Vorstellung Parkraumanalyse und Parkplatz-Bedarfsermittlung


Daten angezeigt aus Sitzung:  4. Sitzung des Stadtrates, 20.03.2024

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Stadtrat (Stadt Lindau) 4. Sitzung des Stadtrates 20.03.2024 ö beschließend 7

Sachverhalt

  1. Vorgeschichte
Der Stadtrat hat in der Stadtratssitzung am 21.07.2021 als Reaktion auf die Ergebnisse des Bürgerbeteiligungsprozesses zum Karl-Bever-Platz unter anderem beschlossen, ein Verkehrsplanungsbüro mit der Fortschreibung des Parkraumkonzepts 2017 zu beauftragen. Der Auftrag wurde an das Unternehmen B2M Software GmbH – Urban Mobility Innovations (nachfolgend als [ui!] bezeichnet) mit Sitz in München vergeben werden. 

  1. Ziel der Fortschreibung
Kern der Fortschreibung war die Parkraumerhebung und Analyse der Bestandsituation an den Parkplätzen P1 Blauwiese, P2 Vier-Linden-Quartier, Bahnhof Reutin, P3 Karl-Bever-Platz, P4 Parkhaus Inselhalle und P5 Hintere Insel. Ziel der Parkraumerhebung war es, den aktuellen Bedarf an Parkplätzen für die Nutzergruppen Bewohner, Beschäftigte, Kurzzeitbesucher, Übernachtungsgäste und Tagesgäste zu beziffern, dies insbesondere auch bezogen auf die künftige Kapazität an Parkplätzen am Karl-Bever-Platz. Auf Basis der gewonnen Daten sollte ein ganzheitliches Verkehrskonzept entwickelt werden. Außerdem sollte das Parkleitsystem optimiert und fortentwickelt werden. 

  1. Vorgehensweise und Herausforderungen 
Der Auftragnehmer [ui!] begann mit kamerabasierten Kennzeichenerfassungen sowie manuellen Kontrollerfassungen im Zeitraum 10.08. bis 23.08.2021. Nach Auswertung des über die Kameras gewonnenen Datensatzes stellte sich heraus, dass die Kennzeichenerfassungen aus technischen Gründen nicht zufriedenstellend erfolgt waren. Daher wurde die kamerabasierte Erhebung mit anderen Kameras im Zeitraum 02.10. bis 09.10.2021 wiederholt. Außerdem wurden erneut manuelle Erfassungen vorgenommen. Eine Kontrollerhebung zu den Übernachtungsgästen erfolgte zudem im August 2023. Die Daten wurden im Anschluss ausgewertet. 
Des Weiteren erfolgte eine Auswertung der in Lindau erteilten Parkkarten, welche aufgrund der unterschiedlichen Gültigkeitsdauern und Bereichsabdeckungen, „Doppelkarten" für Bewohner im öffentlichen und privaten Parkplatzbereich (Quartiersgarage) und permanenten Ausgaben im laufenden Jahr schwierig zu analysieren waren.

Im Zuge der Erarbeitung des Konzepts wurde zusätzlich der Spitzenbedarf an Parkplätzen im August hochgerechnet und im August 2023 ergänzend eine Analyse von „Floating Car Data“ (FCD = Echtzeit-Telemetriedaten von Fahrzeugen) vorgenommen.

Weiterhin stellten Änderungen in der Parksituation während der Konzepterstellung (Wegfall P2 beim Vier-Linden-Quartier, Ergebnis Ratsentscheid Hintere Insel, Eröffnung der Quartiersgarage Hintere Insel, Eröffnung des Parkplatzes Bauhof, Erweiterung der Bewohnerparkzone im Inselkern tagsüber, potentieller Wegfall des P1 Blauwiese) Auftragnehmer und Auftraggeber vor Herausforderungen, die über mehrere zeitaufwändige Anpassungen im gesamten Konzept Niederschlag finden mussten.

