Bauvoranfrage: Teilabriss und Wiederaufbau eines landwirtschaftlichen Betriebsgebäudes mit Rädle, Betriebsleiterwohnung, 4 weiteren Wohnungen sowie Errichtung einer Maschinen- u. Gerätehalle


Daten angezeigt aus Sitzung:  2. Sitzung des Bau- und Umweltausschusses, 04.04.2022

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Bau- und Umweltausschuss (Stadt Lindau) 2. Sitzung des Bau- und Umweltausschusses 04.04.2022 ö beschließend 3

Sachverhalt

Landwirtschaftlicher Betrieb:
Der landwirtschaftliche Betrieb in Oberreitnau, Bahnholz 47, wird durch einen neuen Eigentümer und dessen Familie, die eine langjährige Freundschaft mit der bisherigen Eigentümerin verbindet, übernommen, fortgeführt und neu strukturiert. Die landwirtschaftlichen Betriebsgebäude und Betriebsflächen wurden bereits im Jahr 2020 durch den neuen Eigentümer erworben, dies erfolgte in Abstimmung mit dem zuständigen Bauernverband. 
Der Betrieb wird von der Familie des neuen Eigentümers bisher bereits als Nebenerwerbsbetrieb geführt. Er soll sich jedoch bis ca. zum Jahr 2030/32 zum Vollerwerbsbetrieb entwickeln. 
Es soll in erster Linie Obst- und Weinbau betrieben werden. Des Weiteren soll das Grünland zur Futtermittelproduktion genutzt und über die Sommermonate 6 – 8 Rinder auf den Hanglagen gehalten werden. Zu den bisher bewirtschafteten Flächen sollen weitere durch Ankauf bzw. Pacht hinzukommen. Der Großteil der Erzeugnisse (Tafelobst, Saft, Wein, Most, Spirituosen, Rindfleisch) soll in einem Hofladen sowie in einem Rädle (Heckenwirtschaft) selbst vermarktet werden. 
Der Betrieb soll durch den Betriebsleiter, seine Ehefrau sowie den Bruder und die Mutter des Betriebsleiters bewirtschaftet werden. Der Betriebsleiter und sein Frau haben zwei Kinder. 

Gebäude / bauliche Maßnahmen: 
Das landwirtschaftliche Betriebsgebäude wurde 1902 erbaut und 1957 in Richtung Norden erweitert. Es besteht aus einem zusammenhängenden Wohn- und Stallteil. In den letzten Jahrzehnten wurden keine wesentlichen Veränderungen oder Instandhaltungsmaßnahmen vorgenommen. Das Gebäude weist starke bauliche Mängel auf und ist nicht für einen Umbau geeignet. 
Der Stallteil des Betriebsgebäudes soll abgerissen und wiederaufgebaut werden. Die prägenden Gestaltungselemente (Gebäudeform, Gebäudegröße, Dachform etc.) wurden in der Neuplanung aufgenommen. Das Dach soll um 1,50 m auf 12 m Höhe angehoben werden. An der Westseite (straßenabgewandt) werden Futtersiloanlagen inkl. Zufahrtsrampe zurückgebaut. An dieser Stelle soll ein Anbau in Form eines Widerkehrs entstehen. 
Im Erdgeschoss sind Flächen für die Obstverarbeitung, Lager, Hofladen und Rädle geplant. 
In den beiden Obergeschossen sollen eine Betriebsleiterwohnung sowie vier weitere Wohnungen entstehen. Die Betriebsleiterwohnung erstreckt sich über das Ober- und Dachgeschoss. Die vier weiteren Wohnungen befinden sich auch in Ober- und Dachgeschoss. Zwei davon sind für auf dem Betrieb mithelfende Familienmitglieder (Mutter und Bruder des Betriebsleiters) vorgesehen, zwei davon könnten als Ferienwohnungen vermietet werden. Die Zugänge zu den Wohnungen sind über eine Außentreppe und einen Laubengang an der Ostseite vorgesehen. 
Der Wohnteil soll als „Altenteiler“ vorerst unverändert bleiben, hier befindet sich eine abgeschlossene Wohneinheit. Insgesamt wären somit sechs Wohnungen auf dem Betrieb vorhanden. In einem zweiten Bauabschnitt, welcher noch nicht Gegenstand dieses Antrages ist, soll auch dieser Gebäudeteil (Wohnteil) durch einen Neubau ersetzt werden.
Die nördlich des Betriebsgebäudes befindlichen Lagerschuppen und Pkw-Garage sollen abgerissen werden. Entlang der nördlichen Grundstücksgrenze soll hier eine Maschinen- und Gerätehalle errichtet werden. 
Als Baumaterialien sollen für Hauptgebäude sowie Maschinen- und Gerätehalle regionale und ortstypische Baumaterialien (überwiegend Holz) verwendet werden. Dadurch wird ein Einfügen in das Landschaftsbild erreicht.

