Beteiligung der Gemeinde Seefeld an der Bauleitplanung der Nachbargemeinde Andechs: Bebauungspläne Frieding Nord (Nrn. 43.1-43.6)


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Gemeinderates, 02.03.2021

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Gemeinderat Sitzung des Gemeinderates 02.03.2021 ö 10

Sach- und Rechtslage

Ausgangssituation

Die Gemeinde Andechs stellt im Norden des Ortsteils Frieding in einer konzertierten Aktion mehrere Bebauungspläne auf, um die dort teilweise bereits bestehenden land- und forstwirtschaftlichen, gewerblichen und sonstigen Nutzungen planungsrechtlich zu sichern und diese um zusätzliche Bauflächen zu erweitern. Die Vorhaben werden zwar in separaten Bebauungsplanverfahren abgewickelt, stehen aber im engen räumlichen und inhaltlichen Zusammenhang und werden daher parallel entwickelt. 

Planungsinhalte

Konkret handelt es sich um folgende Bebauungsplanverfahren mit folgenden Planungsinhalten (siehe Anlagen Bebauungspläne Nrn. 43.1 - 43.6): 

Vorhabenbezogener Bebauungsplan Nr. 43.1 
  • Festsetzung eines Sondergebietes „Regenerative Energien“
  • Zulässige Nutzungen im SO: Be- und Verarbeitung von Rohstoffen zur Gewinnung regenerativer Energie
  • Festsetzung eines Dorfgebietes (südwestlicher Teilbereich, Bestandsüberplanung)
  • Bauflächen: 3.410 m² Bestand, 950 m² Neubauflächen

Vorhabenbezogener Bebauungsplan Nr. 43.2 
  • Festsetzung eines Sondergebietes „Lagerhaltung und Verarbeitung land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse“, 
  • Zulässige Nutzungen: Lagerplätze sowie Gebäude zur Lagerung beweglicher Gegenstände mit Ausnahme von Gefahrstoffen und Düngemittel, Maschinenhallen für land- und forstwirtschaftliche Maschinen, Verarbeitung (Aufbereitung/Veredelung) land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse
  • Bauflächen: 1.200 m² Neubauflächen

Vorhabenbezogener Bebauungsplan Nr. 43.3
  • Festsetzung eines Sondergebietes „Landwirtschaftliche Nutzung und Holzverarbeitung“ 
  • Zulässige Nutzungen: Maschinenhalle für land- und forstwirtschaftliche Geräte und Maschinen, Lagerung von forst- und landwirtschaftlichen Rohstoffen, Lagerung und Verarbeitung (Aufbereitung/Veredelung) von forst- und landwirtschaftlichen Produkten, Strom- und Wärmeerzeugung vorwiegend zum Eigenbedarf
  • Bauflächen: 650 m² Bestand, 1.800 m² Neubauflächen

Vorhabenbezogener Bebauungsplan Nr. 43.4
  • Festsetzung eines Sondergebietes „Landwirtschaftliche Nutzung und Holzverarbeitung“ 
  • Zulässige Nutzungen: Wirtschaftsstellen landwirtschaftlicher Betriebe; Handel mit landwirtschaftlichem Bedarf und landwirtschaftlichen Erzeugnissen; Reinigung, Trocknung und Aufbereitung von Getreide und Saatgut
  • Bauflächen: 700 m² Bestand, 2.500 m² Neubauflächen

Vorhabenbezogener Bebauungsplan Nr. 43.5
  • Festsetzung eines Sondergebietes „Lagerflächen“ 
  • Zulässige Nutzungen im SO „Lagerflächen“: Abstellen, Lagern und Verladen von Transport- und Baucontainern, Werk- und Hilfsstoffen (wie z.B. Verbaumaterial), Verladerampen, Betonfertigteile und Baumaschinen; Lagerung von Bauschutt-, Straßenaufbruch, Zuschlagsstoffen (wie z.B. Kies, Humus, Steine und nicht verunreinigtes, zertifiziertes Material); Lagerung und Weiterverarbeitung von Rohstoffen und Recyclinggut; Stellplätze für Mitarbeiter
  • Festsetzung eines Sondergebietes „Verwaltung“
  • Zulässige Nutzungen im SO „Verwaltung“: Verwaltungs-/Bürogebäude mit Tiefgarage, private Grünflächen, Stellplätze für Mitarbeiter/Kunden/Besucher, Werbeanlage (Firmenschild), Anlagen für die Löschwasservorhaltung und für die flächige Versickerung von Niederschlagswasser
  • Bauflächen: 8.300 m² Lagerflächen, 440 m² Neubauflächen (im Vorentwurf noch 350 m², somit Erhöhung um 90 m²) 

