- Problemstellung
Das Lindauer Straßennetz ist besonders auf den Ost-West- und Nord-Süd-Achsen sehr stark belastet. Dies führt zu hohen Emissionen und einer störenden Wirkung (besonders durch Lärm) für die Anwohner. An Knotenpunkten wie dem Berliner Platz, wo zwei Bundestraßen aufeinandertreffen, entstehen zeitweise Rückstaus, die den Verkehrsfluss im Stadtgebiet deutlich beeinträchtigen.
In der Tourismushochsaison kommt es zu einem Anstieg der Verkehrsmengen und somit zu einer deutlichen Verschärfung der Verkehrsproblematik. Besonders die Zufahrten zur Insel sowie der Parkraum vor und auf der Insel sind stark von den zusätzlichen Verkehrsbelastungen bzw. der zusätzlichen Nachfrage betroffen. Der vorhandene Verkehrsknoten „Berliner Platz“ muss für die Anforderungen der Zukunft umgebaut werden. Die vorhandene Übergangslösung genügt schon heute nicht den Anforderungen an einen Verkehrsknoten einer Bundestraße.
- Zielsetzung
Die Neugestaltung des Berliner Platzes ist eine der wichtigsten Maßnahmen der Stadtentwicklung der nächsten Jahre. Ziel ist die Errichtung eines neuen Bahnhofsgebäudes (Empfangsgebäude), die städtebauliche und verkehrliche Neuordnung des gesamten Platzes, die Schaffung einer Verknüpfung zum geplanten Stadtentwicklungsgebiet Reutin-Süd sowie die Errichtung eines Mobility Hubs, welche die Schlüsselmaßnahme zur Neuordnung der Lindauer Mobilität darstellen soll.
Ein Mobility Hub, auch „Mobilitätsdrehscheibe“ genannt, ist nach einhelliger Definition ein Ort, an dem verschiedene Verkehrsträger und Mobilitätsservices räumlich zusammenkommen und miteinander verknüpft werden.
Verkehrsträger sind dabei der Schienenverkehr (DB, ÖBB, usw.), der Stadt- und Regionalbus, Radfahrer und Fußgänger sowie der motorisierte Individualverkehr (MIV), insbesondere im Hinblick auf den touristischen Individualverkehr.
Die Mobilitätsdrehscheibe soll in Form eines langgestreckten Gebäudes zwischen Bregenzer Straße und den Gleisflächen errichtet werden. Die PKW erhalten dabei eine Ein- und Ausfahrt auf Höhe der bestehenden Zu- und Ausfahrt der ebenerdigen Stellplatzanlage. Damit wird verhindert, dass PKW weiter in das Stadtgebiet oder den Berliner Platz einfahren. Dadurch soll eine Verkehrsentlastung des Straßennetzes erreicht werden. Die MIV-Stellplätze werden auf verschiedenen Ebenen oberhalb des Erdgeschosses untergebracht werden. Im Erdgeschoss soll ein zentraler Omnibushalteplatz (ZOB) für den Stadt- und Regionalbus errichtet werden, was eine Verlagerung des bestehenden ZUP an den Berliner Platz bedeutet.
Da dies eine erhebliche Verschiebung des neuen ZOBs aus der funktionalen Mitte des Stadtgebietes bedeutet, aber auch eine erhebliche Verbesserung und Attraktivierung des ÖPNV mit sich bringen kann, wurde ein neues Stadtbuskonzept ausgearbeitet. Diese für Lindau einmalige Chance, also die Errichtung eines neuen Bahnhofsgebäudes, der Bau eines Mobility Hubs sowie die Entwicklung eines neuen Stadtbussystems sind die Lösungsansätze der Stadtentwicklung und Mobilitätsplanung auf die bestehende unbefriedigende Verkehrssituation in Lindau, die Herausforderungen des Klimawandels und die Notwendigkeit zur Verbesserung des ÖPNVs.
- Lösungsansatz und Anforderungen der Mobilitätsdrehscheibe
Angestrebt wird eine multimodale Mobilitätsdrehscheibe, die klimaschonende und zukunftsfähige Mobilitätsangebote vereint. Wichtige Bestandteile sind neben dem Fernbahnhof Lindau-Reutin die Verknüpfung mit dem Stadtbus sowie einer Parkierungsanlage. Die Bestandteile werden nachfolgenden detailliert beschrieben.
