastung von 96% nachgewiesen, sodass die in diesem Bereich noch nicht gerutschte Böschung als höchst empfindlich anzusehen ist. Jegliche Erschütterungen im Zuge der Sanierungsmaßnahmen und Zusatzbelastungen sollten vermieden werden. Nach Rücksprache wurden zwei weitere Bauzustände mit Verkehrslasten für ein größeres (33 KN/m²) bzw. kleines Gerät (10 KN/m²) berechnet. Auch bei diesen Berechnungen ergeben sich Überlastungen von 58 bzw. 54 % und damit bei Weitem keine standsichere Situation.

Das beauftragte Büro sieht deshalb ein erhebliches Risikopotential schweres Gerät auf die offensichtlich labilen Schichten für die Ausführung von Sanierungsarbeiten zu stellen. Um dies zu ermöglichen, müsste man über Vorabzusatzmaßnahmen der Bodenverbesserung nachdenken, die sukzessive immer von einem bereits gesicherten / verbesserten Standbereich nach vorne ergänzt werden. Vermutlich werden diese Vorabmaßnahmen einen längeren Zeitraum und auch recht hohe Kosten erfordern.

Es stellt sich deshalb die Frage, ob es unter diesen Randbedingungen überhaupt noch einen Sinn macht, eine exemplarische Bohrpfahlgründung zu bemessen und dafür eventuell erforderliche weitere Unterlagen anzufordern, wenn ja gleichzeitig bereits auch Berechnungen vorliegen, die bei einer verlegten Straße ausreichende Sicherheitsreserven nachweisen.

Vor diesem baufachlichen Hintergrund wurden vom Ingenieurbüro MOD-Plan nun drei Varianten entwickelt, deren Verlauf jeweils nördlich der bestehenden Trasse verläuft:

Variante 1:


Greift weit nach Norden in den gewachsenen Hangbereich ein. Rodung des gesamten Hangbereiches wird notwendig. Trasse führt durch wertvolle Krautschichtbereiche. Die geplante Alatseestraße verläuft in unmittelbarer Nähe zur Mineralquelle,  nahezu höhengleich, sodass diese zwar erhalten werden kann, aber durch die Breite der neuen Straße und die dort zu erwartetende Frequenz an Rad- und Fußgängern das parkartige Umfeld des Mineralbrunnens beeinträchtigt wird. Die als Spazierwege gebauten Verbindungen zur Mineralquelle entfallen dadurch gänzlich. Das Steigungsverhältnis der neuen Trasse Alatseestraße ist nicht barrierefrei. Die Trasse weist die größten Steigungsverhältnisse auf (Auswirkung auch auf Radfahrer beachten). Der Mineralbrunnen war bisher von Westen her barrierefrei erreichbar, das ist in Variante 1 nicht mehr gegeben. Der Pumpenschacht kann voraussichtlich erhalten bleiben, die Zuleitungen müssen allerdings auch neu verlegt werden.

Voraussichtliche Kosten: 250.000 € netto, ohne Baunebenkosten

Variante 2:

Reicht nicht bis zur bestehenden Parkanlage am Mineralbrunnen, diese kann somit einschl. der Zuwege erhalten bleiben. Der naturschutzfachliche Eingriff in den Hangbereich ist ebenfalls gegeben, er reicht jedoch nicht ganz so weit nach Norden. Der Pumpenschacht muss verlegt werden (Wiederverwendung bestehendes Schachtbauwerk scheint möglich). Die Barrierefreiheit ist gegeben. Der Abtrag ist allerdings größer wie in Variante 1, es sollte ggf. geprüft werden, ob die Abtragsmasse durch das Verschieben der westlichen Trasse nach Norden noch etwas minimiert werden kann. Aus Sicht des Eingriffs in die bestehende Park-Anlage stellt Variante 2 die verträglichste Lösung dar.

Durch das starke Absenken der Trasse ist die Höhendifferenz zum Gipsbruchweiher und zum Gipsloch am geringsten und entschärft dadurch die Höhensituation Straße/Gewässer!

Voraussichtliche Kosten: 530.000 € netto, ohne Baunebenkosten

Variante 3:

Greift großflächig in den gewachsenen Hang ein und zieht den größten Eingriff nach sich. Die bestehende Parkanlage Mineralbrunnen wird stark beeinträchtigt, auch der nordöstliche Teil der bestehenden Parkanlage entfällt dadurch (Wegeverbindung entlang Gipsbruchweiher).

