Baugrundstück:
- Fl.Nr.273/3 Gemarkung Oberalting-Seefeld
Planungsrechtliche Grundlage:
- § 30 BauGB iVm. Ortsmitte Teil Nord-West
Beschreibung des Bauvorhabens:
- Errichtung eines Anbaus an eine bestehende Doppelhaushälfte; das Grundstück ist zur Realteilung vorgesehen; somit entsteht der Anbau als selbständige Haushälfte
- Anbau mit der GR 1 von 60,65 m² bei einer geplanten Grundstücksgröße von 300 m²
- Abstandsflächen können voraussichtlich eingehalten werden, sind aber nicht Gegenstand des Antrags auf Vorbescheid
- zusätzlich 2 Stellplätze können nachgewiesen werden, sind aber nicht Gegenstand des Antrags auf Vorbescheid
Frage:
1. Kann einer Befreiung von der Festsetzung des Bebauungsplans bzgl. der Überschreitung der Grundflächenzahl (GRZ)von 0,20 auf 0,23 zugestimmt werden?
Bemerkung: Die Nachbargrundstücke Fl.Nr.273/2 und 273/20 überschreiten die GRZ ebenfalls, GRZ lt. B-Plan 0,20, GRZ ist 0,23.
Baurechtliche Beurteilung:
Zu Frage 1:
- Der Antragsteller begehrt vorab die rechtsverbindliche Klärung der Einzelfrage zum Bauvorhaben, ob die Gemeinde das Einvernehmen nach § 36 BauGB zu einer Befreiung nach § 31 Abs.2 oder 3 BauGB von der Festsetzung A.3b) Grundflächenzahl 0,20 erteilt.
- durch den geplanten Anbau von 60,65 m² würde sich für das zur Realteilung vorgesehen Grundstück mit 300 m² eine GRZ von 0,20, für das verbleibende Grundstück mit bestehendem Wohnhaus von 0,25 ergeben, bei einer Gesamtbetrachtung der beiden Grundstücke im ungeteilten Zustand durchschnittlich 0,23
- da aktuelle die GRZ bei 0,14 liegt, würde bei Errichtung des Anbaus und Realteilung hinsichtlich dem Grundstücksteil mit Altbau eine GRZ von 0,25 entstehen; eine Realteilung ist nicht zustimmungspflichtig seitens der Gemeinde; allerdings dürfen durch die Teilung aber auch keine baurechtswidrigen Zustände geschaffen werden; die Gemeinde hat hierzu eine Stellungnahme nach § 19 Abs.2 BauGB abzugeben
- Befreiung nach § 31 Abs.2 BauGB:
Voraussetzung der Befreiung ist u.a., dass die Grundzüge der Planung durch die Mehrung der GRZ nicht berührt werden; mit dem Begriff der Grundzüge der Planung bezeichnet das Gesetz die durch die Hauptziele der Planung bestimmte Grundkonzeption des Bebauungsplans. Die Grundzüge manifestieren sich in den Festsetzungen des Bauungsplans. Was zum planerischen Grundkonzept zählt beurteilt sich nach dem im Bebauungsplan zum Ausdruck kommenden Planungswillen der Gemeinde. In der Regel gilt, dass Festsetzungen zu Art und Maß der baulichen Nutzung zu den Grundzügen zählen, weil durch sie eine Grundkonzeption für die Nutzung der Baugrundstücke entsteht. Die Grundzüge sind hingegen nicht berührt, wenn die Abweichung nur ein geringes Gewicht besitzt, so dass sie noch vom planerischen Willen der Gemeinde als umfasst gelten kann, z.B. Gestaltungsvorschriften oder Randkorrekturen in geringem Umfang.
Im Bebauungsplan Ortsmitte Teil Nord-West wird das Maß der baulichen Nutzung über die Festsetzungen zu GRZ, Wandhöhe, Baugrenze und Mindestgrundstückgröße bestimmt. Hierüber ist der Planungswille der Gemeinde hinsichtlich der baurechtlichen Ausnutzung der Grundstücke geregelt. Im aktuellen B-Plan aus 1999 sind große Grundstücke mit moderaten Baukörpern festsetzt. Eine Befreiung würde zur Schwächung der Festsetzung der GRZ als zentraler Baustein des Grundkonzepts des B-Plans führen. Die Festsetzung der Baugrenzen ist großzügig. Die Vorschrift der GRZ engt das Maß der Nutzung bewusst wieder ein. Die GRZ ist nicht durch eine andere Festsetzung doppelt abgesichert (z.B. Geschossfläche). Ein Abrücken von dem Konzept im Einzelfall hätte wegen vergleichbaren städtebaulichen Situationen (Haus mit Anbaumöglichkeit innerhalb Baugrenze, aber gegenwärtig nicht zulässig wegen GRZ) für eine Vielzahl von anderen Grundstücken weitreichende Folgen.
Die Grundzüge der Planung sind berührt, eine Befreiung nach § 31 Abs.2 tatbestandlich nicht möglich.
- Befreiung nach § 31 Abs.3 BauGB:
Eine Befreiung nach Abs.3 zur Schaffung von Wohnraum ist möglich, auch soweit die Grundzüge der Planung berührt sind. Sie kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall erteilt werden, wenn von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden soll und die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Diese Befreiungsmöglichkeit dient nach dem gesetzgeberischen Ziel dazu, Randkorrekturen in Bebauungsplänen im Einzelfall, ohne Folgewirkung zugunsten des Wohnungsbaus vorzunehmen. Stehen also einzelne Festsetzungen des Bebauungsplans einem Bauvorhaben entgegen, soll zugunsten des Wohnungsbaus eine Ausnahme gemacht werden können. Hierbei ist von Abweichungen bis max. 10% auszugehen. Nicht hingegen sollen die Bebauungspläne ausgehöhlt werden, so dass für die Allgemeinheit kein Vertrauen mehr in die Rechtswirksamkeit der Festsetzungen besteht und der B-Plan damit obsolet wird.
Vorliegend kann bei einer Grundstücksgröße von 718 m² und einer GRZ von 0,20 eine Grundfläche von 143,6 m² bebaut werden. Bestehendes Wohnhaus und Anbau weisen zusammen eine GR von 163,32 m² auf. Die Überschreitung ist somit größer als 10%. Nach einer Realteilung würde das verbleidende „Altgrundstück“ eine GRZ von 0,25 aufweisen.
Wie bereits ausgeführt ist nicht nur von einer Einzelfallwirkung auszugehen (s.o.). Eine Nachverdichtung über 10% für das gesamte Bebauungsplangebiet sollte mit dem Sachgebiet Bauleitplanung im Rahmen einer Bebauungsplanänderung besprochen werden. Im Rahmen eines Änderungsverfahrens sind die mit der Nachverdichtung einhergehenden Folgeproblem (z.B. Verkehr, Parken, Erhalt der Durchgrünung) städteplanerisch zu prüfen.
- Die Nachbargebäude Fl.Nr.273/2 und 273/20 überschreiten die GRZ mit 0,23 ebenfalls. Es handelt sich aber sämtlich um genehmigten Altbestand aus der Zeit vor Rechtsverbindlichkeit des B-Plans 1999. Somit gibt es keine Bezugsfallwirkung.
Anlagen:
- Eingabeplan
- Fragenkatalog