Vorstellung der Vorstudie zur Machbarkeit einer gebietszentralen Wärmeversorgung Beratung und Beschlussfassung über die weitere Vorgehensweise


Daten angezeigt aus Sitzung:  0241. Sitzung des Stadtrates, 23.04.2024

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Stadtrat 0241. Sitzung des Stadtrates 23.04.2024 ö beschliessend 5

Sachverhalt

Im Zuge der Entwicklung des Baugebiet „Oberkirch 4 - Pitzfeld Ost“ in Weißensee wurde im Interesse des Umwelt- und Klimaschutzes eine Vorstudie zur Machbarkeit einer gebietszentralen Nahwärmeversorgung für das gesamte Neubaugebiet beauftragt. Die Vorstudie soll aufzeigen, wie eine Umsetzung eines Wärmenetzes technisch als auch wirtschaftlich realisiert werden könnte, mit dem Ziel einer möglichst CO2-neutralen Wärmeversorgung. Innerhalb der Studie wurden verschiedene Konzepte zur sicheren und umweltschonenden Wärmeversorgung betrachtet und hinsichtlich ihrer Effektivität, Klimaverträglichkeit und Kosten bewertet. Das zentrale Ziel lag darin, möglichst umfangreiche Optionen und Konzepte zu betrachten und eine engere Auswahl an konkreten Versorgungskonzepten für eine ggf. folgende Machbarkeitsstudie zu erhalten.

Die Erkenntnisse, die durch die Variantenuntersuchung innerhalb der Vorstudie gewonnen wurden, werden in der heutigen Sitzung durch Herrn Dipl. Ing. Klaus-Peter Dietmayer, der mit der Ausarbeitung der Vorstudie beauftragt wurde, vorgestellt und erläutert.

Ergebnis der Vorstudie
Im Rahmen der Vorstudie wurden in Anbetracht ökologischer sowie ökonomischer Aspekte zunächst unterschiedlichste Szenarien betrachtet. Als Versorgungslösungen wurden dabei u. a. folgende Varianten, alternativ zum fossilen Erdgas, untersucht:

V1; dezentrale Wärmeerzeugung via Luft/Wasser-Wärmepumpen
Wärmepumpen die der Außenluft Wärme entziehen haben aus Kostengründen und wegen der vergleichsweisen zumeist unkomplizierten Installation gegenwärtig einen großen Marktanteil.
Bei der dezentralen Variante mit Luft-/Wasser-Wärmepumpen bleibt die Wärmeversorgung im Grunde den Bauherren überlassen und die Stadt hat nur geringen Einfluss auf die Umsetzung (über planerische Festsetzungen). 

V2; zentrale Wärmeerzeugung mit einem Biomassekessel (Holzpellets)
Ein Nahwärmenetz auf Basis von Biomasse auf Grundlage von Holzpellets ist möglich, durch den Pelletkessel können im Jahresgang zukünftig Verbräuche für Wärme und Warmwasser regenerativ über Biomasse gedeckt werden.

V3; kaltes Nahwärmenetz
Die Variante kalte Nahwärme wurde nicht weiter betrachtet, da sie aufgrund der geologischen Rahmenbedingungen nicht umsetzbar ist.

V4; Blockheizkraftwerk
Anlagen zur gleichzeitigen Erzeugung von Strom und Wärme bspw. aus Holzverbrennung sind
insbesondere im niedrigen Leistungsbereich unter 1.000 kW bisher deutlich von der Wirtschaft-
lichkeit und einer Betriebssicherheit für den automatischen Betrieb entfernt. Deshalb wurde diese
Lösung, obwohl energetisch interessant, hier nicht in den Variantenvergleich einbezogen.