- Umsetzung des Parkraumkonzeptes
Das Parkraumkonzept der Stadt Lindau hat als wesentlicher Meilenstein die Etablierung von ortsstrategischen Park+Ride-Anlagen formuliert, um touristische Tagesbesuche frühzeitig abzufangen und sie zu unterstützen, nicht mit dem Auto auf der Insel zu fahren. Dies kann gelingen wenn ein Shuttleverkehr vorhandeln ist wie am Bahnhof Reutin. Die benötigten Grundstücke der zu beplanenden Fläche östlich des Bahnhof Reutin wurden im Oktober 2023 erworben. Aktuell wird diese Fläche als ebenerdiger Parkplatz mit Zufahrt im Osten von der Bregenzer Straße genutzt. Zudem befinden sich an der Bregenzer Straße aktuell Haltestellen des Stadtbusses, des Regionalbusses und der Fernbusse. Diese bieten zurzeit leider keine optimale Verknüpfung mit dem Schienenverkehr und sollten als Teil der Mobilitätsdrehschiene im Erdgeschoss des neuen Gebäudes Platz finden.
Der Bau des über dem Busbahnhof angedachten Parkhauses wurde bereits in Testentwürfen vor dem Kauf geprüft und ist trotz der geringen Tiefe der Fläche grundsätzlich umsetzbar. Aufgrund der jetzt vorliegenden Eigentumsverhältnisse wird die Planung einer zentralen Umsteigestelle für Busse weiter konkretisiert.
- Voraussetzungen für die Mobilitätsdrehscheibe
Am Berliner Platz müssen alle Verkehrsarten gut verknüpft werden. Für eine Mobilitätsdrehscheibe Berliner Platz werden folgende verkehrliche Einrichtungen benötigt:
- Ausreichend Bushaltestellen für den Stadtbus und Regionalbus. Um Verspätungen abzufangen, kann es sinnvoll sein, zusätzliche Haltepositionen bereitzuhalten. Gleichzeitig sind Abstellpunkte für Pausen und Ladevorgänge nötig.
- Haltestelle für Fernbusse
- Taxiwartestände
- Überdachte Fahrradstellplätze für Bike and Ride, ggf. auch Fahrradparkhaus
- Station für Leihscooter und -fahrräder
- Stellplatz für Carsharing
- P+R-Parkhaus
Neben Mobilitätsangeboten sollen weitere Serviceangebote implementiert werden:
- Packstationen (siehe 3.4 Emissionsarme City-Logistik)
- Mikrohubs (siehe 3.4 Emissionsarme City-Logistik)
- Kiosk/Bäckerei
- Öffentliche Toiletten
- Verkehrsknoten Berliner Platz und Etablierung einer Mobilitätsdrehscheibe
Der vorhandene Verkehrsknoten „Berliner Platz“ muss für die Anforderungen der Zukunft umgebaut werden. Die vorhandene Übergangslösung genügt schon heute nicht an den Anforderungen an einen Verkehrsknoten einer Bundestraße. Der gesamte Berliner Platz soll zu einer für alle Verkehrsarten sicheren und leistungsfähigen Verkehrsanlage entwickelt werden. Grundvoraussetzung für die angestrebte Verknüpfung der verschiedenen Verkehrsarten (Schienenverkehr, Regionalbus, Stadtbus, Radverkehr, Fußverkehr,…) ist ein leistungsfähiger Verkehrsknoten, der auch den Ansprüchen des übergeordneten Straßennetzes an dieser Stelle gerecht wird.