Mittels der so gewonnenen Datengrundlagen erstellte [ui!] folgende zentrale Ergebnisse:

  1. Zentrale Ergebnisse

4.1        Bedarf an Parkplätzen
Unter gleichbleibenden Bedingungen berechnete [ui!] einen Spitzenbedarf von 2.698 Stellplätzen. Davon sind 772 Stellplätze für Bewohner und Beschäftigte vorgesehen, 45 für Gewerbetreibende, 88 für Jahresparkkarteninhaber am P3, 1.155 Kurzzeitparkplätze und 638 Parkplätze für Tagesgäste. 435 Übernachtungsgäste nutzen die Parkplätze der Kurzzeitbesucher und Tagesgäste in der Nacht. Ohne Berücksichtigung von P1 (Blauwiese, 340 Parkplätze) und den 400 Schulparkplätzen besteht damit eine Unterdeckung von 792 Parkplätzen. Berücksichtigt man P1 und die Schulparkplätze während der Hochzeit in der Feriensaison, besteht lediglich eine Differenz von 52 Parkplätzen zum aktuell vorhandenen Bestand.

4.2        Verhältnis von Parkberechtigungskarten zu vorhandenen Parkplätzen
[ui!] stellt rechnerisch dar, dass die Anzahl an verfügbaren Stellplätzen auf der Insel und in der Quartiersgarage im Verhältnis zu den ausgegebenen Sonderparkrechten für Bewohner (Stand: 2021) deutlich zu niedrig sei und die Abdeckung mit Stellplätzen mindestens 80 % (=772 Parkplätze) zur Anzahl der ausgegebenen Parkkarten betragen sollte. Dieser Bedarf könnte nur unter Hinzuziehung von 162 Parkplätzen am Karl-Bever-Platz abgedeckt werden, die dann nicht mehr anderen Nutzergruppen zur Verfügung stünden.

4.3        Parkleitsystem
Bezüglich des Parkleitsystems betont [ui!] die Wichtigkeit der frühzeitigen Echtzeitinformation der Besucher über den Belegungsstatus der Parkplätze. Es fehle hier insbesondere an digitalen Informationstafeln, die eine Komplettübersicht der Parkplätze gebündelt anzeigen können. Weiterhin sei es sinnvoll, die Besucher bereits bei der Anreise umfassend über die Belegungssituation zu informieren.

  1. Vorgeschlagene Maßnahmen

[ui!] hat basierend auf dem Parkraumkonzept verschiedene Handlungsempfehlungen und Maßnahmensteckbriefe erarbeitet. Die Verwaltung hält insbesondere die folgenden Maßnahmen für erwägenswert:

5.1 Einführung einer ParkenApp und Bodensensoren für Bewohner und Sonderparkberechtigte 
Ziel der Maßnahme ist es, den Bewohnern die Suche nach freien Parkplätzen zu erleichtern und durch Bewohner verursachten Parksuchverkehr zu verhindern (Details zur Maßnahme, vgl. Anhang, Seite 33).

Anmerkung zur Umsetzbarkeit: Parkraumsensoren wurden bereits beschlossen, jedoch wurden angemeldete Haushaltsmittel im Sparhaushalt zurückgestellt; die Einführung einer begleitenden App oder Software muss im Gesamtkonzept mit den Sensoren geprüft und finanziert werden. 

5.2        Intelligente Parkraumnutzung am P3 
Ziel ist es, mittels Kennzeichenerfassungssystem eine optimale Mischnutzung durch Touristen und Bewohner zu ermöglichen (Algorithmus errechnet, wie viele Parkplätze für Bewohner und andere Parkberechtigte freizuhalten sind), dabei sollen die Parkvorgänge von Touristen mittels Preisdifferenzierung ab einer gewissen Parkdauer so teuer werden, dass der Parkplatz für Tagesgäste unattraktiv wird. Ggfs. Einführung eines Übernachtungstickets zu einem vergünstigten Tarif (Details zur Maßnahme, vgl. Anhang, Seite 34).

