1. Ziel und Zweck der Planung
1.1 Ausgangslage
Anlass zur Aufstellung des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes Nr. 130 „Kemptener Straße 56“ ist die planungsrechtliche Steuerung eines Bauvorhabens am Kreuzungsbereich der Kemptener und Reutiner Straße in Lindau. Nachdem das Vorhaben 2016 dem Gestaltungsbeirat der Stadt Lindau zusammen mit einem sich ebenfalls an der Kreuzung liegenden Vorhaben vorgestellt wurde, stellte dieser fest, dass eine städtebauliche Entwicklung und eine Neuordnung der gesamten „Köchlin-Kreuzung“ notwendig sind, um eine zufriedenstellende Lösung für beide Vorhaben zu finden. Aus diesem Grund wurde ein städtebaulicher Rahmenplan erarbeitet, der in seiner Endfassung am 21.11.2019 fertiggestellt wurde. Mit dem Rahmenplan soll ein lebendiges Stadtquartierzentrum mit Gestalt- und Aufenthaltsqualität bei gleichzeitiger Aufwertung des Verkehrsknotenpunktes im Ortsteil „Köchlin“ entstehen. Mit Aufstellung des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes Nr. 130 „Kemptener Straße 56“ soll der Rahmenplan auf dem Grundstück der Flurnummer 35 (Gemarkung Reutin) planungsrechtlich umgesetzt werden. Vorhabenträger ist die IVG Immobilien- und Verwaltungs- GmbH.
1.2 Vorhabenbeschreibung
Die IVG Immobilien- und Verwaltungs- GmbH plant auf dem Grundstück Flur Nr. 35 die Errichtung eines Gebäudes mit einer Nutzungsmischung aus Dienstleistung, Gewerbe und Wohnen. Das Vorhaben liegt innerhalb des Umgriffs des städtebaulichen Rahmenplans „Köchlin-Kreuzung“.
Das Erdgeschoss soll, entsprechend der Mischgebietsnutzung, Gewerbe oder Dienstleistungen aufnehmen. Die westliche Nutzungseinheit soll den Platzraum zusätzlich aktivieren. Als Nutzung vorstellbar wäre beispielsweise eine Bäckerei mit Ausgabe (innen und außen Bestuhlung). In den Obergeschossen befinden sich insgesamt 15 Wohneinheiten – ein Mix aus Zwei- bis Vierzimmerwohnungen. Die Wohneinheiten in den Dachgeschossen sind teils als Maisonetten geplant. Alle Wohnungen orientieren sich, von der Kreuzung abgewandt, mit ihren Loggien nach Südost in Richtung Bodensee. Sie sind barrierefrei bzw. barrierearm vorgesehen und mit einem Aufzug erreichbar.
Die Zufahrt zur Tiefgarage mit Rampe ist ins Gebäude integriert und erfolgt von der Reutiner Straße aus über die Ostseite. Eine das Stadtbild störende Tiefgaragen-Einhausung wird dadurch vermieden. Neben 11 Kfz- Stellplätzen ist auch ein Fahrradabstellraum für ca. 30 Fahrräder geplant. Zusätzliche Fahrradstellplätze sowie zwei weitere oberirdische Kfz-Stellplätze werden in die Gestaltung der Freianlagen integriert.
Vorgesehen ist, entsprechend den Zielen des Rahmenplans, eine zurückhaltende Gestaltung als ruhige, verputzte Lochfassade mit tiefen Leibungen und Holzfenstern. Bodentiefe Öffnungen im Erdgeschoss mit seinen höheren Räumen stärken die Verbindung zwischen Gebäude und Außenraum und tragen zur Belebung des öffentlichen Raums an der Köchlin-Kreuzung bei.
Die Gestaltung des Daches ist als klares einfaches Satteldach vorgesehen. Für seine ruhige Wirkung wird auf Dachgaupen verzichtet. Die Öffnungen für Belichtung, Ausblick und Freibereiche im Dach sind von den Dachrändern abgerückt, klar strukturiert und auf die Fassade abgestimmt. Photovoltaikmodule werden in die Dachfläche integriert. Der Energiestandard ist nach KfW-Effizienzhaus 55 geplant.
Die Außenanlage folgt den Zielen des Rahmenplans mit ruhig und übereinstimmend gewählten Oberflächen. Es soll ein zusammenhängender Platzraum entstehen, der im Zusammenspiel von Freibereich und Gebäude aktiviert wird. Soweit technisch möglich wird deshalb für die befestigten Bereiche des Vorhabens geschliffener, wasserdurchlässiger Asphalt vorgesehen, um eine gestalterisch und visuell möglichst miteinander verbundene Fläche und Raumwirkung mit dem Straßenraum zu schaffen. Innerhalb dieser einheitlichen, zurückhaltenden Oberfläche sind einzelne, gut gesetzte Baumfelder geplant. Sie werden „schwimmend“ als Intarsien eingefügt. Versetzt zueinander stehende schlanke, einheimische, standortgerechte kleine Bäume bilden hier Baumgruppen und zonieren den Außenraum.
1.3 Planungsziel
Planungsziel ist die Neuordnung und Gestaltung des Bereichs um die Köchlin-Kreuzung entsprechend des Rahmenplans sowie die Schaffung dringend benötigten Wohnraums.