Für die Umsetzung eines neuen Linienkonzeptes ist der Umbau des Berliner Platzes eine zwingende Voraussetzung. Im Zuge einer Testplanung wurden für den Berliner Platz mehrere Varianten mit ZUP und darüber liegendem Parkhaus entwickelt. Eine wesentliche Forderung kam von Seiten des Stadtbusses, dass der ZUP beidseitig an die Bundesstraße angebunden werden muss. Es ergeben sich sonst unnötige Umwegefahrten. Eine weitere Forderung kam von Seiten der Bahn, dass der Abstand von der nächstgelegenen Gleisachse bis zum ZUP/Parkhaus mindestens 10 m betragen muss. Die Beibehaltung des derzeitigen Turbokreisels (Provisorium) schränkt die Errichtung eines neuen Bahnhofsgebäudes und eines Fahrradparkhauses massiv ein, wenn die Forderung des Stadtbusses erfüllt werden soll. Deshalb wurde eine Lösung mit einer Ampel (VLSA) entwickelt. Da die Einmündung der Rickenbacherstraße geometrisch sehr ungünstig erfolgt, sind nicht alle Beziehungen von und zur Rickenbacherstraße möglich. So wurde eine Lösung entwickelt, die die Anbindung des ZUP an beiden Seiten vorsieht, das Parkhaus wird nur im Osten durch die bereits bestehende VLSA erschlossen.
Die Ergebnisse der Testplanung haben aber gezeigt, dass die Platzverhältnisse zwischen Bahn und Bundesstraße sehr beengt sind. FlyUnder und ZUP/Parkhaus sind nicht miteinander verträglich. Ein FlyUnder benötigt im Bereich der Rampen 4 Fahrspuren (je 2 für Unterführung und 2 für die Vorbeifahrt in den Kreisverkehr) plus Stützmauern für die Rampen. Die bei den Testplanungen als Bestlösung bezeichnete Variante kommt im Bereich Bodensee Hotel mit 3 Fahrspuren aus. Der FlyUnder hat hier einen Mehrbedarf von ca. 4,5m.
Mit dem Kauf des Grundstückes für ZUP/Parkhaus verschärfte die Deutsche Bahn ihre Forderung und verlangte 10m Abstand zwischen Gleisachse und ZUP/Parkhaus. Dies stellen äußerst herausfordernde Rahmenbedingungen für die gewünschten Anforderungen dar.
Um dies wettzumachen und eine funktionierende Mobilitätsdrehscheibe zu erhalten wurden im Bereich des ZUP umfangreiche Änderungen notwendig. Der Bussteig wird lagemäßig etwas in Richtung Bundesstraße verschoben. Die Anlegekante in Richtung Österreich nutzt nun die angrenzende Fahrspur der Bregenzer Straße gleichzeitig als Manöverspur. Durch das Zusammenlegen dieser beiden Spuren konnte der geforderte größere Abstand kompensiert werden. Dadurch können Busse zukünftig in beide Fahrtrichtungen unabhängig voneinander wegfahren, und nicht wie bisher am bestehenden ZUP erst nach Abfahrt des vorderen Busses abfahren. Auch die Wendemöglichkeit sowie die geforderte Anzahl an Haltepositionen für Busse (Stadtbus, Regionalbus, Fernbusse, Schienenersatzverkehr, Ladeposition E-Busse, Parkpositionen…) können so gewährleistet werden und bieten Flexibilität für zukünftige Entwicklungen.
Auch kann so eine notwendige Mindestbreite für den Bussteig erreicht werden. Dieser muss neben den Busfahrgästen und notwendigen Möblierungen (Bänke, Blindenleitsystem, Fahrgastinfo…) auch genügend Platz für die notwendige Statik (Stützen…) sowie Treppenaufgänge und Lifte vorsehen.
Der Geh- und Radweg entlang der Bregenzer Straße wird direkt an die Bahn verlegt und verläuft dadurch kreuzungsfrei, ohne Störungen durch andere Verkehrsströme geradlinig entlang der Bahn.
Getrennte Ein- und Ausfahrten von der Bregenzer Straße für Bus und PKW (Parkhaus) ermöglichen eine einfache und sichere Verkehrsführung. Der „Innenbereich“ des Busbereichs wird nur von Bussen und Fußgängern / Fahrrädern befahren.