Fachliche Bewertung

Das Vorhaben liegt im planungsrechtlichen Außenbereich nach § 35 BauGB. 
An dem Bauvorbescheidsverfahren wurde u. a. das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kempten (Allgäu) (AELF) beteiligt. Deren Stellungnahme, auf Basis einen Vor-Ort-Termines, wird als wesentliche Grundlage für die Beurteilung des Vorhabens hinsichtlich einer möglichen Privilegierung nach § 35 Abs. 1 BauGB herangezogen. 
Das AELF bescheinigt dem Vorhaben keine vollumfängliche Dienlichkeit für einen landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BauGB. Dies liegt einerseits daran, dass sich der Betrieb erst im Auf- bzw. Umbau befindet und noch kein, bzw. kaum ein finanzielles Einkommen aus den bewirtschafteten Flächen erwirtschaftet werden kann. Mit einem nennenswerten Überschuss ist ca. ab dem Jahr 2026 zu rechnen, ein Vollertrag wird ab ca. 10 Jahren (2032) erwartet. Zum anderen sind keine sechs Wohneinheiten betriebsdienlich.

Für den sich im Aufbau befindlichen Betrieb und die hierfür erforderlichen Maschinen und Geräte ist die Maschinen- und Gerätehalle vorhabensdienlich uns somit nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert

Der neu zu errichtenden Teil des Betriebsgebäudes ist bauplanungsrechtlich differenziert zu beurteilen: 

Erdgeschoss: 
Für einen erfolgreichen Betriebsstart sollen die Flächen im EG für die Obstverarbeitung, Lager, Hofladen und Rädle bereits zur Verfügung stehen, wenn mit der Vermarktung eigenerzeugter Produkte begonnen werden kann. Sie dienen dem Vorhaben und sind privilegiert nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB

Ober- und Dachgeschoss: 
Die Betriebsleiterwohnung ist privilegiert nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB

Vier weitere Wohnungen:
Die vier weiteren Wohnungen im OG und DG können derzeit nicht als dem Vorhaben dienlich eingestuft werden. Eine landwirtschaftliche Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB liegt nicht vor. Daher erfolgt die Prüfung als sonstiges Vorhaben im Außenbereich gemäß § 35 Abs. 2 BauGB. Gemäß § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB kann sonstigen Vorhaben im Sinnes § 35 Abs. 2 BauGB nicht entgegen gehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplanes oder eines Landschaftsplanes widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB sind. Sonstige Belange gem. § 35 Abs. 3 BauGB werden durch das Vorhaben nicht beeinträchtigt. 
Gemäß § 35 (4) Nr. 1 sind Nutzungsänderungen eines landwirtschaftlichen Gebäudes unter folgenden Voraussetzungen zulässig: 
  1. das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz, 
  2. die äußere Gestalt bleibt im Wesentlichen gewahrt, 
  3. die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück (gilt in Bayern nicht)
  4. das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden, 
  5. das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, 
  6. im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB zulässigen Wohnungen (also landwirtschaftlich privilegierte Wohnungen; hier die Altenteiler-Wohnung und die neu zu schaffende Betriebsleiterwohnung) höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und 
  7. es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Bebauung als Ersatz für die aufgegeben Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des § 35 (1) Nr. 1 BauGB erforderlich.

Im hier vorliegenden Fall greift § 35 Abs. 4 Satz 2 BauGB, da der ehemalige Wirtschafsteil neu errichtet werden soll und eine neue Nutzung erhalten soll. Demnach gilt in begründeten Einzelfällen die Rechtsfolge des § 35 Abs. 4 Satz 1, der nur Nutzungsänderungen bei erhaltenswerter Bausubstanz begünstigt, auch für die Neuerrichtung eines landwirtschaftlichen Gebäudes, dem eine andere Nutzung zugewiesen werden soll (hier Wohnungen). Satz 2 wurde ins Gesetz eingeführt, da optisch intakte Bausubstanz oft marode ist, sodass nur eine Neuerrichtung in Betracht kommt. Um den Strukturwandel in der Landwirtschaft zu unterstützen, soll im Einzelfall auch eine Neuerrichtung begünstigt werden. 
Das vorliegende Vorhaben wird als begründeter Einzelfall angesehen. 
Die vorgelegte Betriebsbeschreibung sowie der bereits erfolgte Kauf der Hofstelle mit den dazugehörigen Betriebsflächen machen die Ernsthaftigkeit des Vorhabens deutlich. Die Hofstelle wird nicht aufgegeben sondern weitergeführt. Das Vorhaben ist insgesamt landschaftstypisch und fügt sich von der Art der Bewirtschaftung sowie baulich in die umgebende Landschaft ein. 

Auflage: 
Der Bauherr muss gem. § 35 Abs. 1 Nr. 1 g) eine Verpflichtung übernehmen, keine Ersatzbebauung für die aufgegeben Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB erforderlich. 

Zulässigkeit nach BauGB 
Das Vorhaben ist unter o.g. Auflagen gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB und § 35 Abs. 2 BauGB  i.V.m. § 35 Abs. 4 Satz 2 BauGB genehmigungsfähig. 

Finanzielle Auswirkungen


einmalig
laufend
Finanzielle Auswirkungen:
     
     
Mittel stehen (nicht) zur Verfügung
Haushaltsstelle/
Deckungsvorschlag
   





Diskussionsverlauf

StRin Rundel: Geduldete Wohnwägen sind noch zu beseitigen.

Beschluss

Der Bau- und Umweltausschuss stimmt dem Vorhaben zu. 

Abstimmungsergebnis
Dafür: 13, Dagegen: 0

Dokumente
TOPö7_Anlagen (.pdf)
TOPö7_Anlagen (.pdf)
TOPö7_Anlagen gesamt (.pdf)

Datenstand vom 04.07.2022 13:49 Uhr