Vorhabenbezogener Bebauungsplan Nr. 43.6
  • Schaffung eines Gewerbegebietes
  • Zulässig sind alle gemäß § 8 Abs. 2 BauNVO im Gewerbegebiet zulässigen Nutzungen (Gewerbebetriebe aller Art, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe, Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude, Tankstellen, Anlagen für sportliche Zwecke).
  • Bauflächen: 2.300 m² Neubauflächen

Insgesamt werden durch die Bebauungspläne ca. 4.760 m² Bestandsbebauung, 9.190 m² neu ausgewiesene Bauflächen und 8.300 m² Lagerflächen gesichert (insg. 22.250 m²). 

Frühzeitiges Beteiligungsverfahren 2019

Die Gemeinde Seefeld hat bereits im Zuge der frühzeitigen Behördenbeteiligung gemäß § 3 Abs. 1 BauGB eine Stellungnahme abgegeben und darin insbesondere Bedenken zur verkehrlichen Situation vorgebracht. Zudem wurde bemängelt, dass die mit den Planvorhaben verbundenen verkehrlichen Auswirkungen auf die Staatsstraße STA9 und die Verkehrsströme nach Drößling nicht ausreichend untersucht und berücksichtigt wurden (siehe Anlage Stellungnahme vom 05.06.2019). 

Mögliche Betroffenheit der Gemeinde Seefeld

Die Gemeinde Seefeld bzw. der Ortsteil Drößling ist einerseits durch eine zu erwartende Erhöhung der Verkehrsbelastung, andererseits durch mögliche Lärmimmissionen von den Planungen der Gemeinde Andechs betroffen:

1. Verkehrsbelastung

Die von der Gemeinde Seefeld im Rahmen der frühzeitigen Beteiligung vorgebrachten Bedenken wurden seitens der Gemeinde Andechs dahingehend berücksichtigt, dass eine konkretisiertes Verkehrsgutachten in Auftrag gegeben wurde und die Vorhabenträger aufgefordert wurden, die zu erwartenden Verkehrsbewegungen zu konkretisieren (siehe Anlage Abwägungsergebnis). 

Gemäß Verkehrsgutachten Prof. Dr.-Ing. Harald Kurzak vom 10.06.2020 (siehe Anlage) sei fast kein zusätzlicher Schwerverkehr und vor allem nachts keine zusätzliche Verkehrsbelastung zu erwarten. Insgesamt sei für das Gesamtgebiet mit einem werktäglichen Verkehrsaufkommen von 410 Kfz-Fahrten (300 Pkw + 110 Lkw) zu rechnen. Für die Kreisstraße STA9 und damit auch für die Ortsdurchfahrt Drößling beträgt die Mehrbelastung im Planfall rund 100 Kfz-Fahrten pro Werktag, davon bis zu 10 Lkw. Das für 2020 errechnete Gesamtverkehrsaufkommen auf der STA9 im Bereich südlich von Drößling beträgt 2.620 Kfz/Werktag und würde sich somit auf ca. 2.720 Kfz/Werktag erhöhen. Für das Jahr 2035 wird im sog. Prognosenullfall, also bei Nichtdurchführung der Planung, mit einer nur mehr geringen allgemeinen Zunahme des Verkehrs auf 2.700 Kfz/Werktag gerechnet, so dass im Planfall für das Jahr 2035 ein Gesamtverkehrsaufkommen von 2.800 Kfz/Werktag zu erwarten ist.

2. Lärmimmissionen, Zusatzkontingente 

Durch die gewerblichen Nutzungen und deren geplanten Erweiterungen im Norden von Frieding entstehen Lärmemissionen. Damit an den benachbarten Immissionsorten in Frieding und Drößling die gesetzlichen Richtwerte der eingehenden Lärmimmissionen nicht überschritten werden, hat die Gemeinde Andechs in den Bebauungsplänen sog. Emissionskontingente festgesetzt. 

