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2. Sitzung des Stadtrates, 23.02.2022
Beratungsreihenfolge
Sachverhalt
E-Scooter, E-Fahrräder, E-Lastenräder und E-Roller tragen dazu bei, Wege innerhalb einer Stadt noch einfacher zurückzulegen, ohne dabei auf das eigene Auto angewiesen zu sein. Damit sind diese Mikromobilitätsangebote künftig ein wichtiger Verkehrsbaustein zur Bewältigung der sog. „letzten Meile“.
Diese Mikromobilitätsangebote gibt es inzwischen in vielen, oft auch kleineren Städten. Die Nutzung ist simpel: Die entsprechende App herunterladen und das Fahrzeug buchen. Auf diese Weise ergänzen Sharing-Angebote im Bereich Mikromobilität (Leihfahrräder, E-Scooter und E-Lastenräder) bestehende klassische öffentliche Verkehrsträger. Sie fördern ein multimodales Verkehrsverhalten, was bedeutet, dass ein Weg mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt wird.
Auch in Lindau wurden 2021 aus diesem Grund die ersten E-Scooter und E-Lastenräder getestet:
- E-Lastenräder
Im Rahmen eines vom Freistaat Bayern geförderten Modellprojektes „Lastenrad mieten, Kommunen entlasten“ wird derzeit ein Lastenrad-Mietsystem für Lindau aufgebaut. Durch dieses Angebot sollen 16 elektrisch unterstützte Lastenräder an acht öffentlichen Mietradstationen rund um die Uhr und vollautomatisch gemietet werden können. Das System ermöglicht allen den Zugang zu Transporträdern, die nicht über ein eigenes Lastenrad verfügen. Die ersten drei Stationen des Lastenrad-Mietsystems wurden im Oktober 2021 eingeführt, weitere fünf Stationen gehen im Frühjahr 2022 in Betrieb. Die Verzögerung ist verschiedenen Gründen geschuldet (mehrmalige Ausschreibung, coronabedingte Lieferengpässe u.ä.). Das System wird von der Firma Sigo GmbH betrieben.
- E-Scooter
Der E-Scooter-Testbetrieb wurde von dem Unternehmen Tier Mobility GmbH umgesetzt. Drei Monate (Juli bis September 2021) wurden 200 Roller auf das Stadtgebiet Lindau verteilt. Innerhalb der Pilotphase wurden die zwei unterschiedlichen Systeme „stationsbasiert“ und „free floating“ getestet. Die ersten und letzten vier Wochen (stationsbasiert) mussten die Roller an den fixen Parkstationen wieder abgegeben werden. Im August (free floating) konnte man die Roller überall in Lindau abstellen.
- Auswertung E-Scooter-Testbetrieb
Im Monat Juli wurden ca. 4.700 Fahrten mit den E-Scootern in Lindau aufgezeichnet. Die meist frequentierten Ausleihstandorte des stationsbasierten Systems waren die Klimo-Station am Hafen Lindau, Inselhalle, P2 sowie der Karl-Bever-Platz. Durchschnittlich wurden die Roller 0,93 Mal am Tag für eine Fahrt durch Lindau genutzt.
Im August ging die Free-Floating-Testphase in Betrieb und kam trotz regnerischem Wetter auf ca. 6.680 Fahrten. Die durchschnittlichen Fahrten pro E-Scooter stiegen auf 1,3 Mal pro Tag. Weiterhin wurden die Roller hauptsächlich an verschiedenen Orten auf der Insel, sowie an den Parkplätzen (P1, P2 und P3) ausgeliehen und auch wieder abgestellt. Leider wurden in diesem Monat nicht wenige Roller in Stadtteilen abgestellt, in denen sie nicht erneut ausgeliehen wurden.
Im September (letzter Monat der Pilotphase) wurde wieder das stationsbasierte System angewendet. Hier wurden ca. 3.270 Fahrten zurückgelegt. Die Nutzungsrate ist aufgrund der Rückkehr zum stationsbasierten System von 1.32 auf 0.87 gesunken. Außerdem wurden die E-Scooter nun neben den bereits erwähnten beliebten Ausleihpunkten auch schwerpunktmäßig am Reutiner Bahnhof ausgeliehen. Im Vergleich zum Juli wurden mehr Stationen angeboten, an denen die Roller ausgeliehen und wieder zurückgegeben werden konnten.