Anmerkung zur Umsetzbarkeit: Die Kennzeichenerfassung am P3 wurde beschlossen. Eine Erweiterung mittels einer Software, die eine intelligente Steuerung ermöglicht, muss durch die Verwaltung auf Finanzierbarkeit geprüft werden. Aus Sicht der Verwaltung ist eine intelligente Parkraumnutzung an allen anderen größeren Parkierungsanlagen erstrebenswert, da nur so eine vollautomatische Nutzergruppenanalyse für die intelligente Verkehrslenkung dauerhaft möglich wird.



5.3        Maßnahme Preismodell und Rabattsystem P4 und Inselgeschäfte
Ziel ist es, mittels Preisdifferenzierung am P4 (ab einer gewissen Parkdauer werden längere Parkvorgänge durch den Preis sanktioniert) eine Verlagerung der Touristen auf die der Insel vorgelagerten Parkplätze zu erreichen. Dabei ist es möglich, innerhalb der festgelegten Maximalparkdauer durch ein begleitendes Rabattsystem bestimmte Nutzergruppen (z.B. Kunden) finanziell zu entlasten (Details zur Maßnahme, vgl. Anhang, Seite 36).

Anmerkung zur Umsetzbarkeit: Die technische Umsetzungsmöglichkeit am P4, sowie die Entwicklung einer App für das Rabattsystem muss geprüft werden; Investitionskosten allein für die App werden sehr vage mit 5.000 – 160.000 Euro beziffert.

5.4        Bau einer  Mobilitätsstation am Bahnhof Reutin
Ziel ist der Bau einer Mobilitätsstation am Bahnhof Reutin mit dem Angebot eines P&R-Auffangparkplatzes (Details zur Maßnahme, vgl. Anhang, Seite 39).

Anmerkung zur Umsetzbarkeit: Dies ist eine der zentralen Maßnahmen des sich aktuell in Erarbeitung befindlichen Stadtbuskonzeptes und ein wesentliches Element der städtebaulichen Entwicklung am Berliner Platz.

5.5        Stadtschlüssel
Ziel ist es, eine App mit einem Belohnungssystem für Anwender einzuführen, die ihr Mobilitätsverhalten tracken lassen. Für die Nutzung von umweltfreundlichen Verkehrsmitteln werden Bonuspunkte gesammelt, die als Mobilitätsguthaben oder in Partnergeschäften eingelöst werden können (Details zur Maßnahme, vgl. Anhang, Seite 43).

Anmerkung zur Umsetzbarkeit: Die App-Entwicklung kann zwischen 5.000 und 45.000 Euro liegen; die technische Umsetzbarkeit und Finanzierbarkeit müsste geprüft werden. Zudem müsste festgelegt werden, welches Verhalten belohnt werden soll und wie eine „Vergütung“ erfolgt. Bisher gab es noch keine Gespräche mit Anbietern.

Fachliche Bewertung

Mit dem jetzt vorgelegten Parkraumkonzept wurde der Bedarf an Parkplätzen in Lindau konkret beziffert. Im Unterschied zum Parkraumkonzept 2017 (Erfassung Fr.- So. auf der Insel, sowie an P3 und P5) wurden weitaus mehr Parkflächen untersucht und die Erhebung erfolgte über eine ganze Woche (z.T. durchgehende Kennzeichenerfassung). Auch der Parksuchverkehr auf der Insel wurde erhoben, was eine bessere Abschätzung des tatsächlichen Stellplatzbedarfs ermöglicht. Zudem wurde eine Analyse der ausgegebenen Parkkarten für Bewohner, Beschäftigte und Sonderparkberechtigte durchgeführt und der tatsächliche Stellplatzbedarf ermittelt. Durch die ergänzende Nutzung von Floating Car Data mehrerer Jahre kann nicht nur der absolute Spitzenbedarf im Juli und August, sondern auch der Bedarf in der Vor- bzw. Nachsaison (Mai / Juni und Oktober) beziffert werden.