Variantenvergleich
Grundlage der Betrachtung bildete eine Wärmeverbrauchsanalyse des Neubaugebietes und der darauf beruhenden Bewertung der technischen Konzepte. Für die Varianten wurde ebenfalls eine Energie- sowie CO2eq-Emissionsbilanz erstellt. Im Anschluss daran wurde eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung durchgeführt, wobei aktuelle Förderprogramme in den Untersuchungsgegenstand einbezogen wurden.

Fazit
Momentan ist die Thematik aufgrund der breiten Klimawandeldiskussion einer großen Dynamik unterworfen. Daraus resultierend sind die wirtschaftlichen Rahmendaten sehr schwer verbindlich für die Zukunft ein- und abzuschätzen. In Hinblick auf den Einsatz von regenativen Energien ist die Installation einer Pelletheizung eine ökologisch sinnvolle Alternative. Die endgültige Festlegung des Energiekonzeptes richtet sich also nach dem Schwerpunkt der Zielsetzung. Die Kenntnisse, was getan werden kann, liegen auf Grundlage der Vorstudie vor, die organisatorischen Strukturen, die die Stadt bei ihren Klimaschutzvorhaben unterstützen sollen, sind somit geschaffen.

Empfehlungen zur Wärmeversorgung
Die betrachteten Varianten 1 (Wärmepumpe) und 2 (Pellets) für die Wärmeversorgung des Neubaugebietes liegen in ihrer Wirtschaftlichkeit nahe zusammen und sind im Rahmen der Genauigkeit der Studie und unter Berücksichtigung einer Förderung als in etwa gleichwertig zu bewerten.
Die mittleren jährlichen Kosten unterscheiden sich nur gering. Die Nutzung von Pellets gilt als klimafreundlich, da sie bei uns als nahezu CO2-frei eingestuft wird. In Summe kann daher die Variante Nahwärmeversorgung mit Biomasse auf Grundlage von Holzpellets empfohlen werden. 
Aber: Moderne Pelletkessel haben zwar im Vergleich zu den „älteren“ Holzfeuerungsanlagen einen geringen Schadstoffausstoß, aufgrund des Brennstoffes Holz erhöhen sich die Emissionen bei den Feinstäuben, Stickoxiden und Schwefeldioxid dennoch. Obwohl Holz ein nachwachsender Rohstoff ist, lässt sich auch dieser nicht grenzenlos nutzen. Hinsichtlich der Aspekte, ob die Holzverbrennung als Co2-neutral einzuschätzen ist und Holz für Heizen sinnvoll ist, unterscheiden sich die einzelnen Beurteilungen. Durch den Einbau eines Feinstaubfilters könnte die Feinstaubemissionen weitestgehend gesenkt werden, werden zudem die Holzpellets aus regional anfallenden Nebenprodukten der Holzwirtschaft hergestellt und stammen aus der Region, stellt sich die Variante als durchaus gute Lösung dar.

Anmerkung LuftWP
Für den Fall, dass im geplanten Neubaugebiet die Energieversorgung der meisten Gebäude mit LuftWP erfolgt, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Geräuschkulisse der Vielzahl an Ventilatoren für die Wärmepumpen zu Akzeptanzproblemen führt, insbesondere im Bereich der dichten Bebauung. Zudem muss gerade bei Dunkelflauten ein Großteil des Strombedarfs bis auf weiteres mittels fossiler Kraftwerke erzeugt werden, dieser Umstand verschlechtert somit kausal die CO2 - Bilanz von mit Strom betriebenen Heizsystemen, insbesondere bei elektrischer Direktheizung, auf die LuftWP unter solcher Bedingung und bei sehr niedrigen Außentemperaturen häufiger umschalten müssen.

Heizzentrale
Im Vergleich Holzheizung gegen Wärmepumpe spielt allerdings auch die Verortung der Heizzentrale und Lagerfläche für die Energieträger eine wichtige Rolle. Dies könnte bei einer Energieerzeugung als Zentral-Pelletheizung für Heizung und Warmwasser bspw. im Bereich eins Mehrfamilienhauses durch Erweiterung der Tiefgarage im Untergeschoss realisiert werden. Durch geeignete Schalldämmmaßnahmen lässt sich auch die Lärmemissionen stark reduzieren. Nach Feststellung der Eignung und Genehmigungsfähigkeit muss die Verfügbarkeit vertraglich abgesichert und ggf. ein Genehmigungsverfahren eingeleitet werden.