Gemäß Lärmgutachten der Müller-BBM GmbH vom 27.01.2020 werden auch nach Realisierung der Planung die Richtwerte für den Immissionsort Drößling (= Wohngebiet mit max. 55 dB(A) tags und 40 dB(A) nachts) mit 43,7 dB(A) tags und 28,4 dB(A) nachts deutlich unterschritten. Insofern sind aus immissionsschutzfachlicher Sicht keine Einschränkungen zu erwarten bzw. die gesetzlichen Maßstäbe werden eingehalten. 

Allerdings wurden auch sog. Zusatzkontingente in Richtung Drößling festgesetzt, d.h. dass aufgrund der deutlichen Unterschreitung der Richtwerte am Immissionsort Drößling die in den Bebauungsplänen vorgegebenen Emissionskontingente bei Bedarf bis zu einem gewissen Grad überschritten werden dürfen. Dadurch könnte der Planungsspielraum auf Drößlinger Seite eingeschränkt sein, da bei einer theoretischen Entwicklung von Gewerbeflächen auf Drößlinger Flur ggf. nicht mehr ausreichende Emissionskontingente zur Verfügung stehen. 

Vor diesem Hintergrund hat die Untere Immissionsschutzbehörde in ihrer Stellungnahme vom 12.08.2019 eine Streichung oder zumindest eine Reduzierung der Zusatzkontingente gefordert. Die Gemeinde Andechs hat infolgedessen auf Vorschlag des Lärmgutachters die Zusatzkontingente von bisher einheitlich 6 dB(A) auf durchschnittlich unter 4 dB(A) gesenkt. 

Erneutes Beteiligungsverfahren 2021

Mit Schreiben vom 25.01.2021 wurde die Gemeinde Seefeld im Zuge der Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange gemäß § 4 Abs. 2 BauGB nun erneut um Stellungnahme zu den Bebauungsplänen gebeten.  

Die Verwaltung schlägt vor, auf die Stellungnahme vom 05.06.2019 zu verweisen (siehe Anlage) und die vorgebrachten grundsätzlichen Bedenken weiterhin aufrecht zu erhalten. Zudem sollte unter Bezugnahme auf die Stellungnahme der Unteren Immissionsschutzbehörde vom 12.08.2019 darauf hingewiesen werden, dass auf die Zusatzkontingente entweder komplett verzichtet oder zumindest sichergestellt werden sollte, dass die Entwicklungsmöglichkeiten auf Drößlinger Flur nicht eingeschränkt werden.

Hinweis: Die kompletten Planunterlagen können auf der Homepage der Gemeinde Andechs (www.gemeinde-andechs.de) unter Bürgerservice / Bauamt / Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligungen eingesehen werden. 

Sitzungsverlauf

Das Planvorhaben der Gemeinde Andechs stößt nach wie vor auf klare Ablehnung. Befürchtet wird eine deutliche Zunahme der Verkehrsbewegungen, insbesondere der Lkw-Fahrten im Bereich der Ortsdurchfahrt Drößling. Die Ergebnisse des vorgelegten Verkehrsgutachtens werden angezweifelt und auf methodische Mängel bei der Erstellung hingewiesen. Es wird konstatiert, dass eine Entwicklung von Gewerbeflächen nicht zulasten der umliegenden Gemeinden erfolgen darf.

Der Gemeinderat plädiert dafür, die Bedenken der Gemeinde Seefeld in der Stellungnahme noch deutlicher und umfassender zu formulieren. Zudem soll das Verkehrsgutachten in Frage gestellt und auf die Mängel hingewiesen werden. 

Des Weiteren wird die Erstellung eines Gegengutachtens in Erwägung gezogen. Die Möglichkeit einer Herabstufung der Staatsstraße im Bereich der Ortsduchfahrt Drößling soll zudem erneut geprüft werden. 

Beschluss

Der Textvorschlag der Verwaltung für die Stellungnahme der Gemeinde Seefeld wird um weitere Ausführungen ergänzt. Die Vorbehalte sollen noch deutlicher zum Ausdruck gebracht und das Verkehrsgutachten in Frage gestellt werden. 

Zudem schließt sich die Gemeinde Seefeld den Anregungen der Unteren Immissionsschutzbehörde zu den festgesetzten Zusatzkontingenten an (siehe Stellungnahme vom 12.08.2019) und bittet darum, generell auf Zusatzkontingente zu verzichten.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 19, Dagegen: 0

Datenstand vom 17.10.2022 10:34 Uhr