Voraussichtliche Kosten: 326.000 € netto, ohne Baunebenkosten

Die einzelnen Trassen wurden vom Büro MOD-Plan im Rahmen der Beratung vorgestellt und entsprechende Fragen dazu beantwortet.

Ergänzend zu den drei Varianten wurde auch noch der Vorschlag eines „Brückenbauwerks“ über den Grundbruch erläutert. Diese Variante wurde aber angesichts der dafür zu erwartenden knapp 5 Millionen Euro nicht weiter vertieft.

Abschließend wird noch darauf hingewiesen, dass bezüglich der wirtschaftlichsten Variante nicht nur die tatsächlichen Baukosten, sondern auch die Kosten der notwendig werdenden naturschutzfachlichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen einerseits und evtl. Auswirkungen auf gewährte Förderungen (bis hin zur – teilweisen – Rückzahlung der Fördermittel) für das Kneippguss-Areal zu berücksichtigen sind.

Beschlussvorschlag

Die vorgestellte Entwurfsplanung des Ingenieurbüros MOD-Plan wird zur Kenntnis genommen und gebilligt. Die Verwaltung wird beauftragt, mit den Naturschutzbehörden diejenige Variante zu ermitteln und weiter zu verfolgen, die in diesem naturschutzfachlich sensiblen Bereich am ehesten verträglich und realisierbar ist. Die Verwaltung wird dazu auch ermächtigt und beauftragt, die notwendigen weiteren Untersuchungen und Planungen zu beauftragen (z.B. Ersatz- und Ausgleichsflächen, Verträglichkeitsuntersuchungen, ingenieurtechnische Ausführungsplanungen usw.).

Diskussionsverlauf

Ilona Deckwerth schlägt vor, Betonfundamente in den Untergrund zu verankern um die nötige Festigkeit zu erzielen. Dann könnte die Straße so bleiben wie sie ist. Bürgermeister Maximilian Eichstetter antwortet, dass diese Variante schon untersucht wurde und technisch nicht realisierbar ist. Er verwies auf die Sitzungsvorlage, in der das Problem ausführlich erläutert ist.

Dr. Martin Metzger wollte wissen, ob die Tragfähigkeit der Straße über den schadhaften Bereich hinaus untersucht wurde. Er fragte, ob es möglich sei, die Straße für die großen fortwirtschaftlichen Fahrzeuge zu sperren. Maximilian Eichstetter weist darauf hin, dass die Straße jederzeit auch an einer anderen Stelle abrutschen könne. Es bestehe keinerlei Garantie, dass diese nach der Instandsetzung nicht wieder abrutscht. Genauso wie im Übrigen das gesamte Gebiet.

Herr Emek führt aus, dass es sicher auf eine Variante 4, eine Mischung aus Variante 1 und 2 geben.

Thomas Scheibel erinnert daran, dass a uch noch die Orchideen und Schmetterlinge umgesiedelt werden müssen. Innerhalb 5 – 6 Monaten sollte hierzu ein entsprechendes Gutachten vorliegen, so der Vorsitzende.

Bürgermeister Maximilian Eichstetter fasste zusammen, dass aus seiner Sicht wohl eine Kombination aus den Varianten 1 und 2 die sinnvollste wäre, dass nun aber erst einmal alle Varianten mit der Unteren Naturschutzbehörde besprochen werden sollten.

Beschluss

Die vorgestellte Entwurfsplanung des Ingenieurbüros MOD-Plan wird zur Kenntnis genommen und gebilligt. Die Verwaltung wird beauftragt, mit den Naturschutzbehörden diejenige Variante zu ermitteln und weiter zu verfolgen, die in diesem naturschutzfachlich sensiblen Bereich am ehesten verträglich und realisierbar ist. Die Verwaltung wird dazu auch ermächtigt und beauftragt, die notwendigen weiteren Untersuchungen und Planungen zu beauftragen (z.B. Ersatz- und Ausgleichsflächen, Verträglichkeitsuntersuchungen, ingenieurtechnische Ausführungsplanungen usw.).

Abstimmungsergebnis
Dafür: 24, Dagegen: 0

Datenstand vom 04.08.2020 07:38 Uhr