Allgemein wurden die Roller größtenteils zwischen 12 und 20 Uhr benutzt. Insgesamt wurden 14.650 Fahrten während der drei Monte zurückgelegt. Weiterhin konnte festgestellt werden, dass insbesondere an den Wochenenden deutlich mehr Fahrten stattgefunden haben. Die durchschnittliche Fahrtzeit betrug knapp 15 Minuten. Laut Betreiber ist dieser Wert damit höher als in vielen anderen Städten.
Um die E-Scooter-Pilotphase zu evaluieren, wurde vom 20.11.2021 bis zum 30.11.2021 eine Online-Beteiligung auf der Plattform Adhocracy+ veröffentlicht. Diese hatte das Ziel in Erfahrung zu bringen, wie das E-Scooter-Angebot wahrgenommen worden ist, ob und wie man in Zukunft Mikromoblitätsangebote gestalten sollte und welche Mikromobilitätsangebote bereitgestellt werden sollten.
Mikromobilitätsangebote werden von 82% der beteiligten BürgerInnen favorisiert. Detaillierte Ergebnisse können der Anlage 1 „Bericht Umfrage zur Mikromobilität“ entnommen werden. Aus der Zusammensetzung der Antworten zeigt sich, dass sich die BürgerInnen Lindaus vor allem Sharing-Angebote für E-Bikes, E-Lastenräder sowie normale Fahrräder wünschen. E-Scooter werden als ein weiteres, aber nicht primär wichtiges Verkehrsangebot angesehen.
Fachliche Bewertung
Sowohl die Einführung des Lastenrad-Mietsystems als auch weitere Sharing-Angebote im Bereich der Mikromobilität sind wichtiger Bestandteil der empfohlenen Maßnahme 34 des KLiMos „Stärkung der Intermodalität innerhalb Lindaus“.
2021 haben drei verschiedene Anbieter für E-Scooter- und Fahrradmietsysteme eine Kooperation mit der Stadt Lindau angefragt. Deshalb war es für die Verwaltung wichtig, 2021 Erfahrungen zu sammeln. Alle Anbieter verfolgen ein eigenwirtschaftliches Prinzip, d.h. die Angebote sind für die Stadt Lindau kostenfrei.
Viele Nutzer in der Pilotphase waren Gäste und Lindauer Jugendliche. Die E-Scooter zeigten sich als gute Lösung für „die letzte Meile“ zwischen den Auffangparkplätzen und dem touristischen Hauptziel „Insel“. Daher könnte im Sommer das zusätzliche Angebot in Form von E-Scootern hilfreich sein, um Staus in den Zufahrtsstraßen zur Insel zu reduzieren.
Um Schwierigkeiten im öffentlichen Raum zu vermeiden, sollte ein stationsbasiertes System eingeführt werden. Zu beachten ist, dass das Free-Floating-System von den Lindauer BürgerInnen nicht gerne gesehen wurde. Es gingen zahlreiche Beschwerden wegen falsch abgestellter Scooter ein. Auch Feuerwehr und Polizei hatten mit dem Free-Floating-System die größten Schwierigkeiten, da ordnungswidrig abgestellte E-Scooter teilweise in Feuerwehrzufahrten, am Fahrbahnrand, sowie mitten auf Wegen und Parkplätzen standen. Daher wird der Stadtverwaltung das stationsbasierte Model favorisiert. Allerdings müssen bei einem stationsbasierten Modell noch weitere Standpunkte für die Ausleihe definiert werden, da nur ein engmaschiges Netz attraktiv für den Nutzer ist.
Zudem kann die Stadt kann durch eine Ausschreibung sowohl für E-Scooter- als auch Fahrradmietsysteme generelle Grundsätze sowie Qualitätskriterien vorgeben und dann bei Erfüllung der Vorgaben eine Kooperationsvereinbarung abschließen.
Für die verträgliche Integration solcher Systeme in das gesamtstädtische Mobilitätskonzept sollen folgende Grundsätze verfolgt werden:
- Eine enge Kooperation zwischen den Betreibern und der Stadt – möglichst mit schriftlichen Vereinbarungen – ist die Grundvoraussetzung für die Etablierung des Systems.
Die Definition von Mindeststandards sichert die technische Qualität des Mikromobilität-Systems (insbesondere bezüglich der gesetzlichen Anforderungen zur Sicherstellung der Verkehrssicherheit) und gewährleistet eine angemessene Betriebsqualität mit Fristsetzungen (etwa für die Entfernung nicht verkehrssicherer Räder/Scooter und das Umparken behindernd abgestellter Räder/Scooter).
