Vorstellung eines möglichen Projektes der Initiative „NATÜRLICH BAYERN“ im Günztal


Daten angezeigt aus Sitzung:  17. Sitzung des Bau- und Umweltausschusses, 27.09.2021

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Bau- und Umweltausschuss Ichenhausen (Stadt Ichenhausen) 17. Sitzung des Bau- und Umweltausschusses 27.09.2021 ö Entscheidung 2

Sachverhalt

Bei der Initiative „NATÜRLICH BAYERN“ steht der Schutz der heimischen Insekten im Fokus. Die bayerischen Landschaftspflegeverbände schaffen, vermehren und verbessern in 30 Einzelprojekten in allen Regionen des Freistaats Lebensräume für Insekten.

Das Bayerische Umweltministerium fördert das auf fünf Jahre angelegte Projekt im Rahmen des „Blühpakts Bayern“. Der Deutsche Verband für Landschaftspflege (DVL) koordiniert die Initiative. Ziel ist es, durch Nutzung und Förderung ausschließlich gebietsheimischer Pflanzen wertvolle Lebensräume für Insekten zu schaffen, zu erhalten und zu verbessern.
Die Landschaftspflegeverbände werden mit NATÜRLICH BAYERN vor allem…
  • möglichst viele öffentliche Flächen als Lebensräume und Nahrungsquellen für Wildinsekten neu anlegen,
  • bestehende, artenarme Flächen insektenfreundlich aufwerten,
  • Kommunen über die insektenfreundliche Anlage und Bewirtschaftung von Flächen beraten.

Der Landschaftspflegeverband Günzburg e.V. ist mit der Umsetzung eines der 30 Einzelprojekte beauftragt, dessen Zielsetzung die ökologische Pflege von Entwässerungsgräben ist. 
Im Günztal zwischen Oxenbronn und Ichenhausen könnte dazu der im Eigentum der Stadt Ichenhausen befindliche „Taubriedgraben“, Grundstück Flur-Nr. 475 Gemarkung Oxenbronn auf einer Länge von 1.750 m und einer Fläche von rund 15.000 m² in den Jahren 2021 und 2022 als Anschauungs- und Versuchsobjekt dienen und gemäht anstatt gemulcht werden. 

Hierfür würden der Stadt Ichenhausen keine Kosten entstehen, da der Landschaftspflegeverband Günzburg e.V. den Graben im Rahmen einer landkreisweiten Vorführung pflegen würde.

Sollte der Bau- und Umweltausschuss seine Zustimmung geben, würde am 06.10.2021, 10 Uhr diese Pflege-Form erstmals vorgeführt werden. 

Diskussionsverlauf

Zu diesem Tagesordnungspunkt begrüßt der Vorsitzende die Stadtratskollegin, Frau Weitmann, die heute als Mitarbeiterin des Landschaftspflegeverbandes Günzburg e.V. die entsprechenden Erläuterungen zum Vorhaben des Landschaftspflegeverbandes geben wird. Er überträgt ihr hierzu das Wort.

Frau Weitmann stellt eingangs die Initiative für insektenreiche Lebensräume „Natürlich Bayern“, die der Dachverband der Bayer. Landschaftspflegeverbände zusammen mit dem Umweltministerium im Rahmen des „Blühpakts Bayern“, der nach dem Volksbegehren für die Bienen gebündelt wurde, ins Leben gerufen wurde, vor. Das Umweltministerium hat nach er Gründung nach Möglichkeiten gesucht, die Maßnahmen auch in die Flächen zu bekommen. Dabei sind die Landschaftspflegeverbände inzwischen die wichtigsten Partner, da sie in Bayern flächendeckend vertreten sind. Es gibt bis auf den Landkreis Neu-Ulm kaum noch einen Landkreis, in dem kein Landschaftspflegeverband vertreten ist. Das Programm „Natürlich Bayern“ hat eine Laufzeit von 2 Jahren, gefördert werden die Maßnahmen zu 90 %, wobei der Landschaftspflegeverband die restlichen 10 % übernimmt, so dass bei einer Zusage auf die Stadt keine Kosten zukommen würden. Der Fokus liegt darauf, die heimischen Insekten durch die Anlage von Blühflächen und schonende Bewirtschaftung kommunaler Flächen zu schützen. Diesbezüglich wird vom Landschaftspflegeverband auf die Kommunen bzw. Bauhöfe zugegangen und entsprechend beraten.

