Anstehende Ertüchtigungsmaßnahmen in der Kläranlage Grafrath / Vorstellung der angedachten Baumaßnahmen durch den Zweckverband zur Abwasserbeseitigung "Obere Amper" / generelle Einordnung der Thematik


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Gemeinderates, 13.10.2021

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Gemeinderat (Gemeinde Türkenfeld) Sitzung des Gemeinderates 13.10.2021 ö informativ 3
Gemeinderat (Gemeinde Türkenfeld) Sitzung des Gemeinderates 08.12.2021 ö beschließend 11
Gemeinderat (Gemeinde Türkenfeld) Sitzung des Gemeinderates 26.10.2022 ö beschließend 4
Gemeinderat (Gemeinde Türkenfeld) Sitzung des Gemeinderates 15.02.2023 ö beschließend 4

Pressetaugliche Texte

Im Rahmen der Sitzung wird Herr Heldeisen, Geschäftsführer des Zweckverbandes zur Abwasserbeseitigung "Obere Amper", über die aus fachlicher Sicht anstehenden Investitions- und Erweiterungsmaßnahmen an der Kläranlage Grafrath berichten. Türkenfeld ist – vereinfacht dargestellt – an diese „angeschlossen“, weshalb sich eine direkte Betroffenheit für die Gemeinde ergibt.

Zur Erarbeitung von Handlungsoptionen i. B. auf die finanziellen Aspekte wurde in der Gemeinde Türkenfeld eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Termine sind vereinbart und mit Hilfe von ext. Know how soll eine tragbare Lösung gefunden werden. Insofern sind die finanziellen Aspekte des Projekts NICHT Gegenstand der heutigen GR-Beschlussfassung. 

***
Aufgrund der Bedeutung des Themas werden nachfolgend für die Ratsmitglieder sowie die Öffentlichkeit verschiedene Hintergrundinformationen zusammengefasst: 

Auslöser für die aktuellen Überlegungen:
Die Kläranlage in Grafrath kommt aus verschiedenen Gründen an die Leistungsgrenze bzw. Bedarf einer Modernisierung. Zu nennen ist hier das – wenn auch moderate aber dennoch vorhandene - Bevölkerungswachstum. Darüber hinaus gibt es div. neue wasserrechtliche Aspekte, die ein Upgrade erforderlich machen. Nicht zuletzt habe die Verantwortlichen ein Modell entwickelt, wie durch einen umwelttechnisch einwandfreien Umgang mit Klärschlamm ein lokaler Energiekreislauf entstehen kann, der schlussendlich zu deutlichen Energieeinsparungen in der Anlage führt und sogar den Verkauf von Strom als möglich erscheinen lässt. Langfristig würden durch die geplanten Maßnahmen also Betriebskosten gesenkt und Umwelt-Emissionen deutlich reduziert. Die Gesamtkosten der Maßnahme werden auf > 5 Mio. EUR geschätzt. Der Türkenfelder Anteil hieran beträgt ~ 2 Mio. EUR. Die angefügte, vom Verband erstellte Datei, verdeutlicht die erwarteten Werte. 

Bgm. Staffler wurde über die Maßnahme Ende Juli informiert; ebenfalls Ende Juli fand ein Termin zwischen den Verbandsvertretern und den Türkenfelder BGMs statt. Der Zweckverband hat die Ratsmitglieder aus Türkenfeld, Grafrath und Kottgeisering Mitte August zu einer Informationsveranstaltung eingeladen. Seitens des Verbandsrates wurden ebenfalls Mitte August Entscheidungen getroffen, um die Planungen weiter voranzutreiben. 


Ausgangslage / „Urzustand“ – gemeinsamer Zweckverband mit den Gemeinden Grafrath, Kottgeisering & Türkenfeld im Kontext ABWASSER:
Urspr. gründeten in den 1970er-Jahren (?) die Gemeinden Türkenfeld, Kottgeisering und Grafrath einen Abwasserzweckverband. Ziel war damals, die Abwässer aller drei Gemeinden gemeinsam zu entsorgen und auch die örtlichen Kanalnetze (Schmutzwasser und Oberflächenwasser) im Zweckverband zu bündeln. Bündeln bedeutet im Falle einer vollwertigen Zweckverbandsmitgliedschaft, dass die komplette Verantwortung für einen Themenbereich inkl. Eigentum an den „Assets“ (= in diesem Fall die Kläranlage, Rohrleitungen,  ….) an den Zweckverband übergeht. Dieser Verband wiederum hat einen Geschäftsführer, der von einem Verbandsrat (analog Gemeinderat) kontrolliert bzw. gesteuert wird. Die beteiligten Gemeinden entsenden Verbandsräte aus der Mitte der jeweiligen Gemeinderäte. Auch die Kalkulation der Abwassergebühren erfolgt dann durch den Verband (inkl. Kommunikation ggü. Bürgerschaft, Einzug der Gebühren und Beiträge, …).