Betreibermodell
Vorausgesetzt der Stadtrat fasst den Grundsatzbeschluss ein Nahwärmenetz aufzubauen, stellt sich die interessante Frage, wer das Nahwärmenetz zukünftig betreibt?
Für die Realisierung eines Nahwärmekonzepts gilt es als nächsten Schritt einen Betreiber zu finden. Dabei gibt es eine Vielfalt von Möglichkeiten, deren Vor- und Nachteile es individuell abzuwägen gilt.

Mögliche Wärmenetzbetreiber:

  1. Eine Gesellschaft mit kommunaler Beteiligung
    ... z.B. wie das zukünftige Kommunalunternehmen Stadtwerke Füssen oder eine GmbH mit kommunaler Mehrheitsbeteiligung.

  1. Eine Energiegenossenschaft, Bürgergenossenschaft
    ... an der die Kommune ggf. Anteile gezeichnet hat, z.B. bestehende Genossenschaft, Unternehmen, Privatperson

  1. Eine privatwirtschaftliche Lösung
    ... z.B. mit einem externer Energieversorger oder Dienstleister (Contractor); ewr, Biomassehof Allgäu o. dgl.

Die Auswahl eines geeigneten Betreibermodells ist von den Akteuren und von der jeweiligen Struktur vor Ort abhängig. Generell ist es jedoch von Vorteil, wenn der Betreiber eines Nahwärmeprojektes bereits früh bekannt ist, da weitere Planungsschritte sehr stark davon abhängen.
Aufgrund der Komplexität der energietechnischen, regulatorischen und energiewirtschaftlichen Gegebenheiten, wie im geplanten Neubaugebiet in Weißensee bietet sich ein Betreibermodell durch das zukünftige Kommunalunternehmen der Stadtwerke Füssen für das gesamte Wohngebiet an.

Betreiberbeteiligung
Wenn es bei einer Sitzung gewünscht wird, stellt sich die Biomasse Allgäu gemeinsam mit der Südwärme AG als mögliches Energieversorgungsunternehmen gerne dem Stadtrat vor und erläutert u. a. die Themenbereiche; Contracting-Modelle, Öko-Energiekonzepte, Beteiligungsstrukturen usw.

Förderung
Für die Erstellung dieser Studie wurde im Vorfeld kein Förderantrag gestellt. Da als Voraussetzung für die eigentliche Machbarkeitsstudie die Umsetzung des Bausteins der Vorstudie notwendig ist, um eine realistische Grundlage zu erhalten.

Für Wärmenetze besteht generell eine Fördermöglichkeit durch die Bundesförderung effiziente Wärmenetze (BEW). Diese müsste in einem ersten Schritt beantragt werden und auf dieser Basis könnte eine weiterführende Machbarkeitsstudie beauftragt werden. 

Aufgrund der Förderkulisse ist es evtl. wirtschaftlich sinnvoll, dass ein Betreiber das Nahwärme-netz selbst betreibt und die Wärmelieferung mit den Abnehmern abrechnet.

Weiteres Vorgehen
Die Erkenntnisse, die durch das Wärmeversorgungskonzept gewonnen wurden, können darüber hinaus auch für andere Quartiere genutzt werden. Im konkreten Einzelfall bedarf es dazu jeweils vertiefter Betrachtungen in Form einer weiterführenden Machbarkeitsstudie.