Gegenüber der Bestvariante, die beim nö-Stadtrats-Workshop 29. Juli 2022 präsentiert wurde, konnten weitere folgende Verbesserungen erreicht werden:
- Das Mindestgrün für Fußgänger beträgt 16 Sekunden
- Der Schutzweg zwischen Bahn und Bussteig ist vollständig gesichert, wenn sich kein Bus für die Ausfahrt anmeldet bekommt dieser Schutzweg sogar Dauergrün.
- Der Verkehrsfluss auf der Kemptener Straße Richtung Bahn wurde deutlich verbessert.
- Es wird nur in einer Richtung Qualitätsstufe D erreicht, sonst immer Qualitätsstufe C (Bei der Bestvariante vom Workshop waren es 2 Richtungen). Es handelt sich dabei um die Richtung von Osten (Bregenz) her. In diesem Abschnitt verkehren aber keine Linienbusse.
Die Umgestaltung als Ampelkreuzung bringt folgende Vorteile:
- Verkehrssteuerung: Ampeln können den Verkehrsfluss gezielt steuern und anpassen, um Staus zu vermeiden, insbesondere bei hohem Verkehrsaufkommen, wie es am Berliner Platz in Zukunft zu erwarten ist.
- Sicherheit: Sie bieten klare Signale, die das Risiko von Unfällen verringern können, insbesondere für die schwächeren Verkehrsteilnehmer.
- Flexibilität: Ampeln können für verschiedene Tageszeiten und Verkehrsbedingungen programmiert werden.
- Städtebauliche Neuordnung am Berliner Platz
Durch den Ausbau des Bahnhofs Lindau-Reutin zum Fernbahnhof, die Verlegung des zentralen Umsteigepunkts sowie die bislang lediglich provisorische Verkehrsführung durch den Turbokreisel sind Planungen für die verkehrliche und städtebauliche Entwicklung des Berliner Platzes erforderlich.
- Aktueller Projektstand
Um eine möglichst gute städtebauliche Gesamtlösung zu finden, arbeitet das Bauamt an der Durchführung eines städtebaulichen Wettbewerbs. Hierfür wurden die ersten Schritte in der Bau- und Umweltausschuss am 4. Juni 2024 veranlasst. Die Stadtverwaltung hat im Nachgang zu dieser Sitzung ein Büro für die Betreuung des Wettbewerbsverfahrens durch eine Ausschreibung gefunden, welches nach einer Förderzusage durch die Regierung von Schwaben voraussichtlich noch im Oktober beauftragt wird.
Parallel wurde ein Konzeptvergabeverfahren für die professionelle kommunikative Projektbegleitung ausgeschrieben, welches aktuell noch läuft. Ende Oktober soll hier ein Konzept ausgewählt werden, so dass das ausgewählte Büro parallel zur Erarbeitung des Auslobungstextes für den städtebaulichen Wettbewerb mit der Beteiligung starten kann. Die Ergebnisse der Öffentlichkeitsbeteiligung sollen selbstverständlich in den Auslobungstext mit einfließen.
- Umgriff städtebaulicher Wettbewerb
Siehe beigefügter Lageplan.
Eine Anpassung des Umgriffs ist im Laufe des Wettbewerbsverfahrens noch möglich und wahrscheinlich.
- Ziele des Wettbewerbs
Der Bereich um den neugestaltete Berliner Platz soll
- eine starke Identität vermitteln und somit eine neue Visitenkarte der Stadt Lindau sein.
- unter Beteiligung der Bevölkerung, insbesondere der Anliegerinnen und Anliegern und Grundeigentümerinnen und Grundstückseigentümern in einem offenen Prozess entstehen.
- als Mobilitätsdrehscheibe und Ort des Umsteigens Raum für den Stadtbus, Regionalbusse, Fernbusse, Taxen, On-Demand-Angebote, Fahrräder und Mieträder sowie Fußgänger bieten.
- ein starkes, belebtes, gemischtes Quartier sein. Neue Nutzungen sollen integriert werden und bestehende, wie der Vorplatz des Lindauparks, eingebunden und aufgewertet werden.
- städtebaulich durch herausgebildete Raumkanten umgeben sein und eine hohe Freiraum- und Verweilqualität aufweisen. Die Aufenthaltsräume sollen hierbei mehr als nur eine Verkehrsfunktion übernehmen.