Austritt der Gemeinde Türkenfeld aus dem gemeinsamen Verband in der Wahlperiode 1978-1984:
Die Gemeinde Türkenfeld ist in der Wahlperiode 1978-84 aus dem Zweckverband ausgetreten. Die Gründe dafür: Es muss angenommen werden, dass die in Folge der nachdrücklich geführten Diskussionen um Bildung bzw. Nicht-Bildung einer Verwaltungsgemeinschaft im Zuge der Gemeindegebietsreformen dazu führten, dass seitens der Türkenfelder Verantwortlichen eine maximale Unabhängigkeit angestrebt wurde. Auch i. B. auf Fragen des Abwassernetzes (Kanalbau, Unterhalt, …). Schon zum damaligen Zeitpunkt war aber klar, dass Türkenfeld weiter seine Abwässer in der Kläranlage Grafrath entsorgen würde. 
Die damals Verantwortlichen einigten sich darauf, anstelle einer vollwertigen Mitgliedschaft im Zweckverband eine sog. Zweckvereinbarung abzuschließen (siehe Folgepunkt).


Kerninhalte der Zweckvereinbarung / Umgang mit laufenden Kosten sowie (einmaligen) Investitionen und Aufwertungen der Kläranlage:
Vereinfachend kann man eine Zweckvereinbarung mit dem Wort „Dienstleistungsvertrag“ beschreiben. Der Gemeinde Türkenfeld wird darin de facto auf Dauer das Recht eingeräumt, die Türkenfelder Abwässer in der Kläranlage Grafrath zu entsorgen. Als Gegenleistung für das Recht zur Entsorgung hat sich Türkenfeld in der Zweckvereinbarung ( ~ 1980er Jahre) verpflichtet, nach einem exakt definierten Schlüssel anteilig sämtliche laufenden Kosten zu tragen (vgl. Gebührenberechnung Abwasser). Auch legt die Vereinbarung fest, dass Herstellungskosten (i. S. Investitionen) anteilig zu tragen sind.  


Finanzierung der anfallenden Investition durch den Zweckverband (= für die Gemeinden Kottgeisering und Grafrath):
Aufgrund der Zweckverbandsstruktur fallen für die Gemeinden Kottgeisering und Grafrath in deren Kommunalhaushalten voraussichtlich KEINE Kosten an. Als Kostenträger tritt der Zweckverband auf, der wiederum in großen Teilen durch Darlehen finanziert die Kosten im Zweckverbandshaushalt abbildet. 
Annahme (=> Entscheidungshoheit bei den Verantwortlichen im Verbandsrat!): Durch eine temporäre Erhöhung der Gebühren sowie maßgeblich durch erwartete Einsparungen (Energiekosten, …) sollen Zins und Tilgung gegenfinanziert werden. 


Finanzierung der anfallenden Investition durch die Gemeinde Türkenfeld:
Hier stehen div. Möglichkeiten im Raum, die jeweils aus Sicht des Gemeindehaushalts, des Cashflows bzw. der Liquiditätssituation der Gemeinde, unserer Gebührenzahler wie auch Aspekten der Abschreibung zu beleuchten sind. Der Bürgermeister hat in Abstimmung mit den stv. BGMs und unter Einbindung des zuständigen Referenten sowie eines Finanzierungsspezialisten aus der Bürgerschaft eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die in den kommenden Monaten Handlungsoptionen aus Türkenfelder Sicht erarbeiten soll. Diese werden dann dem Gemeinderat zur Entscheidung vorgelegt. 
WICHTIG: Schon heute liegen die Abwassergebühren, die der Zweckverband in Kottgeisering erhebt über den Gebühren, die Türkenfeld (nach der erfolgten Gebührenanpassung zum 01.04.2021) festgesetzt hat. 
Abwassergebühr Türkenfeld seit 01.04.2021: 2,72 €/ m³
Abwassergebühr Zweckverband: 2,36 €/ m³ zuzüglich einer Grundgebühr, die sich wie folgt staffelt:

Es erscheint angesichts des „Türkenfelder Anteils“ an der Investition in die Kläranlage (~ 2 Mio. EUR) unausweichlich, z. B. eine weitere Gebührenanhebung bzw. die analoge Einführung einer Grundgebühr ins Auge zu fassen, wodurch sich eine Harmonisierung der Gebühren in den drei an der Anlage angeschlossenen Gemeinden ergäbe. Querfinanzierungen aus dem Gemeindehaushalt sind gesetzlich ausgeschlossen, nachdem hier das Kostendeckungsprinzip greift. Außerdem wäre der Gemeindehaushalt nicht in der Lage, eine solche Investition zusätzlich zu den laufenden Projekten abzubilden. Weitere Optionen zur Finanzierung werden, wie ausgeführt, derzeit erarbeitet. 


***

EXKURS: Zustand des Türkenfelder Abwassernetzes:
Im Zuge der seit Ende Juli 2021 laufenden Gespräche mit dem Zweckverband hat Bgm. Staffler auch im Einschätzungen zu baulichen Zustand des Türkenfelder Abwassernetzes gebeten. Ziel war und ist es, die Lage umfassend einschätzen zu können. 
1)        Letzte sog. Kamera-Befahrung des Netzes liegt ~ 6 Jahre zurück. Damals grds. solides/ gutes Urteil zum Zustand. ABER: Eine Befahrung der Hausanschlüsse steht noch aus. Eine Faustregel lautet, dass alle 10 Jahre Befahrungen durchgeführt werden sollten. 
=> BGM. Staffler wird mit dem damals beauftragten Ingenieur ein Gespräch führen um zu eruieren, wie der Zustand gesamthaft einzuschätzen ist. 
2)        Mit Ausnahme ausgewählter Maßnahmen wurde in Türkenfeld in den letzten Jahrzehnten zurückhaltender in den Sanierungsunterhalt des Netzes investiert, als dies in Grafrath und Kottgeisering der Fall war (hierdurch erklären sich auch die bis heute geringeren Gebühren!); die Investitionspunkte lagen z. B. im Bereich des Schmutzwasserkanals, …. 
Zum Vergleich: Grafrath und Kottgeisering investieren pro Jahr lt. Aussagen der Verantwortlichen in Sanierungsmaßnahme ~ 200 TEUR. Umgerechnet auf die Türkenfelder Leitungslänge müsste Türkenfeld – um gleichzuziehen - ~ 130 TEUR pro Jahr investieren (=> Verwaltungshaushalt mit direkter Wirkung auf die Abwassergebühren); die Türkenfelder Investitionen (= Sanierungsmaßnahmen) lagen in der Vergangenheit oft im fünfstelligen Euro-Bereich pro Jahr.    
3)        Von den Verantwortlichen des Zweckverbandes wird der Zustand des Netzes als „teilweise verbesserungswürdig“ beschrieben. Exemplarisch genannt werden teilweise „veraltete Pumpanlagen“ (Anlage Guggenberg wird, wie vom Gemeinderat beschlossen, derzeit ertüchtigt), …
4)        Es erscheint damit geboten, sich einen NEUTRALEN Überblick über den Status quo zu verschaffen. Hierfür ist grob mit folgenden Kosten zu kalkulieren, wobei sich die Werte immer auf das gesamte Netz beziehen und auch ein Splitting in Jahresscheiben möglich wäre:
Kamerabefahrung des kompletten Netzes inkl. Hausanschlüsse ~ 100 TEUR
Auswertung Kamerabefahrung durch Ing. Büro ~ 50 TEUR
Zustandserfassung Pumpstationen inkl. Handlungsempfehlungen ~ 20 TEUR
IM RAHMEN DER HAUSHALTSBERATUNGEN 2022 soll das Thema aufgerufen und ggf. zur Entscheidung vorgelegt werden.


Beschlussvorschlag:
Kenntnisnahme. 


Datenstand vom 12.11.2021 11:21 Uhr