Angesichts der immens großen Herausforderungen des Klimawandels, gerade im Bereich der Wärmeversorgung, wird es sicherlich sinnvoll sein, die genannten Fragen zu klären. Dahin wird der Stadtrat gebeten, die Feststellungen zum weiteren Vorgehen zu treffen, u.a.;
- Weiterführung der Konzeptstudie hin zur Machbarkeitsstudie?
- Ggf. Federführung für die künftige, weitere Projektabwicklung?
 
Bei einer Entscheidung zur Umsetzung einer Nahwärmeversorgung, müsste als erster Baustein ein Förderantrag gestellt werden. Mit einem Beginn zur Ausarbeitung der Machbarkeitsstudie ist etwa 6 Monate nach Förderantragsstellung zu rechnen. Die Entscheidung hinsichtlich Nahwärmeversorgung; ja oder nein? ist auch Im Rahmen der Erschließungs- bzw. Bauleitplanung von wichtiger Bedeutung, da für das Wohngebiet bei der weiteren Planung u. a. die Haupttrasse für die Wärmeversorgungsleitungen und die Nahwärmeversorgungszentrale berücksichtigt werden müssen.

Betreibermodell: 
In Gesprächen mit regionalen Betreibern solcher Anlagen, stellt das Gebiet Pitzfeld keine wirtschaftliche Lösung für Betreiber und absolut nicht für den Anwohner dar.  Eine Energieform die am Ende den Anwohner mehr kostet, als die neue Wärmeversorgungskonzepte wie beispielsweise eine Wärmepumpe in Kombination mit Speicher und Photovoltaikanlage, bedeutet nur noch Spitzenlastabdeckung aus dem Netz. Die Wärmeversorgungsanlagen der Nachbarstrassen (Edelweissstr. & Eisenhutstr.) sind relativ neu und werden voraussichtlich in den nächsten 15 Jahren nicht getauscht, somit können diese Gebäude auch nicht in der Planung berücksichtigt werden. 

Beschlussvorschlag

1. Der Stadtrat nimmt das Wärmeversorgungskonzept für das Neubaugebiet „Oberkirch 4 - Pitzfeld Ost“ in Weißensee zur Kenntnis.

2. Der Stadtrat spricht sich gegen einen Aufbau eines Nahwärmenetzes im zukünftigen
    Neubaugebiet „Oberkirch 4 - Pitzfeld Ost“ in Weißensee aus.





Anlage/n:
Präsentation_Vorstudie_Nahwärme_ Pitzfeld

Diskussionsverlauf

Stadtrat Doser  lehnt das gemeinsame Wärmekonzept ab analog dem  Neubauviertel im Weidach, da die in der Zukunft liegenden erneuerbaren  Energien schwer einzuschätzen sind. 
Ein  Privater wird sicherlich sein Haus dem energetischen Standort folgen  und dementsprechend auch aufrüsten. Neubauten  sind im erforderlichen Status.


Dr. Böhm sieht sich bestätigt, dass es für unsere Verhältnisse zu wenig innerstädtisch verdichtet wurde.  Eine  Frage möchte er zur Infrarotwärme und deren Funktion noch vom Fachplaner  klären lassen.

Herr Dietmayer erklärt, dass Infrarot ähnlich einem Bild funktioniert. Es entsteht extreme Spannungsversorgung nach Einschalten durch die hohe Wärme. Da Infrarot mit Strom läuft, ergibt sich Folge dessen auch ein hoher CO ² Wert.

Beschluss

1. Der Stadtrat nimmt das Wärmeversorgungskonzept für das Neubaugebiet „Oberkirch 4 - Pitzfeld Ost“ in Weißensee zur Kenntnis.

2. Der Stadtrat spricht sich gegen einen Aufbau eines Nahwärmenetzes im zukünftigen
    Neubaugebiet „Oberkirch 4 - Pitzfeld Ost“ in Weißensee aus.





Anlage/n:
Präsentation_Vorstudie_Nahwärme_ Pitzfeld

Abstimmungsergebnis
Dafür: 22, Dagegen: 2

Datenstand vom 26.03.2025 08:22 Uhr