Für den Landkreis Günzburg ist als besondere Maßnahme „Libellenpfade - blühende Gräben verbinden“ geplant. Dabei ist vorgesehen, Gräben ökologischer zu nutzen. 

Sie zeigt dabei die wichtigsten Schutzgebiete im Landkreis Günzburg, bei denen auffällt, dass es sich nur um kleine Flecken, aber um keinerlei Verbindungen handelt. Solche Verbindungen wären für einen genetischen Austausch sehr wichtig, um bayernweit eine Insektenart zu erhalten. Daher wurden bereits Gebiete im „Bayern Netz Natur“ ausgesucht, die ein Potenzial zur Lebensraumvernetzung haben. Im Landkreis Günzburg sind dies insbesondere die Flusstäler, Günz, Kammel und Mindel. 

Bereits im Jahre 2014 wurde im Landkreis Günzburg eine Libellenart gesucht und im Mindeltal bei Jettingen-Scheppach, im Bremental, bei Mindelzell und bei Oberrohr und Münsterhausen glücklicherweise die Helmazurjungfer gefunden. Hierbei handelt es sich um eine extrem seltene und vom Aussterben bedrohte Art, die einen besonderen Schutzstatus hat. Das hat den Freistaat Bayern dazu bewogen, alles zu unternehmen, dass der Lebensraum dieser Libellenart verbessert werden kann. Hierbei handelt es sich um Entwässerungsgräben mit fließend klarem Wasser. Im Mindeltal ist deshalb ein Netzwerk mit gepflegten Gräben entstanden, die nicht mehr gemulcht, sondern abgemäht und das Mähgut abgefahren wird. Diese Maßnahme ist ein sehr guter Erfolg, nicht nur für die Libelle, sondern auch für die Ökologie im Graben. 

Das Anliegen des Landschaftspflegeverbandes ist es daher, diese Maßnahme auch auf die beiden weiteren Flusstäler auszuweiten. 

Der Lebensraum Graben hat hier viel zu bieten, wie:
-        flaches, verhältnismäßig warmes Wasser als Habitat für die Jugendentwicklung vieler Tierarten
-        oft Saumstrukturen aus krautigen Pflanzen als Rückzugsort für alle Tierarten
-        Pflanzenarten der nassen, zeitweise überschwemmenden Lebensräume. 

Zudem ist es für den Naturschutz positiv, dass es sich bei den Gräben um „Eh-da-Flächen“ handelt, die entsprechend gepflegt werden müssen, die weder für die Landwirtschaft, Industrie, als auch als Versiedlungsfläche gebraucht werden kann. 

Der einzige Unterschied zur jetzigen Pflege wäre eine Umstellung der Technik, anstatt den Graben im Gesamten zu mulchen, sondern abschnittsweise den Graben ungepflegt zu belassen und nur noch abzumähen, um Rückzugsorte zu schaffen.  

Beim Mulchen rotieren im Mulchgerät die Messer sehr schnell. Durch die Rotation entsteht eine Sogwirkung und alles was kleiner ist als eine Maus wird angezogen und gehäckselt. Dies überleben somit Insekten im Normalfall nicht, Säugetiere sterben ebenfalls oder verlieren Gliedmaßen. Zudem bleibt beim Mulchen das gehäckselte Material auf der Fläche liegen. Dadurch entsteht ein sehr starker Nährstoffeintrag, die Fläche wird immer wieder aufgedüngt, es wachsen mehr Pflanzen nach, die fetteren Boden benötigen, aber keine Bühlpflanzen, die einen mageren Boden bevorzugen. Bei einem Starkregen wird auch das gesamte Material in die Gräben geschwemmt, dadurch verlandet der Graben und dieser muss immer wieder ausgebaggert werden. Wenn dieses Material nicht eingeschwemmt wird, würde sich der Zeitabstand zum Ausbaggern ebenfalls verringern. 

Daher sollen die Gräben zukünftig mit einem traditionellen Balkenmähwerk nur noch gemäht werden. Dies hätte folgende Vorteile:
-        weniger mechanische Schäden am Lebewesen
-        ungleichmäßigeres Schnittbild und dadurch heterogenere Flächen
-        kaum mehr Biomasseeintrag in Gewässer oder Böschung und dadurch weniger Verlandung und weniger Aufwuchs.