2. Angaben zum Bestand
Der Planbereich ist im jetzigen Zustand mit einem Wohngebäude und einem Stadel bebaut sowie nahezu komplett versiegelt. Gehölze befinden sich keine innerhalb des Geltungsbereiches. Die Bestandsgebäude wurden aus artenschutzrechtlicher Sicht gutachterlich geprüft und es lagen keine Anhaltspunkte für Beeinträchtigungen vor.
Das Plangebiet wird wie folgt begrenzt: Im Norden durch den Motzacher Tobelbach und sich daran anschließende Wohnbebauung. Im Osten durch die Fl. Nr. 27/2 (Graben) sowie das derzeit unbebaute Grundstück Fl.-Nr. 27, hier erfolgt in Kürze die Neubebauung mit Wohnhäusern. Im Süden durch das derzeit unbebaute Grundstück Fl.-Nr. 34 mit Bestandsgehölzen, eine Bebauung ist hier ebenfalls zukünftig vorgesehen. Im Westen durch die Kemptener Straße.
Der räumliche Geltungsbereich des Bebauungsplanes umfasst eine Fläche von 1.336 m² und beinhaltet die Flurnummern 35 sowie Teilflächen der Fl. Nrn. 26/4. Alle Grundstücke befinden sich innerhalb der Stadt Lindau, Gemarkung Reutin, sowie mit Ausnahme der Fl. Nr. 26/4 (Reutiner Straße) in Privatbesitz.
3. Verfahrensstand und Art der Verfahrensbearbeitung
Der Stadtrat hat in seiner Sitzung am 27.10.2021 die Aufstellung des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes Nr. 130 „Kemptener Straße 56“ beschlossen.
Die Aufstellung des Bebauungsplanes erfolgt im beschleunigten Verfahren gemäß § 13a BauGB. Von einer frühzeitigen Unterrichtung der Öffentlichkeit und Erörterung nach §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 BauGB wurde im vorliegenden Fall nicht abgesehen.
Des Weiteren wurde in der Sitzung am 27.10.2021 der Vorentwurf des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes einschließlich seiner Begründung mit Stand vom 27.10.2021, sowie der Vorentwurf des Vorhaben- und Erschließungsplanes einschließlich seiner Begründung mit Stand vom 27.10.2021 gebilligt, sowie die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange gemäß §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 BauGB beschlossen.
4. Prüfung der Abwägung der vorgebrachten Stellungnahmen zur Auslegung gemäß § 3 Abs. 1 BauGB
Die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit gemäß § 3 Abs. 1 BauGB zu dem Bebauungsplanvorentwurf einschließlich seiner Begründung mit Stand vom 27.10.2021 fand in der Zeit vom 08.11.2021 bis 08.12.2021 statt. Während dieser Zeit konnten Stellungnahmen zu der Planung schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stadt Lindau (B) vorgebracht werden.
Von Seiten der Öffentlichkeit ging zum Vorentwurf mit Stand vom 27.10.2021 eine Stellungnahme ein.
Die vorgebrachte Stellungnahme wurde von der Stadt Lindau, wie in Anlage 1 dargestellt, geprüft und abgewogen.
5. Prüfung und Abwägung der vorgebrachten Stellungnahmen zur Behörden- und Trägerbeteiligung gemäß § 4 Abs. 1 BauGB
Die Unterlagen zur frühzeitigen Trägerbeteiligung gemäß § 4 Abs. 1 BauGB wurden am 03.11.2021 an insgesamt 31 Behörden und sonstige Träger öffentlicher Belange verschickt.
Die vorgebrachten Stellungnahmen der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange wurden von der Stadt Lindau geprüft und abgewogen, wie in Anlage 1 dargestellt.
Aufgrund der vorgebrachten Stellungnahmen zur öffentlichen Auslegung und zur Trägerbeteiligung müssen Planänderungen und -ergänzungen gegenüber dem Vorentwurf zum Bebauungsplan mit Stand vom 27.10.2021 vorgenommen werden. Folgende Änderungen und Ergänzungen wurden in den überarbeiteten Bebauungsplan mit Stand vom 29.03.2022 eingearbeitet:
- Anpassung der Begründung des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes
- Anpassung der textlichen Festsetzungen des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes
- Anpassung der Planzeichnung des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes
- Anpassung der textlichen Hinweise des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes
- Anpassung des Vorhaben- und Erschließungsplanes mit Vorhabenbeschreibung
- Anpassung der Begründung zum Vorhaben- und Erschließungsplan
6. Anregungen aus dem Stadtrat vom 27.10.2021
Die Anregung aus der Stadtratssitzung vom 27.10.2022, dass Photovoltaik auf den Dachflächen verbindlich vorgeschrieben werden soll, wurde wie folgt berücksichtigt:
In den textlichen Festsetzungen des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes wurde unter 5.3 Solarenergie festgesetzt, dass für die südorientierten Dachflächen Photovoltaikanlagen von mindestens 50 m² vorzusehen sind. Zudem wurde unter 7.2.4 festgesetzt, dass Solar- bzw. Photovoltaikanlagen in die Dachfläche integriert auszuführen sind.