Festlegungen zum Abstellen der Räder/Scooter ermöglichen den stadtverträglichen Betrieb der Systeme ohne wesentliche Beeinträchtigungen der Belange Dritter.
Bereitstellen von Räder/Scooter unter „Sondernutzung“ öffentlicher Flächen, die der Erlaubnis der zuständigen Behörde bedarf.
Die Betreiber von Sharingsystemen verpflichten sich zur Einhaltung von Min-deststandards bei Datenschutz, Zahlungsprozessen und Registrierungsbedingungen.
Relevante Nutzungsdaten werden unter Berücksichtigung des geltenden Datenschutzrechtes für stadt- und verkehrsplanerische Zwecke an die Kommunen übermittelt.
Zusammenfassung/Fazit
Um die Mobilität in Lindau künftig weiter zu verbessern, ist eine optimierte Verknüpfung der verschiedenen Verkehrsmittel notwendig. Durch die Einführung von Mikromobilitätsangeboten kann gerade „die letzte Meile“ von der Bahn- oder Bushaltestelle sowie von den Auffangparkplätzen flexibel und umweltfreundlich erschlossen werden. Deswegen wird empfohlen, parallel zu dem Lastenrad-Mietsystem zusätzlich Sharing-Systeme für Fahrräder/Scooter zu ermöglichen. Diese Systeme sollten eigenwirtschaftlich von einem privaten Anbieter etabliert und stationsbasiert betrieben werden. Die Fahrzeuge können dann nur vor Ort an bestimmten Stationen gemietet und nur an gekennzeichneten Stationen wieder abgestellt werden.
Die Verwaltung empfiehlt daher ein stationsbasiertes System für Räder/Scooter auszuschreiben. Der Bieter die am besten die Qualitätskriterien erfüllt, sollte eine Genehmigung erhalten, um das System für zwei Jahre zu betreiben.
Finanzielle Auswirkungen
Es entstehen keine Kosten für die Stadt. Die Mikromobilitätsangebote sollen eigenwirtschaftlich von einem privaten Anbieter eingeführt werden
Diskussionsverlauf
Bürgermeisterin Dorfmüller regt an, sich auch in den Nachbargemeinden, wie Bregenz, umzusehen, um sich hier besser vernetzen zu können.
Stadtrat Hummler appelliert daran, dass keine Parkplätze wegfallen dürfen und falls doch, so müssen dem Betreiber Gebühren dafür berechnet werden.
Oberbürgermeisterin Dr. Alfons merkt an, dass es nicht angedacht ist, dass Parkplätze wegfallen.
Stadtrat Brombeiß möchte beantragen, dass keine Parkflächen auf der Insel zur Verfügung gestellt werden, so lange nicht am Karl-Bever-Platz gebaut ist.
Oberbürgermeisterin Dr. Alfons erläutert, dass keine Parkplätze auf der Insel weggenommen werden. Sollte dies jedoch angedacht sein, wird sich der Hauptausschuss damit befassen.
Auch Bürgermeister Hotz spricht sich in Zeiten der Parkplatzknappheit auf der Insel dafür aus, dass keine Kfz-Stellplätze für Stationen hergenommen werden.
Oberbürgermeisterin Dr. Alfons merkt daraufhin an, dass ins Protokoll aufgenommen wird, dass keine Parkplätze Stationen der Mikromobilität zum Opfer fallen.
Stadträtin Rundel merkt an, dass Lastenräder für die Einheimischen wichtig sind und es dafür noch mehr Standorte bedarf.
Oberbürgermeisterin Dr. Alfons antwortet, dass weitere Stationen von Lastenrädern in Betrieb gehen werden und es heute lediglich um Anbieter von E-Rollern / Rädern geht.
Beschluss
- Der Stadtrat beschließt die Einführung von weiteren Mikromobilitätsangeboten und beauftragt die Verwaltung, die weiteren Schritte vorzunehmen, mit der Anforderung, dass keine Parkplätze für die Stationen wegfallen.
Abstimmungsergebnis
Dafür: 24, Dagegen: 5
Dokumente
2022.02.23.SR_TOP7_Einführung Mikromobilitätsangebote (.pdf)
Anlage 1.Bericht Umfrage (.pdf)
Datenstand vom 14.03.2022 11:39 Uhr