Die Nachteile liegen darin:
-        teuer
-        empfindlichere Technik 
-        angrenzende Flächen müssen öfter befahren werden
-        Materialentsorgung wird zunehmend zum Problem.

Neben der Umstellung der Technik muss auch das Pflegeregime geändert werden. Aktuell wird am Beginn eines Grabens angefangen und am Ende aufgehört. Zukünftig soll abschnittsweise gemäht werden, damit sich die Lebewesen auch entsprechend in die Abschnitte, die nicht gemäht werden, zurückziehen können. Ganz wichtig ist es auch Abschnitte stehen zu lassen, damit für die Lebewesen eine Überwitterungsfläche vorhanden bleibt. 

Ein weiteres Problem liegt an der Finanzierung, da die Pflegetechnik sehr hohe Kosten verursacht:
-        ca. 0,90 €/lfm. einseitige Mahd
-        3 Arbeitsgänge statt 1
-        teure Entsorgung des Materials. 

Die Lösung hier sind Fördergelder. Der Freistaat Bayern fördert die Mehrkosten von der Umstellung von Mulchen auf Mähen mit 70 % und der Landschaftspflege gibt zusätzlich 15 % dazu, so die Kommune nur noch ca. 0,24 / 0,25 €/lfm. zu tragen hätte. Dies ist zwar immer noch teurer als das Mulchen, aber man hätte auf eine einfache Weise viel für den Naturschutz unternommen. 

Ein weiteres Problem ist die Akzeptanz der Maßnahme in der Bevölkerung, da ökologisch gepflegte Flächen oft nicht „ordentlich“ aussehen
-        Schnittbild etwas ungleichmäßiger
-        Abschnitte bleiben über den Winter hinweg stehen
-        zwischen den Arbeitsgängen kann für kurze Zeit der Schwad auf Feldwegen liegen. 

Als Lösung hierfür werden entsprechend Hinweisschilder aufgestellt, auf dem die Maßnahme „Günzburgs Libellenpfade“ entsprechend auch mit Ansprechpartner des Landschaftspflegeverbandes erläutert wird. Auf weitere Sicht müssen sich die Bürger einfach daran gewöhnen. 

Konkret in Ichenhausen hätte der Landschaftspflegeverband die Absicht, den Taubriedgraben (Grundstück Flur-Nr. 475 Gem. Oxenbronn) auf eine Länge von ca. 1.750 m in den Jahren 2021 und 2022 kostenfrei ökologisch zu pflegen. Dies würde dann auch als Schauobjekt dienen. In diesem Jahr wäre der Termin am 06.10. ab 10:00 Uhr. Jeder, Stadtrat, Bauhof und Bevölkerung sind hierzu recht herzlich eingeladen. 

Stadtrat Stempfle spricht die Diskussion in der vergangenen Sitzung an, wonach die Pflege der Gräben immer schwieriger wird, da die Biber entsprechende Schäden anrichten. Er bittet um Auskunft, ob durch die geplante Maßnahme die Schäden noch größer werden, oder diese auch dazu dient, dass die Biber verschwinden.

Die Pflege allein macht lt. Frau Weitmann überhaupt keinen Unterschied für die Biber. Denen ist es egal ob gemulcht oder gemäht wird. Auch über die Förderprogramme kann gegen die Biber nichts unternommen werden. Im Mindeltal hat die Libelle glücklicherweise ein größeres Schutzgut als der Biber und, nachdem die Libelle kein aufgestautes Wasser mag, kann hier gegen den Biber entsprechend vorgegangen werden. Ansonsten besteht hier keinerlei Möglichkeit. 

Stadtrat Machauf begrüßt die Maßnahme, da es ja „Eh-da-Flächen“ sind und ihn stört auch nicht das ungleichmäßige Schnittbild. Für ihn stellt sich die Frage, ob in diese Maßnahme nicht die in diesem Bereich vorhandenen Altwasser miteinbezogen werden können, die teilweise keinen oder nur noch einen Zulauf haben. Derzeit verlanden diese, so dass er vorschlägt, hier wieder einen Zufluss zu schaffen.