Da der Bedarf unter der Annahme errechnet wurde, dass der P1 (Blauwiese) durch den Neubau der Mittelschule wegfällt, und zudem zusätzliche Kapazitäten durch die Schulparkplätze in Spitzenzeiten am Wochenende und insbesondere in den Ferien bestehen, stellt sich die Situation aktuell wesentlich entspannter dar, als im Konzept prognostiziert. So fehlen aktuell nur 52 Parkplätze zum errechneten Spitzenbedarf für August, was eine sehr gute Abdeckung darstellt. 

Die rechnerische Unterdeckung kann nach Feststellungen der Stadtverwaltung aktuell hingenommen werden, da der Parkplatz Blauwiese (und auch die Schulparkplätze) im Sommer 2023 nur eine geringe Auslastung aufwiesen. Allerdings sollte ein Hauptaugenmerk der Stadt Lindau auf der noch besseren Besucherlenkung zu diesen bereits existierenden Auffangparkflächen liegen.

Auch im Hinblick auf die Forderung nach sicheren Bewohnerparkplätzen ist zu berücksichtigen, dass seit der Einführung der ganztägigen Bewohnerparkzone im Altstadtkern (ab Linggstraße) und der zwischenzeitlichen Eröffnung der Quartiersgarage derzeit trotz einer hohen Anzahl an Bewohnerparkkarten noch deutliche freie Kapazitäten auf der Quartiersgarage zu verzeichnen sind. Aus diesem Grund ist seitens der Stadt eine Erhöhung der Stellplatzplatzkapazität für Bewohner auf 80% der ausgegebenen Parkkarten – wenn überhaupt – allenfalls schrittweise und sehr vorsichtig zu empfehlen. Ebenso ist zu erwägen, die Kriterien zur Ausgabe der Parkkarten zu überprüfen und ggfs weiterzuentwickeln. 

Insgesamt kann aus Sicht der Verwaltung das Parkraumkonzept nun die Grundlage bilden, um gemeinsam mit den städtebaulichen Entwicklungen am Berliner Platz und einem künftig umzusetzenden modernen und digitalen Parkleit- und Parkraumbewirtschaftungssystem die Parkplatzsituation in Lindau nachhaltig zu verbessern. 

Zudem sind durch das derzeit in Bearbeitung befindliche Mobilitätskonzept weitere substanzielle Beiträge zur Verbesserung der gesamten Verkehrssituation und damit auch der Lebensqualität für alle Beteiligten in Lindau zu erwarten. 

Diskussionsverlauf

Stadtrat Brombeiß stimmt der BV zu, allerdings kann er in der fachlichen Bewertung die Aussage, dass der Neubau der Mittelschule entfällt“ nicht mittragen und widerspricht dem.

Für Stadträtin Rundel ist ein digitales Parkleitsystem in Echtzeit der Dreh- und Angelpunkt. Die Infos der Parkplätze an der Blauwiese und den Schulen muss verbessert werden. 

Stadträtin Dr. Lorenz-Meyer zeigt sich der Besucherlenkung gegenüber skeptisch. Ihrer Meinung nach müssen Ideen entwickelt werden, wie man ohne Auto auf die Insel kommt. 

Beschluss

  1. Der Stadtrat beschließt die Erkenntnisse aus dem Parkraumkonzept als Grundlage für die weiteren Entscheidungen im Bereich Mobilität zu berücksichtigen.

  1. Der Stadtrat beauftragt die Verwaltung, die Umsetzbarkeit der im Konzept empfohlenen Maßnahmen sukzessive zu prüfen und umsetzbare Maßnahmen in den fachlich zuständigen Ausschüssen vorzustellen.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 26, Dagegen: 1

Dokumente
PRK Abschlussbericht (.pdf)
PRK Anhang (.pdf)
ui 2024_03_20_Abschlusspräsentation-PRK-final1.0 (.pdf)

Datenstand vom 27.03.2024 11:26 Uhr