Frau Weitmann erwidert, dass dies unabhänig von dem beabsichtigten Projekt ist. Prinzipiell macht dies der Landschaftspflegeverband auch, wenn auf diese Flächen zugegriffen werden kann. Eine Anbindung an die Günz wird es nicht geben, dies ist wasserrechtlich zu schwierig und auch nicht gewollt. 

Stadtrat Machauf erwidert, dass seinem Wissen nach Eigentümer der Altarme die Stadt wäre. 

Dann könnte dies aus Sicht von Frau Weitmann evtl. ein Projekt für das nächste Jahr sein. 

Stadtrat Kollmann fragt nach, wie es sich bei den Bereichen, die nicht gemäht werden, mit dem Buschwerk, das dort wächst verhält, da es nicht das ökologische Ziel sein kann, dass in 5 oder 10 Jahren die Gräben bebuscht bzw. bewaldet sind. 

Frau Weitmann fügt an, dass eine 1jährige Weide auch noch mit dem Balkenmäher abgemäht werden kann und hierauf auch geachtet wird. 

Stadtrat Schleifer möchte wissen, ob es in der Vergangenheit im Mindel- oder Kammeltal Probleme wegen einem Hochwasser gab und ob die Arbeiten von örtlichen Landwirten ausgeführt werden. 

Lt. Frau Weitmann gab es in der Vergangenheit keine Probleme mit dem Hochwasser, da die Gräben ordentlich gepflegt werden, so dass diese nicht verstopfen, sondern im Gegenteil, da kein Eintrag mehr vorhanden ist, diese auch sauber bleiben. Da für Fördermaßnahmen Angebote einzuholen sind, erfolgt die Ausführung auch von unterschiedlichen Anbietern. Den Unterhalt könnten theoretisch auch Landwirte machen, das wäre für den Landschaftspflegeverband auch am allerliebsten, aber diesen fehlt meistens die Technik, da hier Spezialgeräte benötigt werden.

Der Vorsitzende fasst zusammen, dass es letztendlich um eine andere Bewirtschaftungstechnik handelt, mit dem die Gräben unterhalten werden könnten, um diese ökologischer zu gestalten. 

Stadtrat Schleifer hält fest, dass das Ganze auf eine bestimmte Zeit laufen soll und möchte wissen, ob der Landschaftspflegeverband dann anschließend erwartet, dass die Stadt diese Art der Bewirtschaftung auf eigene Kosten oder evtl. mit Zuschüssen weiterführt. 

Natürlich wäre dies der Wunsch des Landschaftspflegeverbandes, so Frau Weitmann. Das Projekt soll ein Anreiz dazu geben, dass die Stadt auch weiter zu macht. Dies ist aber keine Voraussetzung. Falls die Stadt dies beibehalten sollte, würde die Förderung des Freistaates mit 70 % und 15 % durch den Landschaftspflegeverband greifen.

Stadtrat Sauter bittet um Auskunft, was mit der anderen Grabenseite passiert, da immer von einer einseitigen Mahd gesprochen wurde. 

Frau Weitmann erläutert, dass die einseitige Mahd abwechselnd von beiden Seiten abschnittsweise erfolgen wird. Da hierbei in den angrenzenden Grundstücken gefahren wird, wird natürlich die Erntezeit auf den Grundstücken berücksichtigt und die Termine entsprechend eingeplant. 

Stadtrat Kollmann merkt an, dass es sinnvoll wäre, die nächsten 100 bis 150 m des Grabens, die sich auf der Gemarkung Kötz befinden, mitzumachen, damit auch die Gemeinde Kötz die Möglichkeit hat, sich an dem Projekt zu beteiligen.

Frau Weitmann sagt zu, diesbezüglich auf die Gemeinde Kötz zuzugehen. Sie fügt dabei an, dass in diesem Projekt alle Gemeinden der VG Krumbach bis auf Wiesenbach bereits dabei sind. 

Beschluss

Der städt. Graben Flur-Nr. 475 Gem. Oxenbronn wird dem Landschaftspflegeverband Günzburg e.V. für das Projekt „Günzburgs Libellenpfade“ im Rahmen der Initiative „Natürlich Bayern“ zur Verfügung gestellt. 

Abstimmungsergebnis
Dafür: 10, Dagegen: 0

Datenstand vom 26.10.2021 07:27 Uhr